Tagebuch Mittwoch, 27. Februar 2019 – Aber dann

Gemeinsam aufgewacht, bei Sonnenschein den Flat White am Schreibtisch eingenommen, um kurz vor 9 eine Jobanfrage reinbekommen, die ich ab 10 bearbeiten konnte.

Nach gut zwei Stunden war ich damit durch und holte mir Croissants vom Bäcker, quasi zum Brunch. Dazu gab es Pflaumenmarmelade meiner Schwester plus Butter aus meiner neuen französischen Butterdose, die mit der Wasserkühlung, die wirklich funktioniert: frische, streichfähige Butter ohne Kühlschrank. Ich bin begeistert. Weniger vom ollen Manufactum-Preis von 48 Euro, aber die war die einzig halbwegs hübsche, die ich finden konnte. Für diese Dose war ich zum ersten Mal bei Manufactum, dessen Katalog ich früher (TM) gerne gelesen habe, weil er so schön rumschmalzte. Heute geht er mir eher auf die Nerven, und ich summte die ganze Zeit, als ich durch den Laden ging, der mir sehr vollgestopft und provisorisch vorkam, nach der Fußballkurvenmelodie „Ihr seid nur zum Fressen hier“ in Richtung VIP-Tribünen (neudeutsch „Business Seats“) „Du bist nur ein Pop-up-Store“.

Nach dem Brunch sehr motiviert vom vorgestrigen Doktorvatergespräch an die Exposition gesetzt, denn das war meine Hausaufgabe: „Schreiben Sie mal auf, was Sie vorhaben, was Sie an der Idee spannend finden – irgendwas zwischen einer halben Seite und zehn Seiten. Das schicken Sie mir, ich gebe Feedback, und dann geht’s weiter.“ Ich weiß nicht, welcher Knoten sich beim Gespräch gelöst hatte, vielleicht war es auch schlicht das Vertrauen des erfahrenen Wissenschaftlers, der mir hektischem Huhn signalisieren konnte, dass meine Idee für eine Diss trägt und nicht nur für einen Aufsatz, aber zum ersten Mal seit über einem Jahr konnte ich in wenigen Stunden exakt formulieren, was der Anstoß zu meinen Überlegungen war, was ich schon geleistet habe, wo ich noch hinwill und wie ungefähr meine Arbeit aussehen wird. Nach monatelangem Rumhampeln auf diversen Schauplätzen habe ich schlüssig zusammengefasst, was ich vorhabe und warum das interessant und sinnvoll ist. Das hat sich außerordentlich gut angefühlt.

Dann lungerte ich eine Stunde vor den Michael-Cohen-Hearings rum und wollte das eigentlich alles gar nicht wissen, aber glücklicherweise musste ich gegen 19 Uhr in die Kammerspiele, wo F. und ich uns Yael Ronens Genesis anschauten. Ich knabberte die ersten zehn Minuten arg an der Publikumsreaktion, dann fand ich das Stück aber sehr gelungen, wobei ich das Ende mit den persönlichen Erfahrungserzählungen wieder etwas mau fand im Vergleich zu den vorhergegangenen anderthalb Stunden.

Ronen erarbeitet mit ihren Schauspieler*innen in gemeinschaftlicher Arbeit ein Skript, wenn ich das richtig verstanden habe. Die Grundidee ist da, aber der endgültige Text steht relativ spät fest. Dafür fand ich ihn gut bis sehr gut, manchmal ein bisschen zu viel Bühnendramatik (brüllende Kerle), und die Kostüme haben sich mir auch nicht erschlossen, aber wurst, Rest war fesselnd genug. Es ging, ganz grob, um die biblische Genesis und warum wir uns selbst einen so menschen- und lustfeindlichen Schöpfungsmythos ausgedacht haben. Gott war auch auf der Bühne, als Mann, woraufhin ein sich als schwul bezeichnender Schauspieler meinte, er wisse ja nicht, ob heute noch ein cis-Mann den Gott geben sollte, während eine Schauspielerin sagte, sie hätte auch gerne Gott gespielt, der trage immer so bequeme weite Gewänder, während sie hier schon wieder ihren nackten Arsch auf der Bühne zeigen müsse.

In diesem Stil entwickelte das Team ein teils persönliches, teils anklagendes, teils äußerst lustiges Spiel um eben diesen Mythos und erwähnte auch andere. Denn wie eine Schauspielerin meinte: Wenn wir uns den selbst ausgedacht haben, können wir ihn dann nicht ändern? Oder uns für einen anderen entscheiden? Woraufhin zwei Leute von japanischen und ägyptischen Mythen erzählten.

Mir persönlich gefiel die Geschichte mit Kain und Abel am besten. Denn nachdem die Truppe sich an Adam, Eva, Lilith und Gottes angeblichem Verhältnis mit einer sumerischen Fruchtbarkeitsgöttin abgearbeitet hat, tritt Kain hinzu und es gibt Dialoge wie: „Ich bin der erste Mensch, der zum Mörder wird.“ „Ich bin der erste Mensch, der nur zum Sterben geboren wurde.“ „Ich bin die erste Mutter, die ihr Kind begraben muss.“ „Ich bin der erste Vater, der einen Mörder aufgezogen hat.“

Mir gefiel außerdem das Bühnenbild, das sehr simpel aus einer Drehbühne bestand, über der ein schräger Spiegel angebracht war. Des Öfteren wurden auf die Bühnenfläche Gemälde (bei Kain ein Kupferstich) eingeblendet, in die sich die Spielenden einfügten, indem sie sich hinlegten. Gerade bei einer persönlichen Erzählung, als ein jüdischer Knabe alleine im Wald zu Gott finden soll, klappte das wunderbar. Eingeblendet war ein Bild eines Felsvorsprungs, und die zwei Spielenden positionierten sich so, dass es im Spiegel aussah, als würde einer mit baumelnden Beinen auf dem Vorsprung sitzen, während der andere versucht, an der kleinen Bergwand emporzuklettern. Guckt euch das doch einfach selbst mal an.

Wie üblich gingen wir nach dem Theater ins Blaue Haus und bestellten Bier, als meine Schwester sich per Whatsapp meldete, ich sie zurückrief und sie mir weniger gute Nachrichten übermittelte. Die hatte ich hier gestern vorformuliert, habe sie jetzt aber gelöscht, denn was hier nicht steht, wird auch nicht schlimm werden. Ich habe anscheinend gestern einen sehr kindlichen Glauben wiedergefunden.

Tagebuch Dienstag, 26. Februar 2019 – IT TOTALLY IS!

Gemeinsam aufgewacht. Damit haben Tage ja eigentlich immer schon gewonnen.

Ich freue mich immer noch darüber, dass ich mich nach fast vier Jahren immer noch darüber freue. Weil wir nicht zusammenwohnen, ist das immer wieder etwas Besonderes, gemeinsam aufzuwachen. Jaja, Hashtag Hach und so, schon klar, Hormone, Frühling, jaja. Frühling weil: Gestern saß schon wieder halb München vor den Cafés. Ich habe beim Vorbeigehen abends um halb acht extra auf die Wetteranzeige auf dem Handy geguckt: 11 Grad. Total Frühling!

Erzählt mir das Freitag abend im Stadion bitte nochmal, wenn ich meckere, dass ich meine Decke nicht dabei habe.

Nach dem Duschen den Herrn zur Tür begleitet, perfekten Milchschaum produziert und Flat White (jetzt wirklich mal einer und keinen Cappuccino) genossen, während ich den gestrigen Blogeintrag publizierte. Kleiner Kaffeetipp mit nachträglichem Dank an die freundlichen Schenkenden: der Münchner Espresso vom Emilo. Auf der Website sprechen sie von „mittelkräftigem Geschmack“ und vermutlich habe ich bisher nur Memmenkäffchen gehabt, denn ich finde den sehr ausdrucksstark. Gerne wieder!

Einen Job erledigt, ein Buch abgeholt, eingekauft, an der Kasse ein Schwätzchen vom Vormann mitgehört und nett gefunden, Entschuldigung für die Verzögerung abgewehrt, wir haben Zeit, alles gut. Nutellabrot zum Mittagessen (das Beste am Erwachsensein).

Dann langsam auf das nachmittägliche Gespräch mit dem Doktorvater vorbereitet. Notiert, was ich ihm alles erzählen wollte und wo ich noch Fragen habe, ein paar bearbeitete Bilder aus dem Nachlass ins Dock geworfen, damit ich sie nicht ewig aus 600 Dateien raussuchen muss, kurze Exposition formuliert, wo ich jetzt eigentlich hinwill und ob das schon reicht. Ich glaubte nämlich, dass das noch nicht reicht, und deswegen wollte ich mal wieder mit Papi sprechen, denn der Mann hat immer viele gute Ideen.

Ich war wie immer zu früh im ZI, las noch ein bisschen im Treibhaus rum, bis es Punkt 16 Uhr war und klopfte dann an die entsprechende Bürotür. Natürlich war der Termin vor mir noch nicht fertig, mein schnuffiger chaotischer Vati, und während wir sprachen, kamen drei Leute rein, die Kaffee oder Infos brauchten, unter anderem eine Dame, bei der ich an der Uni mein erstes Seminar zum Thema „Kunst während der NS-Zeit“ hatte, das sie damals als frische Doktorin mit meinem Doktorvater zusammen gegeben hatte. Sie sah meinen Protzen-Ordner auf dem Macbook und meinte, sie interessiere sich für dessen Frau, woraufhin ich erzählen konnte, dass im Nachlass in Nürnberg Skizzenbücher von ihr wären, aber nicht so irre tolle. Wenn ich noch auf Dinge stoße, möge ich sie ihr bitte weiterleiten. Logisch!

Dann erzählte ich Papi nochmal vom Ende meiner Grossberg-Ambitionen – das hatte ich natürlich schon per Mail mit ihm besprochen –, wir bedauerten das beide kurz, und dann begann ich aufzuzählen, was ich alles zu Protzen gemacht hatte, zeigte meine Fotos vom Nachlass, wies auf ein paar Bilder hin, die ich spannend fand, führte ein paar Überlegungen dazu aus und kam irgendwann auf meine Forschungsfrage, von der ich, wie eben angedeutet, der Meinung war, die würde noch nicht reichen. Woraufhin ich diesen typischen Etablierter-Wissenschaftler-vs-Nullchecker-Studi-Blick abbekam, dieses: „Kind. Was denn noch?“

O-Ton: „Sie sind schlau, Sie haben schon viel gemacht, Sie wissen anscheinend, was Sie tun, Sie haben eine spannende Frage und wissen auch, wo Sie hinwollen.“

Ich so: „…“

Er so: „Fangen Sie an zu schreiben.“

Ich so: „…“

Er so: *nippt am Kaffee*

Ich so: „ABER ICH HAB DOCH DIES NOCH NICHT UND DAS NOCH NICHT UND IN DEM ARCHIV WAR ICH AUCH NOCH NICHT UND …“

Er so: „Lücken schließt man am besten beim Schreiben. Fangen Sie an.“

Und das war dann das. Ich schreibe dann jetzt anscheinend meine Doktorarbeit. Ich dachte, ich hätte noch mindestens ein Jahr Zeit, mir Gedanken darüber zu machen, ob Word wirklich eine gute Idee ist oder ob ich noch LaTeX verstehen sollte, aber das mache ich dann anscheinend auch unterwegs.

Direkt nach dem Termin war ich ein Mittelding zwischen Grinsekatze und Panikhäschen, denn auf einmal fühlte sich die Diss eben nicht mehr wie ein exzentrisches Hobby an, als die ich sie hier im Blog gerne bezeichne, sondern zum ersten Mal wirklich wie ein fassbares Dokument, das ich erstellen werde. Ich musste mir eingestehen, dass ich zwischenzeitig schon daran gedacht hatte, den Kram hinzuwerfen und nur noch aus Spaß ins ZI zu gehen, weil ich schlicht nicht wusste, ob meine Frage irgendwen weiterbringt. Aber anscheinend kratze ich da an ein paar Stellen der Kunstgeschichte rum, wo eben noch keiner gekratzt hat und mehr will ich ja gar nicht.

Mein Doktorvater meinte zu meiner These, dass es vermutlich einige Leute geben werde, die nicht meiner Meinung seien, aber das ist mir ganz recht. Kein Mensch braucht die nächste Diss, die drei Leute überfliegen, müde abnicken, ja passt, thank you, next.

(Das Gefühl jetzt beim Aufschreiben des Gesprächs ist dasselbe wie direkt nach dem Termin: 50/50 „What the fuck“ und „Yay, SCHREIBEN, SCHREIBEN KANN ICH!“)

Ich ließ mich nach der für mich sehr unerwarteten Ansage von der U-Bahn nach Hause bringen, schrieb F. natürlich erstmal eine DM und atmete dabei geistig weiter in eine Papiertüte. Zuhause angekommen, fand ich die Nebenkostenabrechnung des letzten Jahres im Briefkasten.

Sie erinnern sich vielleicht an den Wasserfall aus dem offenen Ventil der Badewanne, den ich beim Renovieren der alten Wohnung produziert hatte, weswegen ich seitdem auf eine irrwitzig hohe Nachzahlung warte?

Das musste alles gefeiert werden und so kehrten F. und ich in unseren geliebten Georgenhof ein. Der baut gerade seine Küche um, weswegen dort, wo im Sommer der Biergarten vor dem Gebäude ist, jetzt ein, laut Schild, „Küchencontainer“ steht, aus dem auch längst nicht die ganze Speisekarte kommt, sondern nur ein Bruchteil des üblichen Programms. Aber: Schnitzel gibt’s immer und darauf hatte ich Lust und dann gab’s noch ein paar Helle und wir fielen gemeinsam ins Bett.

Tagebuch Montag, 25. Februar 2019 – Eine Ausstellung, zwei(hundert) Meinungen

Einem Kunden einen Job um kurz nach 9 in die Mailbox geschoben und mich dann in die Bibliothek abgemeldet. Bis nachmittags saß ich glücklich im ZI. Also glücklich, weil ZI, aber gleichzeitig stirnrunzelnd, weil herausfordernde Literatur.

Abends noch gearbeitet, die sonntägliche Folge Kitchen Impossible im Schnelldurchlauf geguckt und dementsprechend sofort Kartoffelpüree zubereitet. Allerdings nur einmal durchs Sieb gestrichen und mit weitaus weniger Butter. Aber die Maßeinheit „anderthalb Kilo Butter auf zwei Kilo Kartoffeln“ werde ich irgendwann mal nachbasteln. Das muss so großartig sein.

Aber zurück ins ZI, wo ich erstmal total mitleidig war, wie immer, wenn ich an diesem Schild vorbeigehe, das unten im Keller des ehemaligen NS-Baus hängt, wo jetzt alle Kunstzeitschriften dieser Welt stehen:

Dieses Schild sagt mir, dass Bücher ganz schlimm leiden, sie sind so belastet, dass ihnen sogar die Regale etwas abnehmen müssen. Noch ein Grund mehr, sie immer zu umarmen, wenn man sie durch die Gegend schleppt.

Ich beschäftige mich gerade mit der ersten bundesweiten Ausstellung von systemkonformer NS-Kunst in der Bundesrepublik, die 1974 im Kunstverein Frankfurt stattfand (und die keinen Wikipedia-Eintrag hat!). Den Katalog kann ich quasi auswendig, aber jetzt wollte ich mich ein bisschen mit der Rezeption der Schau befassen. Ich fand erstmal zwei Rezensionen in Kunstfachzeitschriften (nicht Tageszeitungen oder Magazinen), die unterschiedlicher nicht sein konnten und stöberte dann in einem Band, der von den Ausstellungsmachern selbst herausgegeben wurde: Reaktionen. Darin ein irrwitzig dicker Pressespiegel aus eben Tageszeitungen und Magazinen sowie die Auswertung von Fragebögen, die die Besucher*innen ausfüllen konnten, mit Fragen wie „Was soll diese Austellung? Wie fanden Sie das alles? Möchten Sie uns noch was sagen?“ Auch einige Seiten der Wandzeitung (aka des Gästebuchs) waren abgedruckt, und die waren wie alle Seiten von allen Gästebüchern: wie Internetkommentare, nur noch schlechter lesbar, weil handschriftlich.

Ich fand es spannend, wie oft auf dem Thema „ABER WAS IST MIT DER GANZEN LINKEN KUNST?“ rumgeritten wurde. Ich bin mir nicht sicher, wie groß das Wissen des durchschnittlichen Bundesdeutschen 1974 in Bezug auf DDR-Kunst war, aber anscheinend waren sehr viele Menschen der Meinung, der sozialistische Realismus wäre genauso schlimm wie der Nazikram, wenn nicht noch schlimmer. Sinngemäßes Zitat: „Rechts- und Linksfaschismus unterscheiden sich nicht.“ Ich weiß nicht mal, wo ich anfangen soll, den Satz politisch und kunsthistorisch aufzudröseln.

Vieles las sich wie jede Twitterdiskussion, wenn irgendjemand etwas Sexistisches anprangerte: ABER WAS IST MIT FRAUEN, DIE MÄNNER SCHLAGEN? VÄTER HABEN KEINE RECHTE! KÜMMERT EUCH LIEBER MAL UM WITWENVERBRENNUNG IN INDIEN! Ernsthaft. Ich dachte, Whataboutism wäre eine Erfindung von Social Media, aber nein, den gab es schon in Wandzeitungen der 1970er Jahre.

Mich überraschte auch die Vehemenz dieses Urteils. Wir hatten gerade eine sozialliberale Koalition, einen sozialdemokratischen Bundeskanzler, die Ostverträge. Dass der Feind immer noch eher rot als braun war, verwunderte mich doch etwas. Ich ahne langsam, warum die zahlenmäßig recht kleine RAF gefühlt weitaus stärker bekämpft wurde als die ganzen rechten Netzwerke, die sich nach 1945 wieder oder neu etablierten – und deren Bodensatz wir bei diversen Landtagswahlen seit den 1950er Jahren und jetzt sogar bundesweit parlamentarisch spüren.


Foto aus dem Handgelenk für F., um ihn zu informieren, was ich gerade mache.

(Ziegler, Saliger)

Die beiden oben angesprochenen fachlichen Rezensionen lasen sich etwas gefasster, aber auch da knurrte ich ab und zu. Manfred Schlösser fand in das kunstwerk 1 (1975) die Ausstellung problematisch und fragte sich: Wenn sie doch nicht begeistern, sondern informieren und aufklären wollte, hätten dann nicht auch Fotos der Werke gereicht? Mussten da echt die Originale hängen? Und ich so: Manfred, Hase: Reicht dir ein Foto der Mona Lisa nicht auch? Musst du dafür extra nach Paris fahren? Ne Postkartenabbildung ist doch genauso informativ. Womit ich jetzt auf keinen Fall irgendwen in der Ausstellung mit Leonardo gleichsetzen will, aber bei dem Argument wollte ich den Mann gut 40 Jahre zu spät noch liebevoll schütteln.

Dann meinte er noch, der Katalog und die Wandtexte seien so gut, das könne man jetzt so lassen, es „besteht schon fast kein Anlaß mehr, nazistische Kunstübungen eines Tages ernsthaft in kunsthistorischen Seminaren behandeln zu lassen.“ Klingt sinnvoll, wir überspringen einfach zwölf Jahre, da war ja nix. Machen wir in Geschichte ab sofort auch so.

Der Abschluss war dann die oben schon angesprochene Gleichsetzung von systemkonformer NS-Kunst mit dem sozialistischen Realismus und ich regte mich wieder sinnlos auf: „Mit der Weihe der Wissenschaft einerseits und fanatischem Beifall der Vertreter einer andern [sic!] staatlich verordneten Kunstübung ließe sich im Zeichen eines erstarkenden Neorealismus durchaus auch eine Einkehr dieser wie sozialistischer Scheußlichkeiten in Museen denken, die ihre einzige Aufgabe in der Dokumentation verschiedener Zeitläufte sehen.“ Dokumentation, genau. Weil die NS-Künstler mit ihren Bauernbildern ja Berlin 1941 abgebildet haben. Und die DDR-Maler*innen die Bückwarenschlangen. Hast du dir die Bilder eigentlich angeguckt, die da hingen? Oder irgendeine Ausstellung in Leipzig oder Dresden? Und was ist überhaupt gegen Neorealismus einzuwenden?

*schnauf*

Auf Kritik gegenüber realistischen Abbildungen war ich schon in Bezug auf Kiefer und Lüpertz gestoßen – das war durchaus ein großes Thema in der Kunst, gerade weil die letzte realistische Darstellungsweise vor der Bundesrepublik eben der NS-Staat war. Danach wurde brav abstrakt gemalt, um bloß keine ästhetische Nähe aufkommen zu lassen. Die DDR-Kunstgeschichte hat sich das etwas einfacher gemacht und behauptet, der sozialistische Realismus mit seinen Arbeiterdarstellungen wäre was ganz anderes, wir sind ja die antifaschistischen Guten und deswegen kann das keine Propaganda sein. (Sehr überspitzt formuliert.)

Ich will jetzt weder das NS-Regime noch die DDR-Diktatur schönreden und auch nicht die Tatsache, dass Kunst in beiden Systemen eine politische Funktion hatte, aber können wir bitte mal auf dem Teppich bleiben? Das tat netterweise die andere Rezension von Werner Jehle in den schweizerischen Kunstnachrichten 3 (1975). Er erwähnte dankenswerterweise die Filme, die zur Zeit des „Dritten Reichs“ gedreht wurden und mit denen man sich bereits in den 1960er Jahren wissenschaftlich auseinandergesetzt hatte – ohne große Diskussion in den Medien. Aber Bilder und Plastiken waren anscheinend ein anderer Schnack. Über weitere Kunstgattungen neben meinen hatte ich noch gar nicht intensiv nachgedacht, aber seit gestern frage ich mich schon, wieso man den Bauern- und Blumenbildern aus dem Haus der Deutschen Kunst ein so gefährliches Potenzial nachsagte, den ganzen Rühmannfilmen und Leanderschlagern aber nicht, obwohl die genau wie die idealisierten Abbildungen und Plastiken vom Weltkriegsgeschehen ablenken sollten.

Jehle wies auch auf die untragbare Gleichsetzung von Systemkunst und sozialistischem Realismus hin, nutzte aber ein Argument, bei dem ich mir nicht so sicher bin: Er meinte, der Sozialismus hätte schließlich unter dem Faschismus am meisten zu leiden gehabt, und dazu würde ich jetzt gerne mal eine jüdische Stimme hören. Er wunderte sich dann über die Demonstrationen und Proteste im Vorfeld der Ausstellung (darüber ist auch in Reaktionen einiges zu lesen) und zitierte Mit-Kurator Berthold Hinz, den Autor eines Standardwerks über das NS-Kunstsystem (mit dem ich manchmal hadere): „[Hinz] wunderte sich, dass man […] hingegen nichts unternommen hätte gegen die pseudo-kritischen Produkte des Gruner-und-Jahr-Verlags, die das Dritte Reich auf Illustrierten-Niveau abhandelten, und die Hitlerbiographie von Fest, die den Faschismus einem einzelnen überantwortete.“

Und Jehle hat ein schönes Argument zu Ausstellung und wissenschaftlicher Beschäftigung mit dieser Kunst: „Die ästhetischen Produkte der NS-Zeit bewusst ausklammern aus der Historie kann einer nur, wenn er die Verbrechen der NS-Zeit als einmaligen Betriebsunfall der Geschichte betrachtet und nicht als Folge einer auf ganz spezifischen ökonomischen und weltanschaulichen Voraussetzungen beruhenden Politik.“

Tagebuch Sonntag, 24. Februar 2019 – Coffee for fifty

Gegen fünf wach geworden, genau wie der Herr neben mir. Gemeinsam ein Stündchen gelesen, dann wieder eingeschlafen. Erst um halb zehn wieder wach gewesen, der Herr neben mir eine halbe Stunde früher. Noch einen Hauch rumgelungert, aber dann rief der Tag, der olle Schreihals.

Ein bisschen gearbeitet, weil ich mit dem Job am Freitag noch nicht so glücklich war. Jetzt schon.

Auf dem Weg vom Arbeitszimmer ins Bad und umgekehrt immer den Kopf zur Küchentür reingesteckt, um zu überprüfen, ob noch alles hübsch ist und wie sich das Licht verändert. Bin seit gestern abend der Meinung, da müsste noch ein drittes Bild neben die zwei. Ich hätte nie mit diesem visuellen Studium anfangen dürfen.

Am Samstag wurde Goodreads auf Twitter erwähnt, wo ich schon ewig nicht mehr war. Jetzt bin ich aber doch wieder neugierig geworden, mal sehen, wie lange das so bleibt.

In ein paar Wochen erwarte ich einige wenige Menschen zu einem kleinen Umtrunk, genauer gesagt, 25, eventuell 27. Das sind zehn bis fünfzehn mehr als ich erwartet hatte, weswegen ich seit einigen Tagen Dinge googele wie „Kochen für Partygäste“ und meine Mutter nach schlimmen Salatrezepten aus den 70ern frage, weil die garantiert schneller zusammenzubauen sind als Ottolenghi. Ich erinnere mich an einen Salat, obwohl ich ihn eigentlich nicht so nennen will, den ich als Kind immer gern gegessen habe; ich glaube, er bestand so gut wie vollständig aus Silberzwiebeln, Gürkchen, Fleischwurst und einer fiesen Barbecuesauce von Aldi. Ein echter Gaumenschmaus also. Der wird gnadenlos gemacht.

Ansonsten werde ich einfach meine zehn Lieblingsrezepte aus dem Blog verdreifachen und mir von allen Nachbarn im Haus Schüsseln leihen, damit das auch alles irgendwo reinpasst.

Gestern ging ich am Kochbuchregal entlang, wo mir ein altes Buch in die Hände fiel, das meine Mutter mal von einer amerikanischen Nachbarin geschenkt bekam, bevor diese Familie wieder in die USA zurückreiste. Es ist, soweit ich weiß, ein Klassiker der amerikanischen Kochbuchgeschichte: Fannie Farmers Boston Cooking School Cookbook. Es wurde 1896 zum ersten Mal aufgelegt, meine Ausgabe ist von 1978. Hier ein Nachruf auf die 1915 verstorbene Köchin aus der NYT.

Ich habe aus dem Buch noch nie etwas gekocht, aber öfter darin gelesen. Daher erinnerte ich mich, dass dort auch große Mengen verarbeitet wurden. Meine Lieblingsseite ist diese hier, wo man entspannt lernt, wie man 100 Leute verköstigt:

Das teile ich durch vier und dann kriegen alle meine Gäste einfach Fleisch mit Kartoffeln, Erbsen und Sahne, fertig. Apfelmus für die Vegetarier*innen.

Ich habe mir das Kapitel zu Kaffee noch einmal durchgelesen und festgestellt, dass es der ganzen Third-Wave-Aufmerksamkeit recht nahe kommt, zumindest was den Respekt vor dem Produkt und die Zubereitung angeht:

„Try different blends to learn which type you like best. Change once in a while, too. […] Buy fresh-roasted coffee in small quantities for the finest flavor. Buy it in the bean or ground according to the way you make it. Some shops sell excellent coffee at a very low price as a special feature, but inexpensive coffee is not always an economy since you may need to use more of it to make coffee as strong as you like it.“ (S. 32.)

Na gut, sie hat auch nichts gegen Instant-Kaffee, aber der Rat, ganze Bohnen zu kaufen und auf Sorten zu achten, hat mich doch überrascht. In meinem Kopf sind die 60er und 70er Jahre die Convenience-Jahre, wo bewusst verstärkt auf bequeme Produkte zurückgegriffen wurde.

Farmer gibt dann noch den Tipp, Kaffeezubereiter nicht mit Seife auszuwaschen, sondern mit Baking Soda „so there will be no trace of soap to spoil the fine coffee flavor. If the water in your area has a definite taste due to minerals in it, you may prefer to use bottled spring water.“ (S. 32.) Auch ein Tipp, den ich eher ins Zeitalter von Evian und Contrex verortet hätte. Für das Aufgießen möchte sie aber kochendes Wasser, was bei alles Kaffeefans Entsetzensschreie hervorrufen wird; beim Deutschen Kaffeeverband übrigens auch.

Was ich dann auch lustig fand: ihr Rezept für Coffee for fifty. Ich habe das Buch mal bewusst auf mein Notizbuch gelegt, das auf einem weißen Tisch liegt. Es ist halt alt.

Wenn man das Aufkochen am Ende ignoriert, hat man hier ein wunderbares Rezept für Cold Brew, mein sommerliches Lieblingsgetränk. So hip, die Fannie!

Do Not Disturb: How I Ditched My Phone and Unbroke My Brain

Ja, schon wieder ein Artikel über Digital Detox, aber den hier fand ich bemerkenswert einsichtig und gleichzeitig in seinen Lösungsvorschlägen gut. Bis auf die Idee, das Smartphone nicht mehr im Schlafzimmer zu laden – wenn ich das nicht tue, muss ich mir ernsthaft wieder einen Wecker kaufen.

Ich mochte an dem Artikel auch, dass tech columnist Kevin Roose zwar sagt, dass er aus beruflichen Gründen dauernd zum Handy greift, ihm aber durchaus klar ist, dass es auch unterhaltende Gründe hat. Er formuliert das nach seinem halben Entzug so:

„Isn’t it my job to know when news happens? Won’t I be neglecting my duties if it takes me an extra hour to learn that Jeff Bezos is getting divorced, or another YouTuber did something racist? […]

I liked having a constant stream of news at my fingertips, and I wanted to do more of the things I actually like about social media, like keeping tabs on my friends’ babies and maintaining ambient Kardashian awareness.“

„Ambient Kardashian awareness“ brauche ich zwar nicht, aber ich mochte die Aussage, dass man auch kompletten Quatsch online anguckt, weil’s halt Spaß macht. Ich sehe mir gerne anderer Leute Inneneinrichtung an, folge vielen Museen, weil ich da Werke zu sehen bekomme, die ich sonst eher nicht sehe, und nein, es kann nie genug Katzenvideos im Internet geben.

Nochmal Roose mit einem Lösungsvorschlag für übermäßige Handynutzung, den er von der Catherine Price, Autorin des Buchs How to Break Up With Your Phone, erhielt und den ich seitdem im Hinterkopf habe (die Fragen, nicht das Gummiband):

„Catherine encouraged me to set up mental speed bumps so that I would be forced to think for a second before engaging with my phone. I put a rubber band around the device, for example, and changed my lock screen to one that showed three questions to ask myself every time I unlocked my phone: “What for? Why now? What else?”

For the rest of the week, I became acutely aware of the bizarre phone habits I’d developed. I noticed that I reach for my phone every time I brush my teeth or step outside the front door of my apartment building, and that, for some pathological reason, I always check my email during the three-second window between when I insert my credit card into a chip reader at a store and when the card is accepted.

Mostly, I became aware of how profoundly uncomfortable I am with stillness. For years, I’ve used my phone every time I’ve had a spare moment in an elevator or a boring meeting. I listen to podcasts and write emails on the subway. I watch YouTube videos while folding laundry. I even use an app to pretend to meditate.“

Und mir ist, genau wie Roose, klar, dass jeder Artikel über bewusst verringerte Handynutzung genauso nervt wie die Appelle, weniger Fleisch zu essen und mehr Öffis zu nutzen. Obwohl die gar nicht nerven sollten, weil es sinnvolle Vorschläge sind, aber die hören wie ja manchmal nicht so gerne.

„Sadly, there is no way to talk about the benefits of digital disconnection without sounding like a Goop subscriber or a neo-Luddite. Performative wellness is obnoxious, as is reflexive technophobia.“

Leseempfehlung.

Geheimnis der Bilder

Das ZDF kooperiert mit einigen Museen und zeigt Werke aus deren Sammlungen mit kurzen Erklärungen. Ich bin noch nicht ganz überzeugt, aber macht mal.

Hier ein kurzes Video zur Hamburger Kunsthalle, hier das Städel in Frankfurt, dessen wenige ausgewählte Werke auch schon online sind (immerhin ein Leibl dabei). Ich freue mich immer noch über die nun bunten Wände in der Kunsthalle. So viel besser als vor der Renovierung. #hach

Tagebuch Samstag, 23. Februar 2019 – Frisch gestrichen

Die Küche war trotz neuer Lampe weiterhin mein Sorgenkind. Wenn man zur Tür reinkommt, ist linkerhand die weiße Küchenzeile, die die gesamte Raumbreite einnimmt und an deren widersinniger Anordnung ich leider nichts machen kann. Beispiel: einzige wirklich große Arbeitsfläche – ganz rechts direkt am Fenster. Einzige Besteckschublade – ganz links direkt an der Tür, weswegen mein Besteck jetzt offen in einem Korb aufrecht an der Arbeitsfläche steht anstatt brav versteckt in der Schublade zu liegen, denn sonst werde ich beim Vorbereiten von jeder Mahlzeit wahnsinnig.

Klingt oben schon an, direkt gegenüber der Tür sind zwei Fenster, die rechte Wand ist bis auf die Heizung in der rechten Ecke leer und bisher steht an ihr nur mein großer Edelstahl-Kühlschrank. Einige Wochen stand hier noch ein schwarzes Kallax aufrecht, aber das liegt inzwischen waagerecht, was mir weitaus besser gefällt, auch wenn ich an einige Fächer jetzt nur noch mit Mühe rankomme; in denen liegen aber eh nur Teller, die ich nur benutze, wenn wirklich alle anderen dreckig sind (also nie) oder Küchengeräte, für die ich zu faul bin, auf die Leiter zu klettern, um sie vom Flurschrank zu holen, weil ich sie doch etwas häufiger nutze, die aber auch nicht rumstehen sollen (Mixer, Toaster). Vor dem Kallax steht der schwarze Esstisch mit Stühlen, daher die Mühe, an einige Fächer zu kommen.

An der Wand rechts neben der Tür steht meine Edelstahlablage mit schwarzen Schubladen, die ich auch schon in der alten Wohnung hatte, darüber ist ein schwarzes Regalbrett, auf dem Tee und Kaffee in grauen Boxen lagern.

Das Sorgenkind war vor allem die Kallaxwand. Sie wirkte immer undefiniert, Heizung und Kühlschrank waren zwar optische Grenzpfosten, aber die Mitte faserte irgendwie aus und das aufrechte Kallax verstärkte eher die Leere, weil ich plötzlich gefühlt drei Dinge an der Wand hatte, die den Blick auf sich zogen, die aber nirgends angedockt waren, alles stand einfach so rum. Ich dachte darüber nach, den Tisch weiter in den Raum zu ziehen, aber das machte alles noch mehr zu Inseln, dann dachte ich an viele Bilder an der Wand, ahnte aber, dass das ebenso unruhig sein würde und keinen Bezug zum Kallax herstellen würde. Auch ein einzelner großer Kunstdruck, den ich probehalber mal aufs Kallax stellte, war unbefriedigend, und schließlich war ich bei Farbe, um der Wand einen geschlossenen Eindruck zu geben.

Die Küche war weiß geblieben, auch weil alle anderen Räume außer Flur und Bad mit grau, dunkelgrau und blau sehr kräftigfarbig sind. Eigentlich wollte ich keine zwei Räume in der gleichen Farbe haben (ich höre meinen alten Kunstlehrer: „Weiß ist keine Farbe, es ist die Abwesenheit jeder Farbe.“) und dachte daher an: schwarz. Nur eine Wand. Nur die doofe Wand. In der Küche liegt graues Laminat von der Vormieterin, das ist nicht superhübsch, aber hübsch genug und immer noch besser als das 80er-Jahre-quietschblau, was darunter wäre. Küchenzeile ist wie gesagt weiß, Licht hab ich jetzt auch – wieso keine schwarze Wand?

Auf Instagram folge ich diversen Einrichtungsfuzzis und -fuzzinen, Farb- und Möbelfirmen, und so sah ich mir in den letzten Wochen sehr viele schwarze Wände an. Ich hätte lieber helle Möbel für einen Kontrast gehabt, aber das ist jetzt nicht drin, und irgendwie mag ich das ganze Schwarz in der Küche auch (findet sich sonst nirgends in der Wohnung). Ich traute mir auch durchaus zu, eine komplett dunkle Küche ohne Kontraste schick zu finden – bis mir auffiel, dass ich dann vermutlich noch drei Lampen andübeln müsste, denn das Licht jetzt reicht gerade gut aus. Bei einer so dunklen Wand sehr wahrscheinlich aber nicht mehr.

Ich grübelte sinnlos hin und her, bis mir einfiel, dass ich noch Farbreste vom Grau aus der Bibliothek im Keller hatte. Und trotz der Farbgleichhheit dachte ich mir, egal, ich streiche die Wand jetzt erstmal grau, und wenn mir das noch zu hell ist, kann ich immer noch Schwarz drüberdengeln. (Ich weiß nie, wann Farben klein und wann groß geschrieben werden, dieser Absatz ist nach Gefühl getextet. Ja, dafür gehören mir die Ohren langgezogen, ich weiß. In jedem meiner Autokataloge wusste ich bei den Lackfarben, dass das Lektorat mal wieder den Rotstift leerkorrigieren würde.)

Lange Vorrede, kurzer Sinn: In 30 Minuten waren gestern der Kühlschrank, der überraschend leicht war, verschoben, das Edelstahlding leergeräumt und ebenfalls verschoben, Kallax und die Kaffeeboxen vom Regal ins Nachbarzimmer gezerrt, das Regal mit Zeitungspapier abgeklebt, genau wie die Heizung, und die Fläche rund um die Spüle weiträumig leergeräumt, weil ich da ja später Pinsel und Rolle ausspülen musste, wobei ich aus Erfahrung gerne rumspritze.

Ich holte alte Klamotten, Abdeckmatte, Farben und Arbeitsmittel aus dem Keller, saugte nochmal alles brav aus, klebte dann die Wand ab und strich mit Weiß vor. Das ließ ich ein Stündchen trocknen, strich dann die Kanten mit Grau nach und füllte die Fläche gleich zweimal mit der Farbe, bis der Eimer so gut wie leer war. Aus der Bibliothek wusste ich, dass diese Drecksfarbe am liebsten sieben Anstriche gehabt hätte, aber hier reichte es so gerade aus. Ich zog die Klebestreifen noch feucht ab und stellte begeistert fest, dass ich eine durchgängige Deckenkante produziert hatte. Also keine ganz gerade, ich bin immer noch ich, aber zwischen den einzelnen Klebestreifen waren keine Sprünge! Gestern im Blog noch darüber geschrieben, dass ich keine vernünftigen Kanten streichen kann, ha! Jetzt wo ich weiß, dass ich es kann, überlege ich natürlich, ob ich das in den anderen Zimmer auch noch machen sollte, aber dann müsste ich ja einen Blogeintrag ändern und das ist viel zu viel Arbeit.

Ich ließ die Wand trocknen, es war eh gerade Mittagsruhe, aber Punkt drei Uhr schob ich wieder alle Möbel da hin, wo sie hingehörten und hämmerte zwei Nägel in die Wand, um meine Alugrafie von Leo von Welden aufzuhängen sowie das Foto meiner Oma. Die beiden hingen bisher im Flur, da hängt jetzt etwas anderes. Ich weiß noch nicht, ob ich das so lasse oder die Bilder noch etwas tiefer müssten – ich hatte sie auf der Höhe des Kühlschranks gehängt, bewusst etwas höher als mein Gefühl mir sagte, weil auf dem Kallax immer viel unruhiger Kleinkram steht, meist drei Stapel aus Teller und Schüsseln. Ich ahne, dass ich die Bilder wieder etwas tiefer hängen werde, aber ich gucke mir das mal ein paar Tage an. Vielleicht kommen sie auch wieder in den Flur, denn die Küche nebele ich gerne mit Wasserdampf und fettigem Rauch ein und ich ahne, dass das beiden Werken vielleicht nicht ganz so gut gefällt.

Die Küche ist also immer noch Work in Progress, aber sie gefällt mir schon deutlich besser.

Im Flur hängt jetzt die Bedienungsanleitung der Schreibmaschine meiner Mutter, der Olivetti Praxis 48, auf der ich als gelangweiltes Kind in den Sommerferien das Zehn-Finger-Schreiben erlernt habe. Ich weiß nicht, ob das Exemplar meiner Mutter schon von 1964 war, ich tippe (haha) eher auf Ende 60er Jahre.

1000 Fragen, 61 bis 80

(Ich paraphrasiere Christian: „Die Fragen stammen ursprünglich aus dem Flow-Magazin, Johanna von pink-e-pank.de hat daraus eine persönliche Blog-Challenge gemacht, und Beyhan von my-herzblut.com hat das PDF erstellt.“)

61. Glaubst du an ein Leben nach dem Tod?

Nein, aber ich würde gerne.

62. Auf wen bist du böse?

Momentan auf den Dameneinlass beim FC Augsburg, den Kapitalismus, das Patriarchat, den Münchner Mietmarkt und Jens Spahn. Ansonsten ist alles supi.

63. Fährst du häufig mit öffentlichen Verkehrsmitteln?

Fast täglich, am liebsten Tram.

64. Was hat dir am meisten Kummer bereitet?

Es bereitet mir immer noch Kummer, dass ich so viele Jahre an mieses Essen und Selbsthass verschwendet habe. Ich versuche das durch gutes Essen, viel Schokolade und einem sehr freundlichen Umgang mit mir selbst wieder wettzumachen.

65. Bist du das geworden, was du früher werden wolltest?

Nein, ich bin immer noch dick.

66. Zu welcher Musik tanzt du am liebsten?

Ich tanze nicht. Ich singe aber, da gerne zu fiesen Musicalschnulzen.

67. Welche Eigenschaft schätzt du an einem Geliebten sehr?

Was ich auch an Freunden schätze: Aufmerksamkeit, Zuneigung, einen Hauch Bildung, Humor, Geduld mit mir.

(Okay, nur bei Geliebten wichtig: angenehme Hände.)

68. Was war deine größte Anschaffung?

Luise. (Hier im jetzigen Zuhause.)

69. Gibst du Menschen eine zweite Chance?

Wobei? Wenn sie eine Verabredung nicht einhalten: ja, logisch. Wenn sie mir mein Herz brechen? … Ja, da leider auch, ich bin ganz fürchterlich inkonsequent. Wenn sie sich beim Doppelkopf verwerfen? NIEMALS, was liegt, das liegt!

70. Hast du viele Freunde?

Nein. Ich habe nicht mal viele Bekannte. ABER 6000 BOTS AUF TWITTER!

71. Welches Wort bringt dich auf die Palme?

Stylisch.

72. Bist du schon jemals im Fernsehen gewesen?

Ja, 2004, als wir im ZDF zu sehr später Stunde über unser Blogs-Buch berichten durften. Danach habe ich sehr viele Mails von wildfremden Menschen bekommen, die mir unbedingt mitteilen wollten, wie fett ich bin. Danach habe ich alle Anfragen lieber abgelehnt, ihr Pisser.

73. Wann warst du zuletzt nervös?

Beim Brillenkaufen, weil das immer eine Anschaffung für viele Jahre ist.

74. Was macht dein Zuhause zu deinem Zuhause?

Die schief gestrichenen Farbkanten an der Decke vermutlich.

75. Wo informierst du dich über das Tagesgeschehen?

In der abonnierten FAZ und nicht mehr so viel auf Twitter.

76. Welches Märchen magst du am liebsten?

Ich wollte Frau Holle sagen, weil ich die Vorstellung mag, dass bei Schnee jemand im Himmel sitzt und Betten ausschüttelt, aber ich hatte den Rest des Märchens völlig vergessen. Ich muss nochmal kurz die Gebrüder Grimm befragen, Moment:

77. Was für eine Art von Humor hast du?

Einen verteidigenden. Ich habe selbst in meiner Therapie Witze gemacht, weil das einfacher war als Dinge ohne Pointe zu erzählen.

78. Wie oft treibst du Sport?

So oft ich Lust habe.

79. Hinterlässt du einen bleibenden Eindruck?

Weiß nicht, ich gehe ja selten irgendwo hin.

80. Auf welche zwei Dinge kannst du nicht verzichten?

Nahrung und Sauerstoff.

(Luft und Liebe. Salz und Pfeffer. Knack und Back. Bang und Olufsen. Romeo und Julia.)

Tagebuch Donnerstag, 21. Februar 2019 – Alltag

Gearbeitet, über die FAZ gemeckert, die FAZ gemocht, gelesen, Reste der vorgestern zubereiteten Lasagne zu zweit verspeist, ein Spätburgunder zum Abendessen, gemeinsam eingeschlafen.

Ich lese gerade Wolfgang Koeppens Das Treibhaus, von dem ich vorher nur eine vage Vorstellung hatte. Ich wusste, dass der Roman 1953 erschienen war und hatte mich auf irgendwas in Richtung Böll eingestellt. Das ist es nicht ganz, die Sprache ist recht oft eher assoziativ als beschreibend, aber bis jetzt mag ich es sehr gerne. Über ein paar Altherrenformulierungen, obwohl der Verfasser damals noch nicht wirklich alt war, sehe ich mal gnädig hinweg.

Wir befinden uns im Schlafwagen auf dem Weg nach Bonn, zusammen mit der Hauptfigur des Abgeordneten Keetenheuve und einem Haufen Lobbyisten.

„Nicht alle Abgeordneten reisten im Bundesbahnbett. Andere kamen im Auto zur Hauptstadt gefahren, quittierten das Kilometergeld und standen sich gut dabei; sie waren die schärferen Hechte. Auf der Rheinstraße brausten die schwarzen Mercedeswagen neben dem Wasser stromabwärts. Stromabwärts der Schlick, stromabwärts das Treibholz, stromabwärts Bakterien und Kot und die Laugen der Industrie. Die Herren hockten neben ihrem Fahrer, sie hockten hinter ihrem Fahrer, sie waren eingenickt. Die Familie hatte einen strapaziert. Körperabwärts, unter dem Mantel, der Jacke, dem Hemd, lief der Schweiß. Schweiß der Erschöpfung, Schweiß der Erinnerung, Schweiß des Schlummers, Schweiß des Sterbens, Schweiß der Neugeburt, Schweiß des Wohingefahrenwerdens und wer weiß wohin, Schweiß der nackten, der bloßen Angst. Der Fahrer kannte die Strecke und haßte die Gegend. Der Fahrer konnte Lorkowski heißen und aus Masuren sein. Er kam aus den Tannenwäldern; da lagen Tote. Er gedachte der Seen in den Wäldern; da lagen Tote. Der Abgeordnete hatte ein Herz für die Vertriebenen. Das soll hier nun schön sein, dachte Lorkowski, ich scheiß’ doch auf den Rhein. Er schiß auf den Rhein, Lorkowski, Abgeordnetenfahrer aus Masuren, Lorkowski, Leichenfahrer aus dem Gefangenenlager, Lorkowski, Sanitätsfahrer von Stalingrad, Lorkowski, NSKKfahrer aus Kraftdurchfreudetagen, alles Scheiße, Leichen Abgeordnete und Verstümmelte dieselbe Ladung, alles Scheiße, er schiß nicht nur auf den Rhein.
„Puppe.“
Der Interessenvertreter verließ den Abort, schlenkerte das Hosenbein, nichts Menschliches war ihm fremd. Er trat zu den anderen Interessenvertretern in den Vorraum des Wagens, ein Mann unter Männern.
„Bißchen blaß ist sie.“
„Macht nichts.“
„Durchgeschüttelt, durchgerüttelt, durchgerollt.“
„Zu lange unten gelegen.“
Wagalaweia.
Das Mädchen kam wehenden Gewandes, Engel des Schienenstranges, ein Nachtengel, wehenden Nachtgewandes, Spitzen streiften den Staub Rotz und Dreck des gefirnißten Ganges, Brustspitzen, pralle Knospen rieben die Gewandspitzen, die Füße trippelten in zierlichen Pantöffelchen, Bändergeschnür, die Füße der Salome die wie kleine weiße Tauben sind, die Zehennägel leuchteten rot, verschlafen war das Kind, launisch, mürrisch, viele Mädchen trugen den Ausdruck des Mürrischen im hübschen Puppengesicht, es war eine Mädchenmode, mürrisch zu sein, im Hals kratzte der Raucherhusten, die Männer sahen zu, wie das Mädchen trippelnd, lackiert, hochbeinig, hübsch und mürrisch auf den Lokus ging. Parfum kitzelte die die Nasen und mischte sich hinter der Tür mit des Interessensvertreters strengem Ablauf am Abend genossener Bockbiere – an ihm war Hopfen und Malz nicht verloren.
„Feinen Koffer haben Sie da. Richtige Diplomatenkiste. Wie neu aus dem AA. Schwarzrotgoldene Streifen.“
„Schwarzrotmostrich, wie wir früher sagten.“
Wagalaweia.
Der Rhein schlängelte sich nun, ein gewundenes, silbernes Band, durch flache Ufer. Fern aus dem Frühdunst wölbten sich Berge. Keetenheuve atmete die milde Luft, und schon spürte er, wie sehr sie ihn traurig stimmte. Verkehrsvereine, Fremdenlockbetriebe nannten das Land die rheinische Riviera. Ein Treibhausklima gedieh im Kessel zwischen den Bergen; die Luft staute sich über dem Strom und seinen Ufern. Villen standen am Wasser, Rosen wurden gezüchtet, die Wohlhabenheit schritt mit der Heckenschere durch den Park, knirschenden Kies unter dem leichten Altersschuh, Keetenheuve würde nie dazu gehören, nie hier ein Haus haben, nie Rosen schneiden, nie die Edelrosen, die Nobiles, die Rosa indica, er dachte an die Wundrose, Erysipelas traumaticum, Gesundbeter waren am Werk, Deutschland war ein großes öffentliches Treibhaus, Keetenheuve sah seltsame Floren, gierige, fleischfressende Pflanzen, Riesenphallen, Schornsteinen gleich voll schwelenden Rauches, blaugrün, rotgelb, giftig, aber es war eine Üppigkeit ohne Mark und Jugend, es war alles morsch, es war alles alt, die Glieder strotzten, aber es war eine Elephantiasis arabum. Besetzt, stand auf der Klinke, und hinter der Tür pinkelte das Mädchen, hübsch und mürrisch, die Schwellen an.“

(Wolfgang Koeppen: Das Treibhaus, Frankfurt am Main 1980, erste Auflage Stuttgart 1953, S. 36–38.)

Tagebuch Mittwoch, 20. Februar 2019 – Neu eingekleidet

Okay geschlafen, aber recht lange nicht eingeschlafen. Nicht weil ich wieder ein schönes Buch vor der Nase hatte, das nicht warten konnte, sondern weil ich mir Sorgen um Zeug gemacht habe, das größtenteils außerhalb meines Einflussbereichs liegt. Also genau das richtige, um nicht schlafen zu können, weil man sich nicht sagen kann: „So, morgen mache ich das und dann passiert genau das“, sondern: „Ich mache morgen das und hoffe, dass eventuell das passiert, was ich mir wünsche.“

Zwar den Wecker morgens nicht ausgetreten, aber trotzdem stumm liegengeblieben und an die Decke geguckt. Irgendwann die morgendliche DM von F. bekommen und endlich aufgestanden, geduscht, Kaffee gemacht, den vorgestern geschriebenen Blogeintrag verbessert und veröffentlicht.

Der Plan war, meine Diss-Exposition vorzeigbar zu machen, aber gestern lag mir nichts ferner als das. Also erledigte ich Kleinkram, Anrufe, die ich vor mir hergeschoben hatte, vereinbarte Termine, machte Bürozeug. Die Ablage ist ja nie dringender als an den Tagen, an denen man eigentlich etwas anderes erledigen sollte. Als ich dann aber einen Termin erledigen wollte, bekam ich dort gute Ratschläge statt einer Verabredung, die nun nicht mehr nötig war und hatte plötzlich einen neuen Tagesplan, auf den ich auch weitaus mehr Lust hatte als auf mein exzentrisches Hobby, denn mehr ist die Diss gerade nicht.

Und so saß ich ab dem frühen Mittag nicht mehr am Schreibtisch, sondern inspizierte beim Optiker um die Ecke diverse Brillengestelle.

Meine derzeitige Brille ist mindestens fünfzehn Jahre alt, genau weiß ich es schon gar nicht mehr. In der letzten Zeit bemerkte ich öfter, dass ich nur noch mit Mühe die Anzeigen in den U-Bahnhöfen lesen konnte, manche Straßenschilder riet ich eher als sie zu lesen, in der Bibliothek hielt ich manchmal die Bücher etwas weiter von mir weg, anstatt die Nase reinzustecken, und nach fünfzehn Jahren könnte man ja auch mal wieder die Dioptrienwerte checken lassen.

Also ging ich zum Optiker, bei dem ich im Vorbeigehen schon oft genug gesehen hatte, dass er viele Gestelle hatte, die mir zusagten (gucken Nicht-Brillenträgerinnen bei Optikerinnen in die Schaufenster?), und bat um eine Untersuchung. Wir vereinbarten einen Termin am Nachmittag, aber wenn ich schon mal hier sei, könne ich ja gleich ein paar Gestelle aufsetzen? Aber hallo!

Ich mag meine Brille immer noch, deswegen wollte ich nichts großartig anderes, nur etwas größer dürften die Gläser sein. Wir fanden relativ schnell mehrere Gestelle, die mir gefielen, und dann probierte ich natürlich alle weiteren Gestelle auf, von denen ich schon vorher wusste, dass sie mir nicht stehen, die ich aber einfach mal auf der Nase haben wollte. Seit ich irgendwann in den 1980er Jahren die Blues Brothers gesehen habe, will ich die klassische Wayfarer von Ray-Ban haben (gibt’s auch als Nicht-Sonnenbrille), probiere sie immer wieder auf und muss mir seit nun fast 40 Jahren eingestehen, dass sie einfach nicht zu mir passt. Aber ich setze sie jedesmal wieder auf und hoffe, dass mir inzwischen das richtige Gesicht dafür gewachsen ist. Ist es bis jetzt nicht, aber ich gebe die Hoffnung weiterhin nicht auf. Gestern den Entschluss gefasst: Mit spätestens 70, wenn ich so alt werden darf, wird das Ding gekauft, passende Passform oder nicht. Mit 70 muss ich hoffentlich weder auf Kunden noch auf potentielle Lebensgefährten mehr Eindruck machen müssen; dann trage ich nur noch Leggings, bunte Kaftane, ein Tuch um den Kopf, scheiß auf die Frisur, Sneakers auch in die Oper und eine Ray-Ban. Mit 70 darf ich alles.

Ein paar Managerbrillen in Metall probierte ich natürlich auch auf, nur um mich zu schütteln, ein paar bunte Gestelle, weil bunt halt, aber eigentlich hatten wir nach zwanzig Minuten die gefunden, die ich haben wollte. Ich konnte mich noch nicht ganz zwischen dunkelgraublau und braun entscheiden, ließ mich vom Optiker per iPhone fotografieren und besah mir zuhause in den Stunden bis zum Termin weiterhin das Gestell auf meiner Pixelnase.

Als ich dann um 15 Uhr wieder ankam, war der freundliche junge Herr vom Mittag nicht mehr da, stattdessen bediente mich eine junge Dame, für die ich nochmal beide Gestelle aufsetzte. Woraufhin die Dame meinte: „Die stehen Ihnen beide sehr gut, aber merken Sie, dass die Gläser eher auf den Wangen aufliegen als auf der Nase?“ Nein, das hatte ich nicht gemerkt, erst in dem Moment, als sie es ansprach. Ich erinnerte mich schlagartig an jeden Sommer mit meiner jetzigen Brille, die nur durch den Nasensteg da bleibt, wo sie hingehört, sie hat keine von diesen zwei Metallschräubchen, an denen Kunststoffplättchen kleben, die man notfalls verbiegen kann, bis die Brille gut sitzt, aber dafür sieht sie halt nur mit dem Nasensteg netter aus (finde ich). In jedem Sommer bin ich damit beschäftigt, die Brille die Nase hochzuschieben, weil sie durch meinen ständig vorhandenen leichten Schweißfilm runterrutscht. Und dabei streiche ich grundsätzlich den Schweiß zwischen Wangen und Gestell weg. Die Aussicht, das nun dauernd machen zu müssen, weil die Brille jetzt vermutlich deutlich öfter auf den Wangen liegt, gefiel mir gar nicht. Ich wollte aber auch keine doofen Plastikpröppel, die man theoretisch an das ausgesuchte Gestell hätte randengeln können. Ich bat lieber um ein anderes Gestell, und die hilfsbereite und gründliche Dame hatte auch relativ schnell eine Alternative parat (sogar günstiger als das bisher angepeilte Modell), deren Gläser etwas kleiner waren, aber immer noch deutlich größer als meine bisherige Brille. Dieses Mal machte ich schnell Selfies, während sie noch weiter suchte und verglich und verglich – und mochte die Alternative dann ziemlich genauso gerne wie das Modell vom Morgen.

Wunderbar, dann konnten wir ja lustig Dioptrien messen. Da hat sich in den letzten fünfzehn Jahren nicht viel verändert, man hockt vor dem Metallgestell, guckt durch Linsen, die ständig gewechselt werden und muss achtzigmal „So besser oder schlechter?“ beantworten, bis die Optikerin zufrieden ist. Was ich noch nicht kannte: Die nun ausgewählten Linsen wurden in eine Brille eingepasst, die für mich so aussah, als wäre sie aus Lego. Damit wurde ich nun wieder nach vorne in den Laden gebeten, aus dem man auf die Straße schauen konnte, damit ich das fern sehen mal ausprobieren könnte. Auch dort wurde noch an mir gearbeitet, mit mobilen Plättchen – „so besser oder schlechter?“ –, und als ich dann auch bei Tageslicht und mit weiter entferntem Sehziel zufrieden war, suchten wir die passenden Gläser aus, eine Wissenschaft für sich, was weiß denn ich über Entspiegelungen und Beschichtungen. Einfach aus dem Bauch raus das mittelteure bestellt.

Im Laden war gerade eine Mutter mit einem kleinen bebrillen Mädchen, das mich fasziniert, aber auch irgendwie ängstlich anschaute, als ich mit der schlimmen Legobrille durch den Laden spazierte. Ich meinte zu ihr: „Du kriegst auf jeden Fall eine schönere Brille!“, was sie sehr lustig fand.

Über eine Gleitsichtbrille dachte ich auch kurz nach; die Optikerin meinte, dass das schön sei, dass es jetzt noch ginge mit dem Bücher weiter weg halten, aber irgendwann sind die Arme eben auch nicht mehr lang genug. Und: Mit den neuen Gläsern werde ich ja quasi noch weitsichtiger. Daran hatte ich nicht gedacht. Aber mit der Legobrille auf der Nase bekam ich einen Folder vorgelegt, der in verschieden großen bzw. kleinen Buchstaben gedruckt war, und bis auf die letzte Zeile konnte ich alles prima lesen. Und für diese letzte Zeile waren die Arme noch locker lang genug. Also: erstmal keine Gleitsichtbrille.

Wenn ich Glück habe, kann ich schon Freitag mit neuen Gläsern durch München spazieren, spätestens nächste Woche. Es ist übrigens die links im Bild geworden, auch weil sie wirklich sofort perfekt auf der Nase saß. Und sie ist ein winziges bisschen bluesy!

Das vormittägliche Gestell wäre von William Morris gewesen und im Kopf hatte ich natürlich schon einen schönen Prä-Brexit-Einkauf fürs Blog vorformuliert, aber jetzt ist es eine Longchamp geworden. Auf die deutsch-französische Freundschaft!

Nach dem doch recht langen, weil gründlichen Termin ging ich noch schnell einkaufen und vergaß wie immer, wenn ich Lust auf Lasagnemachen habe, dass ich alleine wohne und sie nie schaffe. Ich habe dann jetzt für drei bis vier Tage Essen. Mit einer etwas zu beherzt gewürzten Bechamelschicht, aber Pfeffer ist ja bestimmt gesund.

1000 Fragen, 41 bis 60

(Ich paraphrasiere Christian: „Die Fragen stammen ursprünglich aus dem Flow-Magazin, Johanna von pink-e-pank.de hat daraus eine persönliche Blog-Challenge gemacht, und Beyhan von my-herzblut.com hat das PDF erstellt.“)

41. Trennst du deinen Müll?

Oh, eine moralisch belastete Frage. Na gut: Papier ja, Altglas nein. Zu faul. Und auch wenn ich hier gefühlt dauernd vom Weintrinken schreibe: Es fallen dann doch nicht so viele Flaschen an wie man vielleicht vermuten könnte. (Okay, ich trinke Wein aus dem Tetra-Pak, jetzt isses raus.)

42. Warst du gut in der Schule?

Okayer Durchschnitt mit Spitzen nach oben in Deutsch und Englisch und üblem Bodensatz in den Naturwissenschaften. Ich lache heute noch darüber, dass ich mal mit Sport meinen Notendurchschnitt in der Oberstufe verbessern konnte, weil ich damals Judo im Verein gemacht habe.

43. Wie lange stehst du normalerweise unter der Dusche?

So lange wie nötig. Drei Minuten? Wenn ich dusche, kann ich das Radio nicht mehr hören, deswegen beeile ich mich.

44. Glaubst du, dass es außerirdisches Leben gibt?

Bis letzter Woche ja, nach Lektüre eines Aufsatzes von Nick Bostrom bin ich mir nicht mehr sicher. (Letzter Absatz.)

45. Um wie viel Uhr stehst du in der Regel auf?

Um 7. Am Wochenende ohne Wecker meist gegen 8. Betonung auf „meist“.

46. Feierst du immer deinen Geburtstag?

Ich gehe am Geburtstag gerne schön essen, das war’s. Das letzte Mal richtig gefeiert habe ich den Vierzigsten, glaube ich. (Alle mitlesenden Menschen, die vor einigen Wochen eine Einladungsmail bekommen haben, dürfen sich jetzt noch geehrter fühlen.)

47. Wie oft am Tag bist du auf Facebook?

Seit ich die App vom Handy gelöscht habe, gar nicht mehr. Klappt mit Twitter leider nicht, diese Strategie. Da hatte ich die App ja auch endlich gelöscht, wollte dann aber am vergangenen Samstag einen Artikel aus der NYT teilen, was mit der Web-Oberfläche ein einziger Schmerz im Arsch war und zack, ist die App wieder da. Gnarg.

Noch schaffe ich es, die Nutzung eingeschränkt zu halten – gestern beim Fußball war ich zum Beispiel nur einmal online, wo ich sonst meist ein Auge für den Laptop und das zweite fürs Handy habe.

Letzter Ausweg, um dem Geplärre zu entgehen, inmitten dem aber dann doch eben immer noch genug interessante Links auftauchen: auch nette Menschen entfolgen, die ihre Leser gerne auf alle Ungerechtigkeiten dieser Welt aufmerksam machen wollen. Nur noch Menschen folgen, die freundliche Dinge schreiben und Tierfotos posten. Ich kann einfach nicht mehr.

(Ja, ich poste auch Dinge über Ungerechtigkeiten. Das ist ja Teil des Problems. Ich bin Teil des Problems.)

48. Welchen Raum in deiner Wohnung magst du am liebsten?

Die Bibliothek, weil dort meine Bücher stehen (und liegen. Und Stapel bilden. Und immer mehr werden, ich weiß auch nicht, wie das passiert). Das Schlafzimmer, weil ein riesiger Baum vor dem Fenster rumgrünt und hübsche Geräusche macht. Das Arbeitszimmer wegen der blauen Wände und des Balkonausblicks. Die Küche, weil’s da Essen gibt. Den Flur, weil in ihn ein so schönes Licht aus allen anderen Räumen fällt. Nur das Bad ist mir egal. Und der Keller auch.

49. Wann hast du zuletzt einen Hund (oder ein anderes Tier) gestreichelt?

Hunde streichele ich nie, weil ich Hunde sehr doof finde. Katzen würde ich gerne dauernd streicheln, bin aber gegen sie allergisch. Wahrscheinlich ist das die Strafe des Universums dafür, dass ich Hunde sehr doof finde.

50. Was kannst du richtig gut?

Schreiben. Gläser streifenfrei polieren. Mehrere Teller auf einer Hand tragen. Habe anscheinend ungefähr gleichviel in der Werbung und in der Kneipe gelernt.

Oh, und Essen kann ich auch super.

51. Wen hast du das erste Mal geküsst?

So mit zurückküssen? Oliver. Damals High School Sweetheart, heute bester Freund.

52. Welches Buch hat einen starken Eindruck bei dir hinterlassen?

Zu viele, um alle aufzuzählen. Ich bin gerade nochmal am Bücherregal langgegangen und glaube, einen Eindruck hinterlassen haben: das erste Buch, das ich von Thomas Mann gelesen habe (vermutlich die Buddenbrooks). Der erste Douglas Adams. Der erste Douglas Coupland. Die erste Siri Hustved. Die erste Donna Tartt. Jedes Geschichtsbuch, das mein bisheriges Verständnis erweitern konnte, gerade was Frauen- und amerikanische Geschichte angeht, jedes Sachbuch über Themen, die ich vorher nur so halb auf dem Schirm hatte, so ziemlich jede Biografie.

All-time starker Eindruck: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Ulysses. Leider American Psycho. Ich überlege, ob ich ihn nochmal lesen sollte, will mit dem Jungsscheiß aber eigentlich keine Zeit mehr verschwenden.

53. Wie sieht für dich das ideale Brautkleid aus?

Wie ein bequemer Hosenanzug.

54. Fürchtest du dich im Dunkeln?

In meiner Wohnung nicht. Um 3 Uhr morgens draußen alleine vermutlich eher.

55. Welchen Schmuck trägst du täglich?

Meinen kleinen Nasenstecker. Es werden dieses Jahr 34 Jahre, in denen ich ein Steinchen in meinem Nasenflügel habe.

(Hier stand zuerst eine andere Antwort, weil ich über dieses Schmuckstück gar nicht mehr nachdenke.)

56. Mögen Kinder dich?

Keine Ahnung. Ich finde sie ähnlich doof wie Hunde und bin froh, wenn sie sich genauso wenig für mich interessieren wie ich mich für sie.

57. Welche Filme schaust du lieber zu Hause auf dem Sofa als im Kino?

Inzwischen alle.

58. Wie mild bist du in deinem Urteil?

Wenn es nicht um Hunde oder Kinder geht … nein, Quatsch. Ich habe nicht mal zu den beiden eine ausgeprägte Meinung, sie sind mir egal. Je älter ich werde, desto egaler werden mir sehr viele Dinge, was wirklich großartig ist.

Mein Urteil ist hinsichtlich anderer Leute Körper oder Optik oder seltsamen Eigenschaften sehr milde geworden, weil ich merke, dass mir das gut tut. Sehr bockig bin ich allerdings bei politischen Einstellungen, die meiner Meinung nach keine Milde verdienen und greife da auch schnell zu Kraftausdrücken.

59. Schläfst du in der Regel gut?

Ja.

60. Was ist deine neueste Entdeckung?

Bunte Balkonblumen (noch in der Theoriephase). Und dass Orange Wine nach mehr schmecken kann als nach gammeligem Apfelmost.

Tagebuch Montag, 18. Februar 2019 – Lecture Series

Ereignisloser Tag (Arbeit, Zeitung, Tee, Käsebrot, ihr kennt das), dafür spannender Abend.

F. und ich gingen ins NS-Dokumentationszentrum, das in Zusammenarbeit mit dem Amerikahaus und der dort angegliederten Bayerischen Amerika-Akademie eine Vortragsreihe startete: „This is America. Reflections on a Divided Country.“ Gestern abend stand ein Vortrag von Ibram X. Kendi auf dem Programm, er sprach über sein letztes Buch Stamped from the Beginning: The Definitive History of Racist Ideas in America (2016) (auf deutsch: Gebrandmarkt: Die wahre Geschichte des Rassismus in Amerika, 2018) und verwies auch am Ende auf sein neues Buch How to Be an Antiracist, das im August diesen Jahres erscheinen wird..

Wenn ich Facebook-Liveübertragungen richtig verstehe, ist das Video sogar noch abrufbar, ich verlinke mal irgendwas von dort. Bei mir klappt das, ich hoffe, bei euch auch, lohnt sich sehr. Am besten die ersten 15 Minuten (die Einführungsreden) skippen; die erste von Prof. Dr. Mirjam Zadoff, der Leiterin des NS-Dokumentationszentrum, war in Ordnung, bei der zweiten dachte ich die ganze Zeit, erklär mir doch bitte nicht die Arbeit und Forschung von Kendi, dafür ist der gute Mann doch extra selbst zum ersten Mal nach Deutschland gekommen.

Der Titel seines neuen Buchs lässt es schon anklingen: Für ihn ist Anti-Rassismus essenziell. Es reicht nicht zu sagen, ich bin nicht rassistisch und es damit zu belassen, sondern er fordert eine aktive, anti-rassistische Auseinandersetzung mit unserer rassistischen Gesellschaft.

Sein Vortrag bezog sich natürlich eher auf die USA, man konnte aber durchaus Dinge mitnehmen und auf Europa übertragen. Der Ort für den Auftakt der Lecture Series war nicht zufällig gewählt, genau wie Kendi in einigen Sätzen machte auch Zadoff im anschließenden Publikumsgespräch auf den Zusammenhang von Antisemitismus und Rassismus aufmerksam.

Überhaupt war das anschließende Gespräch bis auf eine Frage sehr zielführend. Ein Zuhörer bezog sich auf die Einteilung, die wir unwillkürlich vornehmen, wenn wir über Rassismus sprechen: Wir reden von Gruppen, die sich gegenüberstehen. Genau das ist aber schon rassistisch: Eine Gruppe definiert sich als höherwertig als eine andere. Müsste man daher nicht erstmal dieses Gruppendenken abschaffen? Kendi nannte das den berühmten Catch 22: Er behalte diese rassistische Einteilung bei, um auf Rassismen aufmerksam zu machen. Er erwähnte auch die Illusion einer post-racial society, die während der Präsidentschaft Obamas mal als Theorie vorlag, die sich aber spätestens mit der Wahl Trumps deutlich erledigt habe. Aber genau weil wir so gerne eine post-racial society wären, sei es wichtig, diese Einteilung vorerst beizubehalten, um zu zeigen, dass wir genau das eben nicht sind.

Ich musste kurz an meine eigene Forschung denken: Die Kunstgeschichte hat in ihrer Bearbeitung der Kunst zwischen 1933 und 1945 nämlich auch die Definitionen der Nationalsozialisten übernommen – die damals als „entartet“ bezeichnete Kunst war nach 1945 automatisch gut, alles andere automatisch schlecht. Deswegen begründen wir dauernd, warum wir uns mit dieser angeblich schlechten Kunst beschäftigen. Oder ziehen uns auf den bequemen Standpunkt „Das ist überhaupt keine Kunst“ zurück.

Eine andere Zuhörerin fragte, was man als weißer Mensch machen könne, um Unterstützung und Solidarität zu zeigen. Kendi wies darauf hin, dass das gerne als altuistisches Motiv genommen werde, was aber unnötig sei. Man müsse sich nicht für etwas aufopfern, was normal und gegeben sein sollte (ich hoffe, ich gebe das halbwegs korrekt wieder, ich habe nicht mitgeschrieben. Es erinnerte mich an einige Jungs auf Twitter, die Kekse dafür wollten, sich feministisch zu engagieren. Hase, das ist keine besondere Leistung, das ist Humanismus). Sein Rat also: Be anti-racist, fertig. Elect anti-racists to power. Das war generell eine Aussage, die er im Buch traf: Rassistisches Denken bedeutet rassistische Politik. Klingt einfach und logisch, aber genau das ist einer der wichtigen Punkte: Wir können uns noch so sehr in Bürgerinitiativen aufreiben – wenn die gesamte Politik auf rassistischen Ideen steht, muss man das ändern und nicht klein-klein arbeiten. (Erinnerte mich an Klimapolitik. Es muss der große Wurf werden.)

F. und ich diskutierten noch mehrere Stunden weiter, und ich empfehle euch das Video sehr, auch wenn ihr euch für die Geschichte der USA interessiert. Man kann Kendi sehr gut zuhören, und ich habe vieles erfahren, das ich noch nicht wusste, obwohl ich meine Grundbildung gerade in den Bereichen Civil War und Reconstruction schon für ganz gut hielt.

Das Buch stand schon länger auf meinem Wunschzettel – ich meine, es war mal eine Empfehlung von Ta-Nehisi Coates als grundlegende Lektüre –, aber jetzt habe ich es selbst bestellt. Gestern abend hatte der Beck-Verlag zwar ein paar deutsche Übersetzungen ausliegen, aber die wollte ich nicht haben, auch wenn ich mir noch eine hübsche Signatur hätte abholen können.

Tagebuch Freitag bis Sonntag, 15. bis 17. Februar 2019 – 2:3, Kunst, Blümchen und langes Wachbleiben

Am Freitag war Bundesliga: Um 20.30 Uhr begann das Spiel vom FC Augsburg gegen Bayern München, was erstens bedeutete, dass wir abends statt gemütlich nachmittags in einen Regionalzug klettern mussten, der zweitens voller Bayernfans war. Die meisten waren zwar schon früher angereist, aber auch um 18 Uhr waren noch genug unterwegs und mischten sich mit den gewöhnlichen Pendler*innen, die sich zu ihrem Feierabend vermutlich auch was Netteres vorstellen können als einen recht vollen Zug. Bundesliga abends ist zum Kotzen, auch in der eigenen Stadt. Trotzdem ist es für mich jedesmal wieder überraschend zu merken, dass ich für ein Spiel in Augsburg insgesamt immer ungefähr sechs Stunden unterwegs bin anstatt mal eben in 20 Minuten zur Allianz Arena rauszufahren.

Augsburg hatte im DFB-Pokal mit mehr Glück als Verstand mit 1:0 gegen Kiel gewonnen und war letzten Sonntag in Bremen brutal mit 0:4 untergegangen, daher hätte ich mir eigentlich mehr Sorgen machen müssen, aber ich fuhr mit einem eigentümlich guten Gefühl in die Fuggerstadt. F. war schon zwei Stunden vor dem Spiel in konzentriertem Fanmodus, das heißt, er war nicht mehr so recht ansprechbar, was okay ist, denn ich hatte ja ein Buch dabei, wie sich’s gehört.

Der Weg zum Stadion war okay, ich keuchte weniger als erwartet, meine Erkältung fühlte sich eigentlich durch an, aber ich ging trotzdem brav langsam, um mich nicht zu überanstrengen. Ich hatte auch ebenso brav wieder vier Lagen an, Decke, Mütze und Handschuhe dabei, um bloß nicht zu frieren, und das war auch alles richtig so.

Am Einlass musste ich mich wieder über die sinnlose Schikane am Fraueneinlass ärgern. Seit ein paar Spielen gibt es ernsthaft zwei Schlangen für Frauen mit Handtaschen, während nebenan sechs (?) Einlässe frei sind für diejenigen, die keine Tasche dabei haben. Ich hatte zwar keine Handtasche dabei, sondern nur eine Stofftasche, in der sich eine Decke befand, war aber letztes Mal schon in die andere Schlange geschickt worden und wollte dieses Mal nicht mehr diskutieren. Es regnete netterweise auch nicht und so war ich nur halb pissig und nicht komplett verärgert in der langen Schlange, die sich immer mehr hinzog, weil halt viele Frauen Taschen dabeihaben, während nebenan sechs (?) Einlässe leer waren, durch die alle 30 Sekunden mal eine Dame huschte, während die Abtasterinnen sonst nichts zu tun hatten, uns aber natürlich auch nicht rüberwinkten, es muss ja alles seine Ordnung haben.

Ich werde wohl eine nölige Mail an den Verein schreiben. Wenn Klamottenhersteller es irgendwann hinkriegen, Taschen an Frauenkleidung so groß zu dimensionieren, dass mehr reinpasst als ein Tampon oder generell Frauenkleidung mit so vielen Taschen auszustatten wie Herrenzeug, so dass man theoretisch genug Platz hat, alles unterzubringen, dann bräuchten wir vielleicht auch keine verdammten Handtaschen mehr, die natürlich einen Augenblick länger zu kontrollieren dauern als das relativ sinnlose Rumpatschen auf unseren Klamotten. Gerade jetzt mit der dicken Winterjacke hätte ich vermutlich ein Kilo Pyro ins Stadion gekriegt, wenn ich es drauf angelegt hätte.

Bei den Herren gibt es übrigens keine Extraschlangen. F. hatte auch eine Stofftasche dabei, die anscheinend keinen gesonderten Einlass benötigte.

(Herrgott, ich ärgere mich beim Aufschreiben schon wieder. Was für ein Quatsch.)

Dafür musste ich mich danach nicht mehr ärgern. Augsburg trat mit einer totalen Rumpfmannschaft an, weil wieder die Hälfte der Jungs verletzt war, und so erwartete man vor allem nach den letzten Ergebnissen eigentlich nicht viel, aber das Spiel begann in der 13. Sekunde mit einem Eigentor der Bayern, zwischendurch führte Augsburg sogar mal mit 2:1, und generell war wieder die alte Biestigkeit der Mannschaft zurück, auf alles draufzugehen, was sich bewegt (weswegen Augsburg auch als Kloppertruppe verschrien ist. Total zu Unrecht *hust*). Das Spiel endete 2:3, was völlig in Ordnung ging, es war sehr gut anzusehen, ich hielt entweder die Luft an (und musste dann husten) oder brüllte mit der Fankurve mit, weswegen ich nach dem Spiel etwas heiser war.

Netterweise wurden F. und ich dieses Mal nach München zurückchauffiert; einer unserer Bayernfan-Bekannten war mit seinem Sohn im Stadion und nahm uns im Auto mit. Das ging ein bisschen schneller als mit der Bahn, denn nachts fahren nicht mehr so viele Regionalzüge wie nach Nachmittagsspielen, weswegen wir immerhin um halb eins und nicht erst um eins wieder zuhause waren.

(Bundesliga abends ist zum Kotzen.)

Samstag morgen wäre ich gerne einfach im Bett geblieben, denn ein bisschen matschig war ich doch. Aber F. hatte sich netterweise bereit erklärt, mir mal wieder eine Lampe anzudübeln und so räumte ich die Küche um, holte Leiter und Staubsauger aus dem Wandschrank, F. dübelte, ich saugte, und weil wir ja inzwischen die Scheißigkeit der Ikea-Lüsterklemmen kennen, ging das alles sehr schnell. Ich habe jetzt LICHT in meiner Küche und nicht mehr nur Licht.

Ich döste ein wenig rum, bis ich mich wieder auf den Weg machen musste, denn wir waren um 14 Uhr in der Sammlung Goetz angemeldet. Der Eintritt dort ist frei, man muss sich aber vorher auf eine bestimmte Uhrzeit festlegen. F. und ich schauten uns den dritten Teil der Generations-Ausstellung an, über den ersten und den zweiten hatten wir im Podcast gesprochen. Im Nachhinein ärgerten wir uns doch ein wenig, dass wir den dritten Teil nicht ausgewählt hatten, denn es waren – natürlich – wieder spannende Positionen zu sehen.

Mir persönlich gefiel eine Arbeit von Lecia Dole-Recio am besten, eine unbetitelte, sehr großformatige Collage von 2005, die für mich so aussah wie eine Landkarte eines Planeten, den ich nicht kannte. Ich stand sehr lange vor dem Werk und verlor mich immer mehr in seinen Spuren.

Ebenfalls ewig saß ich vor einer Videoarbeit von Sam Taylor-Johnson, die in einem Raum angesiedelt war, in dem nur Stillleben hingen: ein circa vierminütiges Video zeigt eine Schale Obst, die im Zeitraffer verrottet. Eine sehr simple, aber sehr effektive Auseinandersetzung mit einem klassischen Sujet der Kunst. Auf YouTube gibt es ein paar Videos davon, die aber beschnitten sind (vor dem Obstkorb liegt noch ein Plastikkugelschreiber, der sich null verändert, während hinter ihm eine Zivilisation von Fliegen entsteht) und unter die ein widerlicher Klavierscore gelegt wurde.

Ich kann mich außerdem nun als Geta-Brătescu-Fangirl bezeichnen; die Dame war mir schon in der ersten Ausstellung aufgefallen und alles, was nun hier von ihr hing, gefiel mir auch.

Auch der Rest war sehr sehenswert. Die Ausstellung läuft noch bis zum 6. April, bitte einfach mal durchgehen.

Als Abschluss gingen F. und noch zur Galerie Thomas, in der gerade Werke von Günter Haese ausgestellt waren, den wir im letzten Jahr im Sprengel-Museum Hannover entdeckt hatten. Ein Werk mochte ich besonders, das mich an die Hamburger Hafenkräne erinnerte; an ihm klebte schon ein roter Punkt für „verkauft“, was mich total entsetzte. Noch mehr entsetzte mich dann die Preisliste, woraufhin ich sinnlos quengelte, dass ich mir das nicht leisten könne und warum das so teuer sei, woraufhin F. schlau meinte: „Damit du dich nicht ärgerst, dass dein Lieblingswerk schon verkauft ist.“

(FÜNFUNDSIEBZIGTAUSEND?)

Den Rest des Abends verbrachte ich damit, meinen Balkon auszumessen und mich dann entweder in den aus der Stadtbücherei geliehenen Pflanzenbüchern zu vergraben oder auf Gartencenter-Websites rumzusurfen, um mal zu gucken, wie die Auswahl an Balkonkästen so ist (an hübschen eher klein). Ich stellte außerdem interessiert fest, dass es schon farblich passende Sets für Anfängerinnen wie mich gibt und vorfreute mich aufs Einkaufen. (Nicht so sehr aufs Erdsäckeschleppen.) Und ich gab den ganzen Abend sinnlose Sätze wie „Es gibt ja echt viele schöne Blumen“ von mir.

Dann merkte ich aber langsam die olle Erkältung wieder in den Knochen, ging früh ins Bett und schlief ewig. Schadet ja nie. Auch den Sonntag verdöste ich mehr als dass ich etwas von ihm mitbekam, wechselte zwar morgens brav vom Bett aufs Sofa, nickte da aber dauernd weg, ging um 19 Uhr bereits wieder ins Bett, um dann um 22 Uhr wieder hellwach zu sein. Immerhin konnte ich so The Remains of the Day auslesen und mochte das Buch sehr. Will sofort den nächsten Ishiguro haben.

Aus dem Wikipedia-Artikel lernte ich den schönen Begriff des „unzuverlässigen Erzählers“. Das fand ich mit der Sprache am faszinierendsten am Buch: das Gefühl, dass dir jemand etwas erzählt – der Leser wird des Öfteren direkt angesprochen – und du weißt ganz genau, dass die „Wahrheit“, die dir hier vorgesetzt wird, weitaus mehr Schichten hat als die, die in Worten ausgedrückt wird.

Burrata mit gegrillten Trauben und Basilikum

Und noch ein Simple-Ottolenghi-Gericht. Das gab’s bei uns neulich mit frischem Brot und hinter einer Suppe her und dann ist das auch eine entspannte Hauptmahlzeit. Als Vorspeise reichen die unteren Mengen für vier. Die Zubereitung ist sehr einfach, die Küche muss allerdings danach durchgelüftet werden. Kleiner Hinweis für die vielleicht geplante Dinnerparty.

1,5 EL Fenchelsamen anrösten und leicht zerstoßen.

Ca. 200 g kernlose rote Weintrauben von den Rispen zupfen.

2 EL Sherryessig (bei mir Rotweinessig) mit
1 Knoblauchzehe, fein gehackt oder zerdrückt,
1,5 EL braunem Zucker,
1/4 EL Meersalzflocken (bei mir mehr),
ordentlich schwarzem Pfeffer,
2 EL Olivenöl und den angerösteten Fenchelsamen mischen und die Trauben darin marinieren. Laut Buch kann man das gerne schon am Vortag erledigen, bei mir lagen die Trauben nicht mal eine Stunde in der Flüssigkeit, weil diese danach eh über alles gegossen wird.

Die Trauben auf Spieße stecken, fünf bis sechs pro Stück, und in einer richtig heißen Grillpfanne für zwei bis drei Minuten pro Seite grillen. Die Trauben dürfen ruhig schwarz werden, das soll so. Ich bin mir im Nachhinein recht sicher, dass es die Spieße nicht braucht und man auch einfach so einen Berg Trauben in die Pfanne werfen kann (die bei mir auch keine Grillpfanne, sondern eine nicht beschichtete Edelstahlpfanne war), aber die Spieße sehen halt hübsch aus.

Zum Servieren
2 Kugeln Burrata (notfalls Büffelmozzarella) leicht zerzupfen oder aufreißen, zu den Traubenspießen noch
6 Stängel roten oder grünen Basilikum abzupfen und auf die Teller oder die Platte geben und alles mit der übrig gebliebenen Marinade übergießen. Ein bisschen zusätzliches Olivenöl drüber schadet auch nicht.

Ich hätte die Trauben gerne heiß zum kalten Burrata serviert, aber wie gesagt, die Küche muss schon beim Grillen möglichst weit offene Fenster und eine Abzugshaube auf höchster Stufe haben, sonst steht man recht schnell am Rauchmelder und muss versuchen, ihn auszuschalten, bevor einen das Piepsen wahnsinnig macht. Daher waren meine Trauben schon abgekühlt, aber das hat auch sehr gut geschmeckt: der milde Burrata, die Früchte mit einem ungewohnt herben Röstaroma, das Öl und das frische Basilikum machen im Mund wirklich gute Laune.

Linsen-Tomaten-Suppe mit Kokos und Curry

Ein Rezept aus Ottolenghis Simple. Das Buch kommt mir nach einigen Rezepten wirklich deutlich niedrigschwelliger vor als seine bisherigen – die Zubereitung ist jedenfalls bis jetzt immer äußerst simpel gewesen, die Zutatenanzahl für den Herrn fast schon karg, aber geschmeckt hat bisher alles. Ottolenghi eben.

Für 4 Personen.

In einem größeren Topf
2 EL Kokosöl (bei mir Sonnenblume) bei mittlerer bis hoher Temperatur erhitzen.
1 größere Zwiebel, fein gewürfelt, andünsten, bis sie glasig ist.

2 zerdrückte Knoblauchzehen,
1 EL mittelscharfes Currypulver,
1/4 TL Chiliflocken (bei mir fast ein ganzer, wo sind wir denn hier) und
1 daumengroßes Stück Ingwer, fein gewürfelt, dazugeben und für zwei Minuten mitbraten, dabei umrühren.

150 g rote Linsen, gewaschen, dazugeben und für 1 Minute unterrühren, dann
25 g Korianderstängel (oder gemahlenen Koriander nach Augenmaß) dazugeben und mit
1 Dose stückige Tomaten (400 g) sowie
600 ml Wasser ablöschen. 600 ml kamen mir im Nachhinein ein bisschen viel vor, ich hätte die Suppe gerne etwas stückiger gehabt. Ich werde beim nächsten Mal erstmal 400 nehmen und notfalls welches nachkippen.

1 Dose Kokosmilch (400 ml) glattrühren und ein paar EL Milch für die spätere Deko zurückbehalten. Den Rest ebenfalls in den Topf geben und alles mit
1 TL Salz (bei mir mehr, danke, Samin Nosrat) und
ordentlich schwarzem Pfeffer würzen.

Bei mittlerer Hitze 20 bis 25 Minuten kochen, bis die Linsen zerfallen sind, aber noch etwas Biss haben. (Das ging bei mir ein bisschen schneller.) Auf Teller verteilen, die restliche Kokosmilch auf die Suppe geben und mit frischem Koriander und einer Limettenspalte servieren.

Ich mochte das Mundgefühl sehr gerne, weil die Tomaten nicht ganz zerfallen, genau wie die Linsen. Die Suppe schmeckt warm und gemütlich, aber durch Limette, Ingwer und Kräuter gleichzeitig frisch. Laut Buch kann man sie bis zu vier Tage vorher vorbereiten; mein oberes Bild ist vom Donnerstag, das untere hier vom Mittwoch, als ich sie gekocht, aber keinen Koriander im Haus hatte, dafür aber die aufgehobene Kokosmilch. Die Suppe zieht geschmacklich nicht mehr an, was Suppen ja gerne nach einem Tag Rumstehen machen, sondern bleibt gleichbleibend nett und dickt etwas ein, was ich sehr mochte.

Tagebuch Donnerstag, 14. Februar 2019 – Bücher und Brot

Dafür, dass ich nur vier Stunden geschlafen hatte, wachte ich weniger gerädert als erwartet auf. Es brauchte dann aber doch eine Dusche, einen doppelten Espresso und frische Luft, um mich wirklich wach zu kriegen.

Der erste Gang des Tages führte mich zur Stadtbibliothek, in der ich einen Berg Comics loswurde und mir ein paar Bücher über strategisch sinnvolle Balkonbepflanzung auslieh. Ich hätte gerne ein paar bunte Blümchen und vor allem viele Kräuter, aber ich habe von beidem überhaupt keine Ahnung. Aber dafür gibt’s ja Bücher, die einem alles beibringen.

Und, wie ich beim Rumgehen am Regal feststellte, es gibt auch Bücher, über die ich netterweise noch nie nachdenken musste.

Die S-Bahn trug mich dann zum Kaufhof am Marienplatz, wo ich gerne Futter einkaufe, gestern zum Beispiel Ziegenkäse in Asche, Pastrami und Kräuter. Letztere bald nicht mehr! Hoffentlich.

Glücklich bepackt fuhr ich wieder nach Hause, jede Sekunde auf Rolltreppen, an Bahnsteigen oder in Zügen dazu nutzend, weiter The Remains of the Day zu lesen, das wirklich ganz wunderbar ist (und in meine Jackentasche passt! Perfekte Stadionbuch-Voraussetzung). Einkäufe verstaut, Tee gekocht, Waschmaschine angeschaltet und meinen gestern angesetzten Brotteig aus der Schüssel gekratzt, um ihn zu formen und weiter ruhen zu lassen. Das Formen hat nicht ganz so geklappt, wobei ich selbst nicht verstanden habe, was ich eigentlich gemacht habe. Egal. Ruhen lassen, nicht noch mehr Luft rausfriemeln.

Während der Ofen dann den Bräter vorheizte, sah ich die neue Folge Masterchef UK und begann mich doch so langsam auf die neue australische Staffel zu freuen, nachdem die letzte eher mäßig gewesen war. Die sollte im Mai oder Juni losgehen.

Brot in den heißen Topf umgesiedelt, Wäsche aufgehängt. Die leuchtende Sternengirlande endlich von der Gardinenstange des Balkonfensters abgenommen und neu am zweiten Arbeitszimmerfenster angebracht. Ich habe gerne in jedem Zimmer Licht, wenn es draußen dunkel ist. Keine Festbeleuchtung, aber überall so eine kleine Tischlampe oder ähnliches, damit kein Raum eine dunkle Höhle ist – außer Flur und Bad, die dürfen Höhlen sein, wobei der Flur eh genug Licht von den anderen Räumen abbekommt, weil bei mir mir alle Türen offenstehen, ja, die Heizkosten, jajaja. Ich channele selbstverständlich mein inneres Nuf und heize nur in dem Zimmer, in dem ich dauernd bin (die Bibliothek) und lasse in allen anderen die Heizung ausgeschaltet. Ist auch bei Frost draußen bisher warm genug geweseen.

Zurück zu den Sternchen: Ich mag das freundliche Leuchten der Girlande so gerne, dass ich die jetzt einfach weiterbenutze, obwohl Weihnachten echt durch ist, aber an einem Fenster, das ich eh nie aufmache, denn es ist direkt neben der Wand, an der Luise hängt. Dort ist meist die Jalousie halb geschlossen, damit sie nicht so viel Sonne abkriegt. Hier können die Sterne schön ungestört vor sich hinleuchten und mein Arbeitszimmer erhellen, wenn ich nichts darin zu tun habe, und ich kann endlich den großen Flügel der Balkontür wieder komplett öffnen. Da muss ich demnächst ja auch 40 Kästen und Töpfe durchtragen. (Aka F. *fieps* *Bambi eyes*)

Wohnung gesaugt, sehr geschwitzt, so ganz fit bin ich dann wohl doch noch nicht.

Brot aus dem Ofen geholt und einigermaßen zufrieden gewesen, dafür dass ich nicht so recht wusste, wo ich eigentlich hinforme. Vor dem Umzug hatte ich noch überlegt, Omis alten Emaillebräter wegzuwerfen (oder mindestens in den Keller zu bringen), weil er durch seinen nicht mehr ganz planen Boden sehr unregelmäßig brät. Und ich habe ja seit einiger Zeit meinen geliebten großen runden Le Creuset, in dem ich seitdem alles anbrate, was geht, und auch Brot backe. Das Bâtard ist aber zu länglich für das orangefarbene Schätzchen und so holte ich Omis Bräter vom Schrank und freute mich sehr, dass ich noch Verwendung für ihn habe, denn das Brot ist trotz seiner mäßigen Optik sehr wohlschmeckend geworden. Aus dem Plötzblog, hier die Sauerteigversion des Brots, bzw. aus einem seiner Backbücher dazu, aus dem ich das Brot nur mit Hefe gebacken habe.

Dann langsam das kleine Festmahl für F. und mich vorbereitet. Wir begehen keinen Valentinstag, aber wir hatten uns durch meine Erkältung schon ein paar Tage nicht gesehen und ich wollte zum Rest der vorgestrigen Linsen-Tomaten-Suppe noch ein paar Kleinigkeiten servieren. Das wurden dann Burrata mit gegrillten Trauben (genau wie die Suppe aus Ottolenghis Simple), der Ziegenkäse, das frisch gebackene Brot und ein wenig Rosé, im Bild noch nicht im Glas, stattdessen ausgedruckte Valentines-Grüße von Liz Climo, die ich sehr mag (hier mein Lieblingscartoon von ihr).

Ein doppeltes Dankeschön …

… an Julia für gleich zwei Bücher von meinem Wunschzettel – und auch für die Genesungswünsche, haben geholfen!

Von Kazuo Ishiguro las ich vor Ewigkeiten Never Let Me Go und fand es großartig. Sein The Remains of the Day steht seitdem auf dem Wunschzettel als eins von diesen Büchern, auf die ich schlicht warte, bis sie mir jemand schenkt. Irgendwann hätte ich es mir selbst gekauft, aber, ihr kennt das, es kommen ja immer neue Bücher hinzu, das hört nie auf, verdammtes Feuilleton, blöde Blogs, stupid Twitter, und so rutschte Ishiguro immer weiter nach hinten und ich holte ihn alle sechs Monate wieder nach vorne, weil ich ihn wirklich gerne haben wollte, aber es auch irgendwie nett fand, so lange auf ihn zu warten. Ja, das ergibt keinen Sinn, aber ich hatte das Gefühl, das Buch hätte es verdient, auf es zu warten.

Ich habe eben selbst sehr erstaunt beim Verlinken des Blogeintrags zu Never Let Me Go festgestellt, dass ich auf dieses Buch dreizehn Jahre gewartet habe.

Das zweite Buch steht erst seit letzten Jahr auf dem Wunschzettel, und zwar weil ich es auf Instagram bei Marguerite Joly gesehen hatte: Pachinko von Min Jin Lee. Mit dem Stichwort „Familiengeschichte“ kriegt man mich ja immer, obwohl nach Middlesex, den Buddenbrooks, Krieg und Frieden und Unendlicher Spaß sehr lange nichts mehr kommt. Aber ich lasse mich gern überraschen, und zum Thema Japan und Korea habe ich, glaube ich, noch nicht viel gelesen.

Vielen Dank für die Geschenke, ich habe mich sehr gefreut!