In eigener Sache: Ich habe meine Arbeitsseite einen Hauch aktualisiert. Falls ihr ein Drittel dieses wunderschönen Buches umsonst lesen wollt – hier geht’s lang.

Bücher 2009, Oktober

Marcel Proust/Eva Rechel-Mertens (Übers.) – Auf der Suche nach der verlorenen Zeit 6: Die Flüchtige

Wenn der Erzähler in den ersten fünf Bänden schon eine Menge Zeit mit Introspektive verbracht hat, dann macht er im sechsten fast nichts anderes. Seine Geliebte hat ihn verlassen, und er sinniert nun, wie er die Gute wieder zurückkriegt. Sie schreiben sich Briefe, für die man beide mal wieder gehörig durchschütteln möchte („Ich schreibe ihr, dass sie wegbleiben soll, denn dann weiß sie, dass sie zurückkommen soll“ – WAAAAH!), lernt aber gleichzeitig noch mehr über den anstrengenden Charakter der Hauptperson. Ich fand es wie immer sehr spannend, ihm bei seinen Gedankengängen zuzugucken, auch wenn sie mich wahnsinnig gemacht haben. Schließlich erhält Marcel eine Todesnachricht, und damit beschäftigt sich so gut wie der komplette Rest des Bändchens (420 Seiten ist für die Recherche ja lächerlich): Wie geht es Marcel beim ersten Lesen, wie beim zweiten, wie beim ersten Schock, wie beim allmählichen Vergessens der betreffenden Person. Hört sich wie immer spinnert an, liest sich aber unwiderstehlich.

Charles Burns – Black Hole

Spooky stuff. Diesen Comic habe ich abends nur gelesen, wenn ich wusste, dass der Kerl noch wach war, damit er mir notfalls eine plüschige Geschichte von regenbogenfarbenen Einhörnern und langhaarigen Prinzessinnen in ihren Unterwasserschlössern aus Gold erzählen könnte. Tagsüber war die bizarre Geschichte etwas leichter zu verdauen. Es geht um High-School-Schüler und -Schülerinnen, der Mode nach zu urteilen, in den 70er Jahren. Einige von ihnen sind von einer sexuell übertragbaren Krankheit befallen, was einigen von ihnen Schwänze wachsen lässt oder einem anderen einen zweiten Mund am Hals, der sogar sprechen kann. Das Buch dreht sich um vier Charaktere, erzählt die Geschichte von einem von ihnen, springt wieder zu den anderen, setzt alle vier in Verbindung und konzentriert sich wieder auf eine Figur.

Was das Buch so verstörend macht, ist nicht nur der Inhalt, den ich mal als Metapher auf der Erwachsenwerden und den schwierigen Umgang mit Sexualität deute, sondern die Zeichnungen. Das Buch ist gefühlt zu 80 Prozent schwarz, die weißen Flächen sehen aus wie mit dem Holzschnittmesser aus dem Papier gefräst. Die Bilder sind sehr präzise und gleichzeitig sehr reduziert, was die grotesken Krankheitsmuster noch unheimlicher erscheinen lässt. Und hinter allem scheint eine große, schwere Schwärze nur darauf zu warten, alles zu überfluten. Nicht unbedingt ein Gute-Laune-Buch, aber definitiv eins, das mich sehr beeindruckt hat.

Marcel Proust/Eva Rechel-Mertens (Übers.) – Auf der Suche nach der verlorenen Zeit 7: Die wiedergefundene Zeit

Das große Finale – das sich gar nicht wie eins anfühlt, sondern eher wie ein langer Abschied von den vielen Figuren, die einen über 3.500 Seiten begleitet haben. Die Realität hält kurz Einzug in die Recherche: Der Erste Weltkrieg reißt einige der Charaktere mit sich, die Witwen gehen neue Verbindungen ein, und daraus entstehen neue Verwandschaftsverhältnisse, die beim letzten Salon des Buchs wie immer für Gesprächsstoff sorgen.

Das Hauptmotiv des siebten Bandes ist aber die Zeit. Endlich wird dem Erzähler klar, wie viel er schon davon verschwendet hat und wie wenig ihm noch bleibt. Er findet seine Berufung – Schriftsteller –, aber in dem Moment, in dem er weiß, was er mit seinem Leben anfangen soll, naht sich ihm der Tod. Ganz blöd könnte man die vielen, vielen Buchseiten also mit „Nutze den Tag“ zusammenfassen, aber ich ahne, dass man damit Proust nicht ganz gerecht wird.

Wie es mir damit geht, eines der ganz großen Werke der Weltliteratur durchgelesen zu haben, habe ich hier aufgeschrieben.

Gerbrand Bakker/Andreas Ecke (Übers.) – Oben ist es still

Ganz andere Schiene als der Herr Proust. Wenige Worte, wenig, was passiert, karge Landschaft, viel Regen – und doch brodelt im ganzen Buch so viel Last, die Hauptfigur Helmer mit sich herumschleppt. Er ist 55, die eine Hälfte eines Zwillingspaares, und das Buch beginnt damit, dass Helmer seinen alten Vater vom Erdgeschoss in den ersten Stock des elterlichen Hauses trägt, damit dieser sterben kann. Im Laufe des Buchs erfahren wir, wie es der anderen Zwillingshälfte geht, dessen Freundin, deren Sohn und eben Helmer und seinem Vater, die viel Zeit aufarbeiten. Mit wenigen Worten und noch weniger Taten. Ich mochte die klare, einfache Sprache sehr gerne, die viel Raum für eigene Gedanken lässt und einen doch zielgerichtet an die Hand nimmt. Danke an Isa für den Hinweis.

Warren Ellis/Darick Robertson – Transmetropolitan 2 – Lust for Life

Der zweite Sammelband der Storys um Spider Jerusalem, dem Comicreporter, der Hunter S. Thompson nachempfunden wurde. Genauso gut wie der erste, wenn auch die Überraschung über die futuristische (und sehr anstrengende) Welt fehlte. Dafür versteckt sich in diesem Band zwischen den ganzen Schimpfworten, Obszönitäten, Folterfernsehen und sprechenden Polizeihunden eine Geschichte über eine Frau, die sich in unserer Zeit per Kryonik hat einfrieren lassen. Sie wird brutal in der Zukunft geweckt, auf die sie natürlich überhaupt nicht vorbereitet ist – und die sie sich garantiert etwas puscheliger vorgestellt hat. Ich fand das Gedankenspiel sehr interessant: Was ist mit den ganzen Nasen, die sich heute auf Eis legen lassen? Mal abgesehen davon, dass ich nicht glaube, dass man sie wiederbeleben kann, aber wenn doch: Wird es ihnen so gehen wie der Frau in der Geschichte, die vor allem feststellen muss, dass die Gegenwart den Besuch aus der Vergangenheit so gar nicht zu würdigen weiß? Ein fast poetischer Einschub im lauten Transmetropolitan.

Guido SieberDes Engels letzter Fall

Ein Relikt von 1992 aus dem Kerl’schen Regal. Optik: als ob ein schlechtgelaunter Max Beckmann Comics zeichnet. Sehr expressiv, vulgär – und damit sehr faszinierend. Sprache: selten so gelacht und politisch mehr als unkorrekt. In Engel geht es um einen, ja genau, Engel, der vom Teufel verführt wird, sich die Hölle mal anzugucken, weil in ihr deutlich mehr los ist als im Himmel, in den ja keiner mehr kommt, denn wer ist heute schon ohne Sünde. Oder wie der Engel es ausdrückt: „Wir kriegen nur noch Totgeborene, ewig Kranke, Verhungerte, na dritte Welt und so! Kein schöner Anblick! Das kann ich dir sagen! Kannst dir ja vorstellen, dass da nicht allzuviel zu tun ist. Die meisten von uns sind erstmal auf unbefristete Zeit zwangsbeurlaubt.“ — Teufel: „Junge, Junge.“ Ein zweiter Handlungsstrang beschäftigt sich mit Herrn el Lobo, einem Privatdetektiv, der eher damit beschäftigt ist, peinliche Anmachsprüche loszulassen als seinen Job zu machen, weswegen er über kurz oder lang den Engel trifft, der sich gerade auf verbotenem Terrain bewegt. Engel hat ein paar philosophische Einschübe, die aber netterweise fast untergehen im krachledernen Getümmel. Schönes Ding.

Kyle BakerWhy I hate Saturn

Auch schon etwas älter (1990) und daher teilweise leicht angestaubter Humor. Saturn erzählt von Anne, einer bewusst dauerbetrunkenen Schriftstellerin, die sich mit einer Kolumne über Wasser hält, keinen Führerschein oder ID hat und sich mit ihrem Kumpel Ricky total tiefsinnige Diskussionen darüber liefert, was Männer an Frauen tollfinden (hint: tits and ass). Der Comic liest sich wie eine gezeichnete Sitcom und hat teilweise sehr hübsche Captions, nervt aber nach einer kurzen Zeit ziemlich. Auch wegen der angesprochenen tits-and-ass-Problematik. Und der jammerigen Heldin.

Muriel Barbery/Gabriela Zehnder (Übers.) – Die letzte Delikatesse

Barberys erster Roman und gleichzeitig der vor dem Welterfolg Die Eleganz des Igels. Beim Igel mochte ich den versponnenen und teilweise arg überkandidelten Sprachstil ja ganz gerne, aber Delikatesse hat fast konstant genervt. Die Struktur ist allerdings spannend: Ein im Sterben liegender Restaurantkritiker erzählt davon, wie er ein letztes Mal ein bestimmtes Gericht essen will, wenn er nur wüsste welches, weshalb er sich in einer Rückschau an vieles erinnert, was er schon gegessen hat. Um seine Kapitel herum erzählen andere, wie sie diesen Kritiker zu Lebzeiten wahrgenommen haben: kurz gesagt, als Mistkerl. Das Dumme ist, dass Barbery zu wenig aus dieser Idee macht; die einzelnen Kapitel sind viel zu kurz, um Tiefe entwickeln zu können, weswegen die Hauptfigur ein blödes Klischee bleibt.

Das dazu auch noch einen ganz schlimmen Tonfall drauf hat, voller Worte, die schmeckig klingen sollen und doch nur schiefe Bezüge sind. Wie zum Beispiel „Die Fleischklößchen, mit dem gebührenden Respekt für ihre Festigkeit gebraten und trotz der Feuertaufe kein bißchen trocken, erfüllten meinen Mund des professionellen Fleischfressers mit einer warmen, würzigen, saftigen und kompakten Welle des Kauvergnügens. Die süßen Paprikaschoten, ölig und frisch, besänftigten meine von der männlichen Strenge des Fleisches beherrschten Geschmacksknospen und bereiten sie erneut auf diesen mächtigen Angriff vor.“

„Meinen“ Mund des Fleischfressers? „Welle des Kauvergnügens“? Und dann sind da noch etliche seltsame Übersetzungsschnitzer drin, wie zum Beispiel „Ich machte einen langen Spaziergang auf der Omaha Beach“ – im Französischen ist „Strand“ weiblich, bei uns aber nicht. Ich weiß nicht, ob der Verlag Delikatesse innerhalb von fünf Minuten auf den Markt geworfen hat, als sich abzeichnete, dass Igel so toll laufen würde – wenn ja: dumme Idee.

(Für gute Fressbeschreibungen empfehle ich ja immer Herrn Paul. Bei dem klingt das nämlich so, als ob er alles wirklich gegessen hat anstatt sich in einem kleinen Schreibstübchen nur vorzustellen, wie wohl Frikadellen mit Gemüse munden.)

„O tempo’a, o mo’es!“

Sehr schönes Interview in der Welt mit Gudrun Penndorf, der Übersetzerin der ersten 29 Asterix-Bände (via Kaltmamsell): Als Asterix und Obelix Deutsch lernten.

„WELT ONLINE: Was war denn das Besondere an der Asterix-Sprache?

Penndorf: Man hat auf gute Sprechsprache Wert gelegt. Es sollte gesprochene Sprache sein, aber es ist natürlich fiktive Sprache. Jedes Theaterstück ist so eine Fiktion, auch jeder Dialog in einem Roman. Deswegen klingt es auch manchmal so gestelzt. Aber eigentlich soll es so klingen wie gesprochen. Und diese Asterixe, die ich von Band 1-29 übersetzt habe, wurden ja auch auf Musikkassetten und später CDs veröffentlicht. Wenn Sie das abhören, klingt das richtig natürlich. Das kann man sprechen! Ich weiß von vielen Kindern, die das auswendig mitsprechen konnten. Und es wurde von der Originalausgabe bis heute kaum etwas verändert.

WELT ONLINE: Was wurde denn mal geändert?

Penndorf: Eine Sache wurde schon im Manuskriptstatus verbessert: Ich hatte zunächst gar kein Gefühl dafür, dass einer in Not nicht „O je!“ schreien kann. Denn das geht ja nicht, das ist ja die Kurzform von „Oh Jesus!“ Wie soll das gehen – 50 vor Christus?

WELT ONLINE: Hat der französische Germanist, der alle Ihre deutschen Texte rückübersetzen und Goscinny vorlegen musste, jemals etwas beanstandet?

Penndorf: Ja. Seine Frage bezog sich auf einen Römer, den ich „Ofenaus“ genannt hatte. Das hat er nicht verstanden, der Franzose. Ein schönes Gefühl! Das tat gut, den mal vor ein ähnliches Rätsel zu stellen.“

Um dem Zitatrecht genüge zu tun (man muss ja heute selbst als unkommerzieller Blogger vorsichtig sein), möchte ich anfügen, dass wir im Lateinunterricht natürlich auch mal den lateinischen Asterix gelesen habe – beziehungsweise es versucht haben. Wir sind, soweit ich mich erinnere, nicht mal über die erste Seite weggekommen.

Weiterhin möchte ich kundtun, dass mein Lieblingsband derjenige ist, in dem Majestix eine Kur machen muss, weil seine Leber streikt. Ich habe den Titel gerade nicht griffbereit. (Edit: Asterix und der Avernerschild, danke, @peternoster.)

Und dank des Interviews weiß ich endlich, warum der schwarze Pirat kein R aussprechen kann.

Reicht das als geistige Schöpfungshöhe? Sonst schreib ich gerne noch drei Absätze Stuss drunter, nur um auf einen Artikel verlinken zu dürfen.

Edit: Spreeblick hat eine sehr schöne Antwort auf den Blogeintrag von Frau Schweitzer, die im oben verlinkten Artikel von Netzpolitik erwähnt wird. Ist im Tonfall ähnlich pampig wie der Blogeintrag – und damit angemessen.

Von Dienstleister zu Dienstleister

Hallo, XY-Bank: Dass du schon zu doof bist, meinen Namen zu googeln und so an meine Mail-Adresse oder Telefonnummer zu kommen, weil du mich ja angeblich so dringend erreichen musst, und mir stattdessen einen Brief schickst, in dem du um Rückruf bittest, hat mich ja schon verstört.

Dummerweise hast du diesem Brief aber auch noch als liebevolle Geste eine kleine Tüte Gummibärchen beigelegt; das war sicher ein netter Gedanke, hat den Brief aber schwerer gemacht als er für 55 Cent sein darf, was zur Folge hatte, dass ich zur Post rennen musste, um 86 Cent Nachporto zu zahlen, nur um zu erfahren, dass ihr möchtet, dass ich euch anrufe.

Einerseits halte ich euch jetzt für völlige Hinterwälder. Andererseits aber auch für Kapitalistengötter, wie sie in schlechten Büchern stehen, weil ihr eure eigenen Kunden dazu bringt, eure Telefon- und Portokosten zu übernehmen. Deppen.

Es wird gerne gegessen, was auf den üppig gedeckten Tisch kommt

Hier tut sich zurzeit etwas wenig, ich weiß. Meine Begeisterung für Filme und Kinos schlummert tief in mir drin und wird sicher irgendwann wieder wach, aber jetzt gerade haben Bücher mich mehr im Griff. Und Arbeit. Und der unerwartet zeitaufwendige, aber spannende und lohnende Komplex Einkaufen/Kochen/Essen. Da ich weiß, dass meine Kunden es nicht ganz so toll fänden, wenn ich meinen Schreibtisch twittern und meine Jobliste bloggen würde, ist davon hier sehr wenig zu lesen. Über Bücher halte ich euch monatlich auf dem Laufenden; das System gefällt mir ganz gut, obwohl ich sehr neidisch auf Isa bin, die den cleveren Einfall hatte, von jedem rezensierten Buch die ersten Zeilen aufzuschreiben. Quasi ins Buch blättern per Blog. Mal sehen, ob ich das klaue.

Bleibt noch Einkaufen/Kochen/Essen. Darüber habe ich ja ausführlich geschrieben, als mein Lieblingscoach meinen Körper und meine Seele für Gemüse zu begeistern verstand. Also für anderes Gemüse als die halbe Dose Mais auf der Pizza oder das Alibisalatblatt auf dem Burger. Im Laufe des Neuentdeckens von Nahrung habe ich verstärkt Kochblogs gelesen, die gefühlt jeden Tag irgendwas wahnwitzig Leckeres zaubern, dazu meist auch noch wahnwitzig tolle Fotos machen, auf denen auch noch wahnwitzig schickes Geschirr zu sehen ist. Deswegen halte ich mich bei diesem Thema etwas zurück, denn ich ahne, dass ich selbst mit meiner schnaften Tomatensauce, die ich neulich über ein paar Schweinemedaillons gekippt habe, nicht mit den Profis mithalten kann. Ist halt nur Tomatensauce und kein „Schaum von Tomate und Essigessenz an Basilikumluft mit Zwiebelhauch“. War dafür aber lecker und hat sicher weniger Arbeit gemacht als Basilikum in Luft zu verwandeln.

Stichwort „weniger Arbeit“: Auch ein Grund dafür, dass hier gerade so wenig Zeit in DVDs und Kino investiert wird. Der Kerl oder ich gehen fast jeden Tag einkaufen, weil wir lieber spontan kochen anstatt gezwungenermaßen eine gelieferte Gemüsekiste leerzuessen. Vielleicht ändert sich das noch, aber im Moment finden wir beide das recht lustig, uns morgens zu überlegen, was es denn abends geben soll. Das heißt aber auch, dass wir nicht direkt nach der Arbeit ne Pizza bestellen und nebenbei was anderes machen, sondern es heißt: erstmal einkaufen, dann kochen, dann abwaschen. Macht alles Spaß, kostet aber mehr Zeit als unser früheres Essverhalten.

Stichwort „Spaß“: Die Scheu vor fremden Lebensmitteln weicht immer mehr. Mein Lieblingsgemüsehöker hat gefühlt dauernd was Neues in der Auslage, so dass ich immer erst einmal um den ganzen Stand rumrenne, um zu gucken, was denn gerade da ist. Was dazu geführt hat, dass ich mal einen Kürbis gekauft habe, mal eine Handvoll Pastinaken, Rosenkohl, Kohlrabi oder gerade vor ein paar Tagen einen Sack Grünkohl – neben dem üblichen Tomate-Gurke-Möhren-Zwiebeln-Zucchini-Kartoffeln-Paprika-Petersilie-Berg, der die Hälfte unserer Speisekammer ausmacht. (Die andere Hälfte nehmen derzeit Weintrauben, Äpfel, Zitronen, Ingwer, Pflaumen und Kiwi ein.) Auf der To-buy-Liste, wenn ich ne Hand frei habe: Schwarzwurzeln, frischer Koriander und Butternut Squash. Bei diesem Händler habe ich erstmals einen Satz gehört, den ich als jahrelanger Supermarkteinkäufer gar nicht in meinem Wortschatz hatte: „Die Saison ist leider schon vorbei.“ Ich wollte Erbsen kaufen, weil ich es inzwischen sehr unterhaltsam finde, Erbsen aus der Schale zu pulen, die Hälfte schon zu naschen, bevor sie in der Schüssel landen und dabei an Omas Gemüsegarten zu denken, in dem ich das als Kind schon gemacht habe. Aber wie ich jetzt weiß, gibt es eine Zeit, in der Erbsen keine Saison haben. Weswegen ich mich neulich an rote Bete rangetraut habe.

Stichwort „Ich lasse diese Mechanik jetzt fast unbemerkt auslaufen, beziehe mich aber thematisch trotzdem auf den vorherigen Absatz“: Kerl und ich sind überzeugte Masterchef-Zuschauer. Gibt es leider nicht dauernd, aber seit wir abends kochen, kann ich um 19 Uhr kein Perfektes Dinner mehr gucken (nein, ich will das nicht aufzeichnen). Daher ist Masterchef jetzt unsere Sendung, in der vor allem viel schickeres Zeug produziert wird als beim Dinner. Die letzte Staffel war sogar mit Profiköchen besetzt, die Michelin-Standard anstreben anstatt Amateure, die gerne Profikoch werden wollen. Deswegen gab’s diesmal aberwitzige Kreationen, die wir nie nachmachen könnten, aber manchmal war dann eben doch eine Leckerei dabei, die ich mir merken konnte. Eben: rote Bete.

Die habe ich roh in hauchdünne Scheiben geschnitten (nachdem ich vorher gefragt hatte, wo es denn bitte Einweghandschuhe gebe), darauf eine wohlgeformte Kugel Ziegenfrischkäse gesetzt, das rotweiße Gebilde mit wenig Biohonig, kleingehackten Walnüssen und schwarzem Pfeffer verziert – und dann genossen. Mit einem kühlen Weißwein und nem dicken Grinsen im Gesicht.

Ach, wo Frau Fragmente mich gerade daran erinnert: Ich kann einen Punkt von meiner bucket list streichen:

„4.) Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit durchlesen.

5.) Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit im Original durchlesen.“

Punkt 5 würde ich allerdings gerne ändern in: „In Paris einen Kaffee ohne Wörterbuch bestellen.“ Oder ich ändere es in „In Paris eine Kinokarte kaufen und nach dem Saal fragen – ohne Wörterbuch“. Dann könnte ich da auch nen Haken drunter machen.

schwanzmuetze

Ich besitze sein Samstag ein neues MacBook Pro. Und ich habe blöderweise den Kerl den Namen aussuchen lassen.

(I love Schwanzmütze.)

Proust lesen

„Ein Gefühl der Müdigkeit und des Grauens befiel mich bei dem Gedanken, daß diese ganze so lange Zeit nicht nur ohne Unterbrechung von mir gelebt, gedacht und wie ein körperliches Sekret abgelagert worden war und daß sie mein Leben, daß sie ich selbst war, sondern daß ich sie auch noch jede Minute bei mir festhalten mußte, daß sie mich, der ich auf ihrem schwindelnden Gipfel hockte und mich nicht rühren konnte, ohne sie ins Gleiten zu bringen, gewissermaßen trug. Das Datum, zu dem ich das Geräusch des Glöckchens an der Gartenpforte in Combray gehört hatte, jenen Klang, der jetzt so fern und dennoch in mich eingebettet war, bildete einen Markstein in dieser unendlichen Weite, von deren Vorhandensein in mir ich nichts ahnte. Es schwindelte mir, wenn ich unter mir und trotz allem in mir, als sei ich viele Meilen hoch, so viele Jahre erblickte.“

(Marcel Proust, Auf der Suche nach der verlorenen Zeit 7: Die wiedergefundene Zeit, Suhrkamp 3647, 2002, Seite 526/527, Übersetzung von Eva Rechel-Mertens)

„J’éprouvais un sentiment de fatigue profonde à sentir que tout ce temps si long non seulement avait sans une interruption été vécu, pensé, sécrété par moi, qu’il était ma vie, qu’il était moi-même, mais encore que j’avais à toute minute à le maintenir attaché à moi, qu’il me supportait, que j’étais juché à son sommet vertigineux, que je ne pouvais me mouvoir, sans le déplacer avec moi. La date à laquelle j’entendais le bruit de la sonnette du jardin de Combray si distant et pourtant intérieur, était un point de repère dans cette dimension énorme que je ne savais pas avoir. J’avais le vertige de voir au-dessous de moi et en moi pourtant comme si j’avais des lieues de hauteur, tant d’années.“

(Marcel Proust, À la recherche du temps perdu 7: Le temps retrouvé, Quelle 1, 2)

Das ist nicht der Schluss des Werks, aber es fehlen nur noch wenige Zeilen, und dann taucht das Wort Ende auf. Und ich konnte es kaum glauben, als ich dieses Wort sah, dass ich das Buch jetzt aus der Hand legen sollte, denn schließlich hatte ich seit Monaten ständig „einen Proust“ im Rucksack, neben dem Bett, auf dem Sofa liegen. Die Wiedergefundene Zeit zuzuklappen, hat sich ein bisschen wie Abschied nehmen angefühlt – von jemandem, der irgendwie immer da war, ohne dass man es groß bemerkt hätte. Erst jetzt, als er gehen will, fällt auf, wie sehr er fehlen wird.

Laut meines Eintrags im ersten Band – In Swanns Welt, heute mit Unterwegs zu Swann übersetzt – habe ich das blaue Suhrkampbändchen 1992 gekauft. Ich erinnere mich, dass ich damals zu Schmorl & v. Seefeld in Hannover gegangen bin, weil ich irgendwo aufgeschnappt hatte, dass die Verlorene Zeit ein Jahrhundertwerk sei, das man gelesen haben musste. Also habe ich danach gefragt, worauf die Verkäuferin zurückfragte: „Welcher Band denn?“ Bis dahin wusste ich nicht mal, dass das Buch mehrere Bände hätte, also nahm ich klugerweise den ersten, fing an zu lesen – und war relativ schnell gelangweilt. Die langen Sätze haben mich nicht unbedingt überfordert, aber damals war ich eher dabei, amerikanische Gegenwartsliteratur zu entdecken, die eindeutig schneller zum Punkt kam. Also wanderte der Band ins Regal, zog von der Wedemark nach Hannover und von dort nach Hamburg, von Altona nach Eimsbüttel nach Hoheluft, und irgendwann im letzten Jahr habe ich ihn wieder aus dem Regal gezogen, warum, weiß ich bis heute nicht. Vielleicht war die Zeit einfach reif für die Zeit.

Der erste Band hat mich begeistert; ich weiß, dass ich des Öfteren beim Lesen das Buch mal kurz umarmt habe, weil es mich so umfangen hat. Da konnte der Kerl lästern wie er wollte; ich hatte stets ein glückliches Grinsen im Gesicht, wenn ich mit dem kleinen Marcel durch Combray stapfte oder mit ihm verständnislos dem liebeskranken Swann folgte.

Zwischen dem ersten und dem zweiten Band lag eine längere Pause, wenn ich meinem eigenen Blog glauben darf: Erst im Mai diesen Jahres habe ich Im Schatten junger Mädchenblüte erwähnt. (Ich bin gerade selber etwas überrascht – das heißt ja, dass man das ganze Ding in gut einem halben Jahr durchlesen kann. Los, macht!) Ich weiß, dass ich im letzten Jahr, als ich in Berlin gebucht war, meine Schwierigkeiten mit Proust hatte. Für Zugfahrten nach langen Arbeitswochen oder morgens um 7 war er nicht ganz so geeignet; außerdem musste ich dringend das Comicregal vom Kerl leerlesen. Aber mit der Mädchenblüte fing der Sog an, den das Werk langsam, aber zwingend entwickelt. Es geht gar nicht so sehr um die Handlung; man muss nicht dringend wissen, wer jetzt mit wem und wieso (denn mehr passiert eigentlich nicht), aber die vielen Figuren wachsen einem mehr ans Herz als man mitkriegt. Ich habe es immer daran gemerkt, dass ich, wenn sich ein Band dem Ende näherte, sofort bei Amazon einkaufen gehen musste. Ich habe nie mehr als den jeweils nächsten Band bestellt, ich glaube, ich habe mir selbst nicht zugetraut, das ganze Ding durchzulesen. Auch weil es eigentlich völlig dem widerspricht, was ich sonst gerne lese.

Die oben angesprochene amerikanische Literatur liegt mir immer noch, die Comics sind ganz neu, und meine Güte gibt es davon VIELE, die noch gelesen werden wollen, ich habe immer noch Bücher hier liegen, die ich zum Geburtstag im März bekommen habe und auf die ich sehr neugierig bin, aber irgendwann hatte Proust mich im Griff. Irgendwann war der Punkt erreicht, den man vom langen Gehen oder von fiesen Radtouren kennt: das Wissen, dass der Rückweg jetzt länger wäre als die Strecke, die man noch vor sich hat. Aufgeben gilt nicht. Bei der Verlorenen Zeit war irgendwann das Gefühl da, jetzt hab ich’s bis hier geschafft, jetzt lese ich’s durch.

Ja, es gab durchaus Stellen und Seiten und viele Seiten hintereinander, bei denen ich sehr versucht war, mal querzulesen. Ja, es gab Momente, in denen ich überhaupt keine Lust auf den nächsten Salon hatte. Aber über die Stellen kommt man weg, und dann kommt wieder eine Landschaftsbeschreibung, die mich gerührt hat, ein Psychogramm, das mich seitenlang faszinieren konnte, eine Pastiche, die ich genossen habe, auch wenn ich von denjenigen, die Proust nachahmt, nichts gelesen hatte.

Und dann der Anhang. Die Übersetzung der sieben Suhrkamp-Taschenbücher, die ich habe, stammt von Eva Rechel-Mertens, die sie bereits in den 50er Jahren verfasst hat. Für eine neue Werksausgabe wurde ihre Übersetzung von Luzius Keller revidiert; der letzte Band dieser Ausgabe (Die wiedergefundene Zeit) erschien 2002 im Rahmen der Frankfurter Ausgabe. Luzius Keller erklärt im Anhang nicht nur die vielen Figuren, die von Proust so nebenbei erwähnt werden, die teilweise real, teilweise fiktiv sind; er schafft es viel mehr, die Recherche zu erden. Die vielen Hintergrundinfos machen das Werk fassbarer, ohne eine Interpretation vorwegzunehmen. Es bleibt immer noch genug Raum für den Leser, sich selber mit dem Geschriebenen auseinanderzusetzen, aber man fühlt sich in diesem Wust von Menschen und Orten nicht ganz so alleingelassen.

Als ich den letzten Band zugeklappt habe, war ich mal wieder sehr dankbar, wie immer nach einem guten Buch oder Film, nach einem warmen Abend mit Freunden oder einer perfekten Mahlzeit allein. Dankbar für diese vielen Augenblicke, in denen ich eine ganz besondere Schönheit genießen durfte, die nicht alltäglich ist, weil sie schlicht in keinen Alltag passt. Die Recherche spielt in einer ganz bestimmten Zeit, aber in ihren guten Momenten ist sie zeitlos; ich war seitenlang davon fasziniert, wie modern das Buch trotz seines anstrengenden Satzbaus ist. Das Werk nimmt einen mit in eine versunkene Welt, eine Welt der Salons, in denen man Nichtigkeiten austauschte und sich wochenlang Gedanken darüber machen konnte, wer jetzt was zu wem im welchem Tonfall gesagt hatte und was das wohl bedeutete. Es ist ein Einblick in eine Kultur, die mir völlig fremd ist, aber wie bei der Tante Jolesch ist es eine Kultur, die mir jetzt fehlt, obwohl ich sie nie kennengelernt habe.

Ich bin ein kleines bisschen stolz darauf, dieses Werk bezwungen zu haben. Der Kerl hat mich mal mittendrin gefragt, was ich davon hätte, dieses Konvolut durchzulesen. Ich hatte damals keine Antwort darauf, denn was hat man schon generell davon, ein Buch durchzulesen außer: Es ist nicht so langweilig im Bus. Ich habe immer noch keine ausformulierte Antwort, aber ich glaube, das Gefühl der Dankbarkeit ist eine. Es ist ein bisschen Demut dabei, denn die Recherche macht einen irgendwann ehrfürchtig durch ihren Stil, ihre Gedankengänge, die über 1.000 Seiten hinweggetragen werden, ihre Präzision, mit der genealogische Linien wiedergegeben werden. Es ist auch Freude dabei; Freude, ein Meisterwerk schätzen zu können, es lesen zu dürfen, die Zeit zu haben, es lesen zu können. Es war eine kleine Übung in Disziplin und gleichzeitig eine große Belohnung.

PS: Das Lied, das ich vorgestern gepostet habe – Warmer Climate von Snow Patrol – war mein persönlicher Abschied von der Recherche. Die letzte Songzeile hat mein Grundgefühl sehr gut zusammengefasst: “And I’m so glad that this has taken me so long / ‘Cause it’s the journey that made me so strong”. Vielleicht ist es profan, einen Popsong mit Proust in Verbindung zu bringen, aber ein Großteil des Werkes beschäftigt sich mit bildender Kunst, Literatur und Musik und wie sie individuell erlebt werden. Daher glaube ich, dass es Proust gefallen haben könnte.

Vielen Dank an Thomas, der mich mit Oben ist es still von Gerbrand Bakker überrascht hat. Perfektes Timing, denn gestern morgen im Bus zur Arbeit habe ich das Wort Ende in Prousts Recherche gelesen – und danach kurz das Buch verstohlen und hoffentlich unbeobachtet an mein Herz gedrückt, um mich nach knapp anderthalb Jahren von dem Werk zu verabschieden. Den Vormittag über habe ich unruhig an die Busfahrt nach Hause gedacht, für die ich ja nun keinen Lesestoff mehr dabei hatte (miese Vorbereitung! ganz miese Vorbereitung!), aber zur Mittagspause legte mir der Empfang ein kleines Amazonpäckchen auf den Tisch. Nochmals vielen Dank, ich habe mich quasi doppelt gefreut.

(Direktklima)

“The universe just vanished out of sight
And all the stars collapsed behind the pitch black night
And I can barely see your face in front of mine
But it is knowing you are there that makes me fine

But the universe is just an empty space
And all the stars can disappear without a trace
And I’m so glad that this has taken me so long
‘Cause it’s the journey that made me so strong”

noma

Meine art-direktierende Kollegin kommt gerade aus Dänemark von einem Shooting, woraufhin mir wieder einfällt, dass ich die folgenden Blogeinträge ja schon ewig verlinken will: Katharina Seiser schreibt auf esskultur.at über ihren Besuch im noma, dem drittbesten Restaurant der Welt.

Ankunft, Brot und erster Gang, Die Gänge zwei bis sechs, Die Gänge sieben bis zwölf und als krönender Abschluss der Blick in die Küche.

Da ist man so stolz auf seine gelungenen Kohlrouladen am Wochenende, und dann sieht man Bilder von einem „Zwiebelhommageteller“. Alles auf Anfang.

Big Love

Big Love ist eine HBO-Serie und handelt von einem Mann und seiner Ehefrau. Nein, Moment, seinen drei Ehefrauen. Der Gute ist nämlich Polygamist, in einer christlichen Sekte in Utah aufgewachsen, nun aber der Sekte nicht mehr ganz so zugetan und lebt daher mit drei Frauen in einem typisch amerikanischen Vorort. Was sich aus Männersicht vielleicht erstmal paradiesisch anhört, entpuppt sich als stressiger als ich es mir beim Durchlesen des Serieninhalts gedacht hätte. Denn Ehemann Bill (Bill Paxton) muss nicht nur eins, sondern drei Häuser finanzieren, denn Polygamie ist auch im Mormonenstaat Utah ungesetzlich. Dafür muss er dreimal so hart in seinem Elektronikladen schuften, schläft jede Nacht bei einer anderen Frau und hat inzwischen sieben Kinder, die auch alle irgendwie gefüttert werden sollen.

Das Zuschauen ist teilweise etwas anstrengend, jedenfalls wenn man wie ich Monogamie für ne ganz nette Sache hält. Wenn Bill nach Hause kommt, warten eben drei Frauen auf ihn (alle großartig: Jeanne Tripplehorn, Chloë Sevigny, Ginnifer Goodwin), die mit einem liebevollen Kuss bedacht werden. Andererseits ist das Zuschauen sehr, sehr spannend, weil eben Situationen auftreten, über die ich mir netterweise keinen Kopf machen muss: zum Beispiel wie man den Nachbarn klarmacht, dass die beiden freundlichen, alleinerziehenden Mütter so oft bei Bill und Gattin rumhängen, ohne dass es verdächtig wird. Wie die Kinder damit klarkommen: Wollen sie selbst einmal so leben oder doch lieber anders? Und wie bringt man das der Familie bei? Und natürlich, wie die drei Frauen zusammen leben, die sich zwar irgendwie dafür entschieden haben, eine große, glückliche Familie sein zu wollen, das aber nicht immer so recht hinkriegen.

Big Love erzählt nicht nur Familienkram, sondern hat noch einen zweiten Plot im Hintergrund laufen: den der Sekte, mit deren Geld sich Bill einst selbständig gemacht hat und die deswegen lustig weiter Zahlungen von ihm einfordert. Dass dafür einige illegale Deals gelaufen sind, ist klar, und dass man deswegen nicht zur Polizei gehen kann, auch. Beide Handlungsstränge zusammen ergeben ein ziemlich unwiderstehliches Drama, das netterweise auch genug leichte Momente hat – und sich absolut zurückhält mit einer Wertung, ob das nun toll oder beknackt ist, was Bill und Anhang da so treiben.

Die vierte Staffel von Big Love startet im Januar, die ersten beiden (jeweils 12 Folgen, ich bin noch mitten in der ersten Season) sind bereits auf DVD zu haben, die dritte (10 Folgen) erscheint demnächst in den USA.

Synth Britannia

Wer im Vereinigten Königreich sitzt, hat’s gut, denn er kann die grandiose Doku Synth Britannia, die gestern auf BBC Four lief, noch über iPlayer gucken. Wer nicht im Vereinigten … ihr wisst schon.

Kleiner Appetithappen auf YouTube: Gary Numan redet über Tubeway Army’s Are Friends Electric? und Cars. Daniel Miller aka The Normal erzählt über G.J. Ballards Crash und wie er Kraftwerks Vocoder gekauft hat.

Und weil ich seit gestern total sentimental drauf bin, hier ein paar der Songs, die gestern kurz anklangen: Pet Shop Boys, West End Girls / Yazoo, Don’t go / Depeche Mode, New Life / Human League, Being Boiled / Visage, Fade to grey / OMD, Enola Gay / Kraftwerk, Autobahn.

Dusselige Gitarren.

Beefpunk Galabusiness

Das dummyblog zerpflückt die drei neuen Männermagazine von G+J sehr hübsch: „Where ist the beef? Neues aus dem journalistischen Neandertal.“

„Bliebe noch „Business Punk“ – ein Magazin, das erstaunlicherweise in einer Art „Geolino“-Layout daherkommt und die „Leistungselite der Generation Xing“ ansprechen soll, was klingt wie Helmut Markwort nach zuviel Weißbier in der V.I.P.-Lounge des FC Bayern (Oliver Kahn ist auch im Blatt). Erstaunlich, wie hier ein stromlinienförmiger Laden auf Rock´n`Roll macht, seine wahre Geisteshaltung aber dann doch nicht wirklich unterdrücken kann und als einen der größten Business-Punks ausgerechnet RWE-Chef Jürgen Großmann vorstellt, dessen Laden gerade 60 Jahre Laufzeit für seine alten Atomkraftwerke gefordert hat. Eine andere Geschichte heißt „Sexy Sekretärin – die Versuchung im Vorzimmer“. Bei G+J möchte man wirklich nicht arbeiten und am allerwenigsten als Frau im Büro von Buchholz.“

Und auch SpON hat was eher Unnettes zu sagen, dafür aber gut formuliert:

„Bleibt die Frage: Warum erkundet Gruner + Jahr gleich mit drei Magazinen die neue Männlichkeit? Hätte es eines nicht auch getan? Vorne People-Infotainment mit von und zu Guttenberg im AC/DC-T-Shirt, in der Mitte Storys über wasserskifahrende Hedge-Fonds-Manager mit Irokesenschnitt und zum Schluss Tipps für die Elchjagd und gelungene Haifisch-Fonds. Alles in 24-Stunden-Schichten zusammengezimmert am gemeinsamen Newsdesk von “Essen & Trinken”, “Gala” und den Gruner + Jahr-Wirtschaftsmedien “Financial Times Deutschland”, “Capital”, “Impulse” und “Börse Online”, die ja bereits in einer Gemeinschaftsredaktion gebündelt sind.

Einen tollen Namen hätte das Heft auch: “Beefpunk Galabusiness”. Oder “Businessbeef Galapunk”. Für Mover, (Cocktail-)Shaker und Eierschaukler.“

Ich gebe zu: Beef werde ich mir gnadenlos kaufen, weil’s um Essen geht. Quatsch wie Business Punk braucht kein vernünftiger Mensch, weil ich niemanden kenne, der Leute mag, die um 23 Uhr noch Mails vom Büroaccount verschicken oder, wenn man um 18 Uhr geht, den Klassiker bringen: „Na, nen halben Tag freigenommen?“ Und Gala Men … liest überhaupt noch wer Klatschmagazine, seit es Perez Hilton gibt oder das zehnmal lustigere dlisted.com?

Nachtrag (via Mlrms Gezwitscher) von Allem Anfang über Beef:

„Alles in allem liest sich das Heft für mich, als hätte sich da eine komplette Entwicklungs-Redaktion unter massiver Zuhilfenahme von sehr viel sehr teurem Single-Malt-Whisky zielstrebig in das Stadium der frühen und extra-klebrigen Pubertät zurückgesoffen. Wir erinnern uns, das ist unter anderem jene Zeit, in der man permanent dem Fehler unterlag, schwer alberne Posen mit echter Haltung zu verwechseln. Anleitung zur Gründung eines Männerkochklubs, my Ass. Mal ehrlich, Jungs, das kann doch unmöglich Euer Ernst sein. Was dürfen wir denn für die nächste Ausgabe erwarten? Austerntest im besten Puff von Arcachon?“

Ein dickes Dankeschön an Stefanie, die mich mit Transmetropolitan 2: Lust for Life überrascht hat. Den ersten Teil mochte ich sehr gerne – endlich Nachschub. Vielen Dank dafür.