Nachtrag: Was schön war, Dienstag, 11. Oktober 2016 – Madrid, Tag 2: Albora

Wenn wir einen Städtetrip machen, gucken wir gerne, ob die Möglichkeit besteht, ein Fußballspiel zu besuchen und außerdem, ob es ein nettes, bezahlbares Sternerestaurant um die Ecke gibt. Letzteres hat in Madrid im Gegensatz zum Fuppes geklappt – wir haben uns das achtgängige Menü im Albora gegönnt.

Was ich in Madrid ungewohnt und unerwartet fand: dass viele Menschen kaum oder gar kein Englisch sprechen. Hier hatten wir einen Kellner, der offensichtlich auswendig gelernt hatte, was er uns auf Englisch erzählen soll; bei Fragen war seine Sprache aber schon am Ende. War aber egal, wir waren zum Essen und nicht zum Quatschen hier. Einen Abend später hatten wir im Samarkanda eine Kellnerin, die uns zwar die englische Karte brachte, aber anscheinend nicht verstand, was in ihr stand; sie notierte sich buchstabengenau, was wir ihr zeigten. Hat auch funktioniert.

Das Albora ist eine schöne Mischung zwischen schick und schnuffig, die Decken sind niedrig, wodurch man sich angenehm unterhalten kann, das Essen war (bis auf kleine Ausreißer, die mein Gesamturteil aber nicht schmälern konnten) hervorragend, die Weine bis auf einen sehr gut, und das einzige, was ich wirklich zu bemängeln hätte, war das Tempo. Das war doch recht zackig, wir waren mit den acht Gängen plus Gruß aus der Küche, süßem Rausschmeißer und Espresso in knapp zweieinhalb Stunden durch.

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Der Teller zum Reinkommen – oder eher die Schieferplatte; das Zeug kann ich ja auch nicht mehr sehen: von rechts nach links knusprige Sardine, aufgeplusterter Mais mit Gurke und Meerrettich (lustig im Mund), das in der Mitte hab ich vergessen (Fisch?), irgendwas mit viel Käse (eher unlustig im Mund) und ein herrlicher Apfel-Blutwurst-Macaron. Bei Macarons habe ich immer ein schlechtes Gewissen beim Essen, weil sie so wunderschön aussehen. Also bevor man sie isst.

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Über den Serviervorschlag musste ich auch grinsen, weil es sich fast steinzeitlich anfühlte, aus diesem Klotz zu essen. Unter dem Blumenkohlschaum verbargen sich Schwertmuscheln und, laut Speisekarte, seafood curd. Den muss ich nicht noch mal essen. Das war wie Meeresboden ablecken; alles an Fischigem püriert und (gefühlt) ein bisschen Sand untergemischt.

Dafür war der Wein ein schöner Beginn: der Laxas Rias Baixas Albarino 2015 hatte viel unaufdringliche Aprikose. Die Weine hat sich F. allen Ernstes gemerkt, das kleine Elefantengehirn. Ich habe keine Tasting-Notizen gemacht, weil ich essen und trinken und so gerade noch fotografieren wollte, aber nichts aufschreiben. Deswegen habe ich auch in Madrid nicht gebloggt, weil ich gucken wollte, ohne schon im Hinterkopf den Blogeintrag auszuformulieren. (Hab ich natürlich trotzdem gemacht.)

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Ein kleiner Salat aus eingelegtem Perlhuhn mit Langustinen. Sah hübsch aus, ich hatte nichts am Teller zu meckern und am Essen noch weniger. Der Wein war mein Lieblingsweißwein des Abends: Im Carramimbre Rueda Verdejo 2015 war so richtig schön Grapefruit drin, die lange im Gaumen blieb. Kiste kaufen wollen.

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Umami pur mit Umami drunter: Wildpilze auf geräuchertem Eigelb. Das war schon fast zu intensiv an Aroma, aber der Verdejo kam gut damit klar.

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Garnelen in Babyoktopusbrühe (klingt schlimmer als es schmeckte) und Kohlrabi, der in Meeresfrüchteconsommé eingelegt wurde. Die Garnelen fand ich super, bei der Brühe musste ich mich etwas überwinden, aber das mag daran liegen, dass ich keine regelmäßige Fisch- und Meereszeugesserin bin. Genau deshalb bestelle ich ja diese Menüs, um aus meiner Rind- und Lammkomfortzone rauszukommen.

Der Wein war das einzige Meh des Abends, ein eher belangloser Manuel Manzaneque Finca Elez Chardonnay 2015.

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Mein Lieblingsgang, von dem ich blöderweise nicht mehr weiß, was er war. *patsch* Auf der Speisekarte stand nur fish of the day, er war weißfleischig (offensichtlich), schön fest, sehr zart und gerade mal mit einem Hauch Salz gewürzt. Er schmeckte frisch und nach Meer und nach Fisch, aber nicht fischig, und war ganz, ganz großartig. Erinnerte mich an das Rindfleisch im Theresa, was auch einfach nur schnickschnacklos nach Rindfleisch schmeckt. Dazu gab’s Avocado und Kartoffeln, womit man bei mir eh immer offene Türen einrennt, und ich war glücklich. Selbst der olle Chardonnay konnte hier mithalten.

(Edit: Alleswisser F. dee-emmt gerade: Der Fisch war Loup de Mer. Nächstes Mal frage ich ihn gleich, anstatt mich im Blog als Schrumpfkopf zu outen.)

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Kaninchen mit Kaffee, Schokolade und Leberschaum. Ich bin bei nicht-süßer Schokolade meist recht skeptisch, aber die hier war perfekt ausgewogen. Sie fing lieblich an, hörte aber wild-saftig-deftig auf, und der Leberschaum hat auch nicht so fies nach Leber geschmeckt wie es sich anhört. (Ich mag Leber.)

Jetzt ging’s mit den Rotweinen los. Zum Häschen gab’s einen wohlschmeckenden Pedrosa „Cepa Gavilán“ Crianza 2013.

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Noch mehr Wild, dieses Mal Hirsch, dazu rote Bete, schwarze Oliven und Mangold. Die Jogurtkleckse dazu waren der Hammer. Der Kellner fragte uns, ob wir den Tempranillo weitertrinken oder zu diesem Gang eventuell einen Rioja haben wollten, und wo wir schon mal da waren, nahmen wir natürlich einen Rioja. Wenn man uns so fragt. Ts. Der war auch richtig gut, schön tief und hach.

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Und schon waren wir beim Dessert. Hier hätte ich mir, wie angesprochen, eine kleine Pause gewünscht, aber nix da, es wurden gnadenlos Zitronen- und Ingwereiscreme mit Rosmarinschlotz („slush“) aufgetragen. Dazu gab’s einen Sherry, den ich absolut nicht austrinken konnte, so schwer war er. Ein leichter Süßwein wäre jetzt nett gewesen.

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Okay. Der Maiskolben da ist Maiseis und war großartig. Drumrum liegt Popcorn und weiteres süß-salziges Maiszeug, was auch toll war. Das Graue ist auch Eis, und ich fand graues Eis optisch so attraktiv und ausgefallen, dass ich völlig vergessen hatte, dass ich Trüffeln eher skeptisch gegenüberstehe. So war es auch hier; das Trüffeleis mochte ich überhaupt nicht, aber mit dem Mais zusammen ging’s runter. Ein leichter Süßwein wäre jetzt nett gewesen.

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Und dann warf man uns noch etwas lieblos ein paar Kleinigkeiten hin, die alle sehr schmackhaft waren, aber es wurde uns doch zu verstehen gegeben, dass nach uns vielleicht noch jemand anders den Tisch haben wollte. Es war überhaupt überraschend voll. Gut, am nächsten Tag war Nationalfeiertag, weswegen niemand früh ins Bettchen musste, aber dass noch Reservierungen für 23 Uhr angenommen wurden, fand ich sehr ungewohnt. Wir tranken trotzdem noch einen Espresso und verließen dann äußerst entspannt und satt das Lokal, um zur U-Bahn zu gehen.

Wir stiegen in Atocha aus, ich warf wieder sinnlos Pokébälle durch die Gegend und versuchte ebenso sinnlos, eine Arena zu erobern, denn das hatte noch nie geklappt. Und was soll ich sagen? Diesmal klappte es, dank meiner tollen türkisen Drachenkatze. (Das ist eine türkise Drachenkatze. Fresse.) Ich freute mich sehr: Meine erste Arena, die mir immerhin ungefähr 45 Minuten gehörte, war ausgerechnet der tolle Atocha-Bahnhof.

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Wir waren den ganzen Vormittag und den frühen Nachmittag im Prado gewesen, danach waren wir durch den botanischen Garten spaziert, dann hatten wir uns etwas ausgeruht (yay for Kuscheln!), bis wir uns langsam feinmachten und zum Essen fuhren. Und als Tagesabschluss hatte ich meine erste Arena erobert. Das war rundherum ein ganz wundervoller Tag.