„Hinter der Tagespost finde ich wieder die (aufgeschriebenen) Träume meiner Mutter. Ich lese sie nur flüchtig, wie einen Brief von der Krankenversicherung. Ihre Träume sind ganz alltäglich. Sie können niemandem Angst einjagen. Ich denke nicht, daß sie froh oder auch nur erleichtert zu sein braucht, wenn sie aus einem ihrer Träume erwacht. Obwohl ich ohnehin nicht das Gefühl habe, daß sie wirklich von mir handeln. Ich glaube übrigens schon lange nicht mehr, daß ich anderer Leute Träume beeinflussen kann. Wir bevölkern gegenseitig unsere Alpträume, ohne zu wissen, was wir dort alles anstellen.

Meine Mutter glaubt, wir seien die Träume von Toten. Ich will nicht der Traum eines Toten sein. Darum höre ich ihr zu, als ob ich Briefe lese, die nicht für mich bestimmt sind.“

aus: Blauer Montag, Arnon Grünberg

„Ja, es stieg auch mir ein Engel nieder …“

Ich liebe Gottesdienste, aus denen ich beseelt komme. Normalerweise habe ich ein wenig zu mir selbst gefunden, ich bin ruhiger geworden, habe die Woche abgeschlossen, freue mich auf die nächste oder sehe ihr wenigstens gelassener entgegen – aber die Gottesdienste, die mich noch tagelang begleiten, sind die, in denen ich wirklich das Gefühl hatte, etwas für meine Seele mitgenommen zu haben und nicht „nur“ für meinen unruhigen Geist.

Gestern war ich wieder mal in einem solchen Gottesdienst. Der Pastor war eine Vertretung, und ich weiß leider seinen Namen und seine Heimatgemeinde nicht, sonst würde ich hier nichts lieber tun als sie zu verlinken. Ich hatte ihn schon öfter predigen gehört; er gehört zu den Pastoren, die gerne die Kanzel verlassen und sich mitten zwischen die Kirchenbänke stellen, um der Gemeinde näher zu sein. Gestern ging es auch passenderweise um uns, denn der Predigttext kam aus dem Paulusbrief an die Epheser (Kap. 1, Vers 15–20). Der Pastor sprach viel über die „erleuchteten Augen des Herzens“, die Flammen, die Gott in uns anzündet und durch die wir leuchten. Was mich besonders beeindruckt hat, war die Gewissheit, mit der der Pastor uns von Gott und seinem Wirken erzählt hat. Er begann den Gottesdienst mit einer sehr persönlichen Geschichte: Er erzählte uns, dass heute der vierte Sonntag nach Epiphanias sei, was für ihn ein sehr wichtiges Datum sei, denn an eben diesem Tage sei ihm einmal ein Engel erschienen.

Ich habe noch nie jemanden sagen hören, dass ihm ein Engel erschienen sei. Außerhalb der Kirche schon mal gar nicht, und wenn mir jemand so etwas erzählen würde, würde ich ihn wahrscheinlich recht ungläubig (im wahrsten Sinne des Wortes) anschauen. Ich weiß nicht, ob ich an Engel glaube; ich zweifele sowieso des Öfteren an allem, nur um zwei Minuten später wieder von allem überzeugt zu sein. Der Pastor hatte damit anscheinend keine Probleme. Nachdem er ganz schlicht gesagt hatte, dass ihm an diesem Sonntag ein Engel erschienen sei, stockte er kurz, hielt inne – und lächelte plötzlich, wahrscheinlich bewegt von seiner eigenen Erinnerung an diesen Moment. Man sah ihm an, wie wundervoll dieses Gefühl gewesen sein muss, und nur durch sein Lächeln und den kurzen Moment des Innehaltens war ich auf einmal sicher, dass er wirklich einen Engel gesehen haben musste. Er erzählte uns dann die ganze Geschichte: 1944 war er mit Mutter und kleinem Bruder auf der kuhrischen Nehrung und spazierte in den Dünen umher. Er und sein Bruder sahen auf einmal etwas Großes, Glitzerndes am Strand liegen und rannten zu dem unbekannten Ding hin, um es genauer zu betrachten, als auf einmal ein Mann neben ihnen stand und sie fragte: „Wollt ihr eine Himmelfahrt machen? Das ist eine Bombe!“ Die beiden Kinder erschraken und rannten zu ihrer Mutter, um ihr von dem Mann zu erzählen, der sie gewarnt hatte – worauf die Mutter nur fragte: „Was für ein Mann? Dort ist doch niemand.“

Ich habe noch den ganzen Tag über diese Geschichte nachgedacht. Unter anderem habe ich auch an Anne Lamott gedacht, die in ihrem Buch Traveling Mercies ebenfalls von Begebenheiten erzählt, die sie in ihrem Glauben bestärken (einige der Geschichten sind auf Salon zu lesen, wo sie Kolumnistin ist). Sie hat meines Wissens zwar noch nie eine so deutliche Begegnung gehabt, aber auch sie ist der Überzeugung, dass vieles, was ihr passiert, eine Botschaft von Gott ist.

Ich nehme an, dass viele von uns Dinge erleben, bei denen sie nachher sagen: Das war doch kein Zufall. Oder: Was für ein Glück, dass dieser Fremde da war, um mir zu helfen. Sie werden diese Begebenheiten vielleicht nicht als Botschaften von Gott ansehen, sondern als Glück, Schicksal, was auch immer. Ich für meinen Teil habe jahrelang mit der Frage gehadert, warum mir ein Mensch wie Karl geschenkt und dann so schnell wieder genommen wurde. Wir hatten etwas mehr als dreieinhalb Jahre Zeit füreinander (wenn auch auf zwei verschiedenen Seiten des Ozeans), und ich habe mich nach seinem Tod sehr oft gefragt, was der Sinn unserer Begegnung war. Wieso musste ich meinen Seelenverwandten wieder gehen lassen, wo ich doch mein Leben lang nach ihm gesucht hatte? Seit einiger Zeit habe ich das Gefühl, dass es gar nicht nötig war, unser Leben gemeinsam zu verbringen. Ich habe aus der Begegnung mit ihm sehr viel mitgenommen: Dadurch, dass wir uns so ähnlich waren, habe ich viel Positives über mich gelernt – aber auch viel Negatives. Es war manchmal sehr erschreckend für mich, ihm bei irgendetwas zuzusehen und zu merken: Ich bin genauso. Und es ist kein schöner Anblick. Ich habe vieles an mir geändert, was nicht gut war. Ich habe aber gleichzeitig vieles an mir zu schätzen gelernt, was ich sonst kaum beachtet hätte. Dafür bin ich dankbar. Sehr dankbar.

Vielleicht war Karl ein Engel. Vielleicht ist er von einem Engel geschickt worden, um in meinen dunklen Zeiten auf mich aufzupassen, denn er ist in dem Moment gegangen, als es mir besser ging, als ich eine weitreichende Entscheidung getroffen hatte, die mich zu mir selbst geführt hat. Vielleicht war er eine Botschaft von Gott, damit ich mich besser um mich kümmere. Vielleicht war er aber auch einfach nur ein Mensch, der mir zufällig über den Weg gelaufen ist. Ich weiß es nicht. Aber seit gestern, seit dem Gottesdienst, in dem mir jemand aus tiefstem Herzen versichert hat, dass er einem Engel begegnet sei, fühle ich mich auf eine seltsame Weise getröstet. Und bestärkt darin, Karl zwar zu vermissen, aber gleichzeitig sicher zu sein, dass es ihm gut geht, wo immer er auch ist.

Ich bin froh über jeden schönen Gottesdienst. Ich bin froh über alles, was ich neu über mich lerne oder was aus meinen eigenen Tiefen emporsteigt. Und ich bin beseelt von jedem Menschen, der mich so anspricht wie der Pastor gestern und der mich noch ein Stück weit begleitet, auch wenn ich schon längst wieder aus der Kirche gekommen bin.

(PS: Der Titel dieses Eintrags ist eine Zeile aus dem Lied Der Engel aus den Wesendonck-Liedern von Richard Wagner, das ihr hier anhören könnt.)

damsel on the run

Den Highlander-Soundtrack beim Sport hören. Sich überlegen, das nächste Mal das Schwert mit aufs Laufband zu nehmen.

Beautiful art made with knitting

Munich

Munich (München, USA 2005, 164 min)

Darsteller: Eric Bana, Daniel Craig, Ciarán Hinds, Mathieu Kassovitz, Hanns Zischler, Ayelet Zorer, Geoffrey Rush, Michael Lonsdale, Mathieu Amalric, Lynn Cohen
Musik: John Williams
Kamera: Janusz Kaminski
Drehbuch: Tony Kushner & Eric Roth, nach dem Buch
Vengeance: The True Story of an Israeli Counter-Terrorist Team von George Jonas
Regie: Steven Spielberg

Trailer

Offizielle Seite

Munich erzählt die Geschichte des Olympia-Attentats in München 1972 – oder besser: Er erzählt, was danach passiert ist. Oder angeblich danach passiert ist. Laut des Films und dem diesem zugrunde liegenden Buch beauftragen Golda Meir und der Mossad einige Israelis, die palästinensischen Köpfe hinter dem Attentat ausfindig und unschädlich zu machen. Der Film konzentriert sich auf fünf Männer; einer davon ist Avner (Eric Bana), dessen Frau gerade hochschwanger ist, als er sich auf den Weg nach Europa macht, um dort seinen Auftrag auzuführen.

Ich hätte nicht gedacht, dass Regisseur Steven Spielberg es schafft, eine so hochemotionale Geschichte von Rache, Gerechtigkeit, Wiedergutmachung (alle Begriffe mit Fragezeichen) dermaßen distanziert zu erzählen. Spielberg ist für mich immer ein Regisseur gewesen, der seine Storys überlebensgroß ausstattet, üppiges Kino schafft, immer wiederkehrende Motive satt ins Bild setzt. Selbst bei der äußerst sensiblen Geschichte von Schindler’s List hat er es geschafft, die typischen Hollywood-Momente zu produzieren; wenn Liam Neeson als Schindler sich kurz or Schluss grämt, dass er nicht genug Juden gerettet hat, dann ist das eklig und nicht ergreifend, einfach weil es zum Rest des Films, der sich ganz vorsichtig bewegt, in seiner brachialen Botschaft nicht passt. Munich wäre eine Steilvorlage gewesen, ebenso brachiale Botschaften an den Zuschauer zu bringen. Und ausgerechnet Spielberg hat dieser Versuchung widerstanden.

Der Film fühlt sich sehr altmodisch an; sicherlich auch, weil er liebevollst die 70-er Jahre wieder aufleben lässt, inklusive interessanter orangefarbener Kacheln in einem Küchenschaufenster. Aber vor allem fühlt er sich von der Erzählweise altmodisch an. Er nimmt sich viel mehr Zeit als man heute gewohnt ist, um den Zuschauer in die Geschichte zu holen. Zwar wird das Attentat selbst anfänglich nur sehr kurz abgehandelt, und auch Avners Vorgeschichte wird nur in zwei Sätzen erzählt, aber darum geht es in Munich ja auch nicht. Es geht um die Jagd nach den Attentätern, um die Suche nach ihnen, um die Pläne, wie man die Gefundenen töten kann. Und anstatt daraus jetzt eine atemlose Hetzjagd durch Europa zu machen, sehen wir den Israelis ganz gemächlich dabei zu, wie sie zusammen kochen und essen, Bomben basteln, Kontakte knüpfen, Schmiergelder zahlen und warten. Warten auf die richtige Gelegenheit, ihren Auftrag auszuführen. Die Erzählweise ist konzentriert, aber dabei fast beiläufig, lakonisch geradezu.

Nur in wenigen Szenen merkt man Munich an, dass er eine filmische Erzählung sein will und keine kühle Dokumentation. Als der erste Täter erschossen wird, kommt der gerade vom Einkaufen, seine Papiertüten fallen herunter, eine Milchflasche zerbricht, und die Milch vermischt sich telegen mit dem Blut des Opfers. Oder die Szene, in der ein Nachrichtensprecher die Namen der israelischen Sportler verliest, die gestorben sind; der Film springt zwischen den Fernsehbildern und einem Raum des Mossad hin und her, in dem gerade die Namen der Attentäter bekannt gegeben werden – die Namen vermischen sich, sie gehören auf einmal zusammen und werden nicht wieder voneinander loskommen. Oder eine Szene kurz vor Schluss, wo die beiden Welten des Films aufeinandertreffen: die letzten Bilder der Opfer und Täter in den Hubschraubern auf dem Flugfeld, die verunglückte Rettung, das sinnlose Sterben auf beiden Seiten. Hier mischen sich diese Szenen mit Bildern von Avner, der nach langer Zeit nach Hause gekommen ist und mit seiner Frau schläft. Er wird die Bilder, die seinen Auftrag begründeten, nicht mehr loswerden, ganz gleich, wie sehr er es auch versucht. Die Welt draußen ist in seine Welt drinnen eingedrungen, und dort wird sie bleiben.

Das Interessante an Munich ist, dass es sich genau wie für die Akteure auch für den Zuschauer immer mehr wie „nur“ ein Auftrag anfühlt. Zwar klingt ab und zu durch, dass man das alles für Israel tut, für sein Land, aber das waren für mich irgendwann nur noch Worthülsen. Nach dem zweiten oder dritten Mord spüren die fünf einen Verdächtigen im Libanon auf; also in einem arabischen Land, aus dem sie sich eigentlich fernhalten sollten. Sie überzeugen ihre Auftraggeber, sie trotzdem walten zu lassen. Und diese Überzeugungsarbeit klingt nicht wie eine Aufgabe um der Ehre des Heimatlandes Willen, sondern es klingt, als ob die Männer inzwischen wissen, wie sie ihren Job am effektivsten ausführen können. Es geht auf einmal nicht mehr um Gerechtigkeit, es geht inzwischen nur noch darum, mehr von „denen“ zu erledigen, bevor diese noch eine Chance haben, einige von „uns“ zu kriegen.

Genau das ist auch das Dilemma, dessen sich Avner im Laufe des Film bewusst wird. Je besser er in seinem „Job“ wird, desto mehr Angst hat er auf einmal um sich – und um seine Familie, die längst nicht mehr in Israel lebt, dem Land, wegen dem er doch den Kampf aufgenommen hat. Er beginnt, paranoid seinen Unterschlupf auf Bomben abzusuchen, er schläft nicht mehr in seinem Bett aus Angst vor Sprengsätzen, er vertraut Menschen nicht mehr, denen er vertraut hat und muss denen vertrauen, denen er eigentlich fremd bleiben wollte. Der Auftrag zehrt nach und nach an ihm, und allmählich wird ihm klar, dass mit jedem ermordeten Terroristen mehrere neue nachkommen, die er theoretisch auch umbringen müsste, um sich sicher zu fühlen. Munich schafft es, die kleine, geordnete Welt, die Avner beschützen wollte, zu einer einzigen großen Ungewissheit zu machen, in der er sich nun befindet, obwohl er doch genau das verhindern wollte.

Beide Seiten – Palästinenser und Israelis – dürfen in wenigen Dialogen „ihre“ Sicht darlegen, und natürlich klingen beide gleich: Beide beanspruchen denselben Platz auf dieser Erde, und beide gemeinsam können sie nicht darauf leben. Der Film bietet keine Lösung an – wie auch, die Realität schafft das ja auch nicht. Munich zeigt den Anfang des Terrors, mit dem wir heute leben, und er fühlt sich genauso überflüssig und genauso dumm an wie heute. In einer Szene geben die Israelis vor, für die RAF oder die ETA zu arbeiten, und es wird ihnen geglaubt. Es ist irgendwann egal, für wen die Waffen erhoben werden, das Ziel ist irgendwann egal, die Mission, die Menschen, die dafür sterben. Irgendwann fühlt sich alles wie ein nicht enden wollender Selbstzweck an, und die Protagonisten legen die Waffen nur deshalb nicht nieder, weil sie sie eben schon so lange in der Hand halten.

Munich ist streckenweise recht brutal, es fließt viel Blut in Großaufnahme, es tut weh, sich das sinnlose Töten anzuschauen, weil man weiß, dass es nichts bewirkt. Munich fühlt sich aber gleichzeitig an wie ein Versuch, das Böse aus der Welt zu schaffen – ein naiver Versuch, ein grausamer und ein sinnloser, aber ein Versuch. Der Film bezieht allerdings keine Stellung, er verurteilt das Attentat, er verurteilt aber ebenso die Reaktion darauf. Er negiert quasi sein Anliegen – und wird dadurch zu einer Art Auseinandersetzung ohne Auflösung. Die zu finden, bleibt dem Zuschauer überlassen. Und auch das hätte ich von Spielberg nicht erwartet: Er bildet diesmal nur ab, seine Handschrift ist kaum zu spüren, er gesteht dem Film zu, dass er streckenweise recht zäh wirkt, weil eben die Ereignisse minutiös erzählt werden müssen, er wagt sich an menschliche Abgründe, vor denen er sonst gerne zurückgeschreckt ist, er lässt das Böse zu Wort kommen, und er gesteht sich und uns ein, dass auch aus guten Absichten fürchterliche Konsequenzen folgen können. Diesmal sind wir nicht in Hollywood. Diesmal gibt es kein Happy-End. Und deswegen ist diesmal auch ein sehr erwachsener und sehr guter Film dabei herausgekommen.

„Soll ich dir was Liebes in den Schnee pinkeln?“

(file under „Finger weg, Mädels, ich hab ihn zuerst gesehen!“)

Bye-bye, Bartlet

Die West-Wing-Staffel, die zurzeit in den USA läuft, wird die letzte sein.

Auf Salon schreiben gerade Autoren und Leser, warum oder ob sie die Serie vermissen werden. Ich werde sie vermissen, weil ich sie clever fand. Also nicht naseweis clever wie Krimiserien, sondern schlau von den Charakteren her. Ich mochte das Setting des Weißen Hauses, weswegen ich es auch bedauere, dass Kanzleramt so ein Grütz geworden ist. Ich werde die Dialoge vermissen, die so dermaßen geschrieben klangen, dass ich jeden einzelnen von ihnen geliebt habe. Jedenfalls die, die noch Aaron Sorkin verfasst hat. Ich werde die Bildung von Präsident Bartlet vermissen, die Brummeligkeit von Toby, die weibliche Vorbildfunktion von C.J., die Gutmütigkeit von Josh, die Nerdigkeit von Donna, das Understatement von Charlie. Aber es spart mir immerhin einen Haufen Geld, weil ich nur noch eine einzige DVD-Box kaufen muss. Bis Sorkins neue Serie anläuft, die ich natürlich auch kaufen werde, genau wie ich seine uralte Serie gekauft habe.

Mikes Körper spricht zu ihm:

K: Der Hals kratzt aber.

M: Hier nimm ein Bonbon und gib endlich Ruhe.

K: Danke. (lutscht) Ich glaub ich hab’ auch Fieber.

M: Was bist du nur für ein erbärmliches Weichei.

K: Bitte nicht in diesem Ton! Ich kann auch anders!

M: Erpressen lass ich mich schon mal gar nicht Freundchen.

K: Wirst schon sehen.

M: (Übergibt sich)

2

Ich ärgere mich ja immer noch ein bisschen darüber, dass ausgerechnet so eine Gurke wie Once Upon a Time in Mexico „unser“ Film ist, weil wir den eben auf unserem ersten Date gesehen haben. Aber immerhin war unser erstes Date im Kino. Und unser zweites auch: Lost in Translation. Schon besser. Das dritte Date war dann Football gucken in deiner Wohnung. Das vierte auch. Und beim fünften Date war dann irgendwie klar, dass das mit uns was Längeres werden könnte, und deswegen bist du einfach gleich bei mir geblieben, und ich hab wegen dir die Golden Globes verpasst. Insofern würde ich es als ausgleichende Gerechtigkeit empfinden, wenn du heute abend an unserem Jahrestag die Partie St. Pauli gegen Werder ausfallen lassen würdest, um mich nobelst auszuführen und mich mit Blumen und Diamantschmuck zu überhäufen. Aber ich ahne, dass daraus wohl nichts werden wird. Also aus den Diamanten und dem Luxusfressen. Na gut. Dann lass uns halt ein total liebevoll belegtes Sandwich vor dem Fernseher essen. Aber wenn du dir unseren Jubeltag weiterhin mit der Eselsbrücke „Das war ungefähr zwei Wochen vor dem Superbowl“ merkst, werde ich irgendwann griffig. Spätestens zur 3.

(Loveya, allerliebster Lieblingskerl von allen Kerlen dieser Welt. Alter Spacko :-*)

PowerPoint-Karaoke

Das Wort ist so schön, das kann nicht bis morgen warten. Was es mit – ich sag’s einfach nochmal – PowerPoint-Karaoke auf sich hat, weiß die Riesenmaschine und die BZ Berliner Zeitung.

(Danke an Sascha und Moni für den Hinweis, dass die BZ mitnichten die Berliner Zeitung ist.)

He, Leutz!

Jetzt muss ich doch mal was sagen! Ich bin echt total enttäuscht von dem Dahlmann – zuerst lässt er mich in sein Poesiealbum gucken, wo die Isa und der Sven sich so liebhaben tun, und dann erzähl ich das so harmlos rum so, und auf einmal sind alle stinkig, auch Isa, wo ich die doch sonst total nett finde, aber jetzt macht die auf einmal einen auf Psychobraut und schickt dem Sven aufreizende Bilder, das find ich total gemein, echt, und ich wette, der Sven steht gar nicht auf so doofe Hamster, das ist doch Mädchenkram, der steht bestimmt eher auf Hunde, und wie gut, dass ich einen habe, also naja, keinen echten, weil meine Mama und mein Papa nicht wollen, dass wir Haustiere haben, deswegen kriegt meine Schwester auch keinen Affen, aber ich hab immerhin einen Stoffhund und den nehm ich auch immer mit auf Klassenfahrt, so wie hier, wo ich meinen liebsten Schlafanzug anhab, der ist echt on vok ehn vooh ong fuh todschick und jetzt hat die Isa erstmal keine Chance mehr, außerdem will Sven ja eh mit mir einen trinken gehen, da hab ich mir auch schon was überlegt, ich glaub, ich mopse meinen Eltern ne Flasche Eierlikör aus dem Vorratskeller, der hat, glaube ich, 12 Prozent, also der Likör, nicht der Keller, also wenn der nicht knallt, weiß ich auch nicht. So. Das wollte ich nur mal sagen. Alles klärchen? Let’s fetz!

(Ich habe irgendwie das dumpfe Gefühl, dass Dahlmanns perfider Plan, peinliche Jugendfotos von Bloggern rauszukitzeln, eins A aufgeht.)

Cinderella Man

Zu Ron-Howard-Filmen fällt mir als erstes immer ein: solide. Ich mag seine Art, Geschichten ganz schlicht und unprätentiös zu erzählen, fast nebenbei, die Gefühle, die bei mir grundsätzlich geweckt werden, scheinen von ganz alleine zu kommen und nicht durch die übliche Geigensoundtrack-Schnitttechnik-Schauspieler-Melange, die mich dazu bringen will, eben diese Gefühle zu entwickeln. Deswegen fühlen sich seine Filme auch nicht aufgesetzt an oder schamlos, so wie Titanic sich schamlos angefühlt hat („Ja, ich weiß, dass ihr wisst, wie der Film ausgeht, aber heult trotzdem, kommt schon!“). Auch Cinderella Man (Das Comeback) erzählt eine Geschichte, deren Ende man kennt oder googeln kann: Boxer Jim Braddock ist ungeschlagen, verliert dann kurz vor der Great Depression einen Kampf, bekommt keine neuen Kämpfe mehr und muss sich in den folgenden Jahren mit Jobs im New Yorker Hafen über Wasser halten. Erst kurz bevor er und seine Familie verhungern, schafft er sein unglaubliches Comeback, was ihn zu einem Symbol für den Aufstieg aus dem Nichts, dem amerikanischen Traum macht.

Der Film bietet die üblichen Bilder aus dem Boxring, die Trainingssituationen, die blutenden Cuts. Darüber hinaus zeigt er aber auch das verarmte New York, die Hoovervilles im Central Park, die hungrigen Menschen und die Verzweiflung über die Situation Anfang der 30-er Jahre in Amerika. Cinderella Man läuft fast an einem vorbei; er beeindruckt eher durch Russell Crowe als Braddock und Paul Giamatti als sein Agent als durch seine Geschichte. Womit wir wieder bei der eigentlichen Stärke von Ron-Howard-Filmen wären: Ihm sind die Charaktere immer wichtiger als die Story. So ist es auch hier – nur leider können hier die Figuren nicht ganz über die vorhersehbare Geschichte hinwegtrösten wie es z.B. bei Apollo 13 passiert ist, wo man auch wusste, wie der Film ausgeht. Der Film ist um eine ganze Ecke zu lang und zu betulich geraten; als „zeitgeschichtliches Dokument“ lasse ich ihn gelten, als aufregendes Kino leider nicht. Und trotzdem kann ich mich nicht dazu durchringen, ihn richtig zu verreißen, denn Ron Howard verzeihe ich eben so gut wie alles (sogar Renee Zellweger als Crowes Gattin. Und das will wirklich was heißen).

The Island

Hui, was für ein ambitioniertes Filmchen über Klone, die plötzlich ein Bewusstsein entwickeln, hätte es werden können. Hätte, ist es aber nicht, denn schließlich hat Michael „Wumms“ Bay Regie geführt, und deswegen endet der kleine Ausflug ins moralphilosophische Fach klassisch mit Verfolgungsjadgen auf dem Highway, stockwerktiefen Stürzen der attraktiven Hauptdarsteller (Ewan McGregor, Scarlett Johansson) ohne böse Folgen und den üblichen Ballerorgien, bei denen die Kugeln nur die Bösen treffen. The Island (Die Insel) ist ein einziges Product Placement (Puma, xBox, Ben & Jerry’s, MSN, Calvin Klein, AmEx, Nokia und bestimmt noch einige mehr), bei dem nicht mal versucht wurde, subtil aufzutreten. Wichtiger als die Story war neben den Firmennamen die videoclipbunte Farbigkeit, so dass man wenigstens was zum Gucken hatte, wenn’s schon nix zu Denken gab. Zum Popcornessen okay, sonst voller Plotlöcher und ziemlich eklig.

Must Love Dogs

Ach, ich mag Diane Lane und ich mag John Cusack, und deswegen kann man sich auch diese typische Pärchenschnulze ganz gut angucken. Must Love Dogs (Frau mit Hund sucht Mann mit Herz) erzählt die Geschichte von Sarah, kürzlich geschieden, deren nervige Schwester, der ich persönlich dauernd eine reingehauen hätte, wenn sie sich so in mein Leben einmischen würde, eine Kontaktanzeige im Internet für sie aufgibt. Der Schwung an ekligen Dates folgt (“You would look great in handcuffs”), bis schließlich Jake mit geliehenem Cäsar-Hund vor Sarah steht. Es läuft anfangs nicht ganz so gut zwischen den beiden, aber zum Schluss kriegen sie sich natürlich trotzdem.

Must Love Dogs unterscheidet sich von den klassischen Datefilmchen dadurch, dass er recht wenige gut gelaunte Singles präsentiert, die alle mal eben nebenbei die Liebe ihres Lebens finden. Wir treffen viele enttäuschte Menschen, die uns erzählen, was schief gegangen ist in ihren Beziehungen, was sie nun erwarten, wieviele Abstriche sie schon gemacht haben und wieviele sie noch machen werden, nur um nicht alleine einschlafen zu müssen. Teilweise ist der Film eher deprimierend als schnuffig, aber genau das macht ihn erträglich. Auch nett: Die Menschen, die hier auf der Suche sind, sind keine hippen Mittzwanziger, sondern durchaus Leute, die schon ein paar Jährchen mehr auf dem Buckel haben. Was uns auch die üblichen Szenen der heulenden Göre mit dem Rieseneisbecher Ben & Jerry’s erspart. Dafür gibt’s stattdessen die Maniküre mit den schwulen Freunden … hm …nee,ist auch nicht besser. Und auch auf die Szene, in der Diane allen Ernstes in einen Fluss springt, auf dem John gerade davonrudert, um ihm ihre Liebe zu gestehen, hätte ich gerne verzichtet. Aber egal. Kurz darauf fing schließlich schon der obligatorische Gute-Laune-Abspann an. Verziehen.

(Aber demjenigen, der sich diesen oberbescheuerten deutschen Titel ausgedacht hat, wünsche ich einen besonders warmen Platz in der Texterhölle.)

Dark Water

Dark Water (Dunkle Wasser) erzählt die Geschichte einer jungen Mutter, die mit ihrer kleinen Tochter in ein neues Appartement zieht. Geräusche aus der Wohnung über ihnen dringen ins Schlafzimmer – und nicht nur das: dunkles Wasser tropft aus der Decke, Wasserhähne beginnen zu laufen, Waschmaschinen quellen über. Die Tochter erzählt von einer eingebildeten Freundin, die Mutter versucht, ihre eigenen Dämonen loszuwerden, nämlich die einer Mutter, die sie verlassen hat, und nebenbei muss sie auch noch irgendwie ihre Scheidung überstehen, bei der ihr Mann sie als geisteskrank darzustellen versucht. Alle Einzelteile klingen fürchterlich nach Klischee, und im Prinzip passiert in Dark Water auch nichts, was man nicht irgendwie geahnt oder schonmal gesehen hat, aber mich hat der Film trotzdem bis zum Schluss fasziniert. Er war nicht holzhammerplump auf Horror angelegt, sondern verbreitete mit einfachen Mitteln eine sehr angespannte Atmosphäre. Ich habe mich kein einziges Mal wirklich erschreckt, aber ich fand die gesamte Stimmung sehr einschüchternd. Jennifer Connelly und Ariel Gade als ihre Tochter waren überzeugend „normal“ in dieser Geistergeschichte, weswegen mir der Film auch nicht an den Haaren herbeigezogen vorkam. Keine Neudefinition des Genres, aber ordentlich gemachter Suspense.