Was schön war, Sonntag, 27. August 2017 – In der Bäckerei

Ich kam morgens von F. nach Hause und wollte die üblichen zwei Croissants in der Bäckerei kurz vor meiner Haustür kaufen. So will es das Gesetz, wenn ich von F. komme. Ich bestellte also, als die Dame hinter der Theke mich ansprach:

„Sind Sie das, die hier immer morgens zum Walken vorbeikommt? Ja, oder?“

Ich so: „Äh. Ja.“ (Huch?)

Verkäuferin: „Find ich toll. Noch im Dunkeln. Respekt.“

Ich so: „Äh. Ja. Danke!“

Verkäuferin: „Viel Erfolg noch.“

Ich so: „Äh. Ja. Danke!“ (Bei was?)

Ich ahne, dass die freundliche Frau mir Erfolg beim Abnehmen gewünscht hat, aber das weiß ich nicht. Vielleicht hat sie mir auch Erfolg bei der Vorbereitung zum Extremmarsch in den Alpen gewünscht, das würde ich viel toller finden. Ich bilde mir jetzt ein, dass sie das gemeint hat, denn wenn ich abnehmen wollen würde, würde ich vermutlich keine Croissants kaufen. Auch dies fiel mir innerhalb von den üblichen Millisekunden ein, die mich weiterhin ab und zu erwischen, wenn irgendwas den Gedanken an Diäten auslöst: Ich will nicht abnehmen, ich will Croissants essen, weil Croissants glücklicher machen als eine kleinere Zahl auf der Waage. Ich weiß das inzwischen, auch wenn es 25 Jahre gedauert hat, bis ich es mir endlich gemerkt habe.

Mir fiel im Laufe des Tages mal wieder ein Geburtstagsgeschenk ein, das mir meine Eltern mal gemacht haben; ich muss immer daran denken, wenn ich im Supermarkt Apfelmus kaufe, denn ich liebe Apfelmus. Als ich noch kleiner war, unter zehn, schätze ich, haben meine Eltern mich mal gefragt, was ich mir zum Geburtstag wünsche. Und weil mir außer dem üblichen EINE MILLION BÜCHER, die ich sowieso immer gekriegt habe, nichts mehr einfiel, sagte ich: einen Topf Apfelmus, von Mama gekocht. Und den bekam ich auch.

Ich frage mich im Nachhinein, wann das passiert ist, dass Essen kein Glück mehr für mich war, sondern ein Unglück, eine Sünde, etwas Fürchterliches, was man unbedingt vermeiden muss. Ich weiß es nicht mehr genau, aber ich war wieder kurz traurig darüber. Ich wäre vielleicht ein anderer Mensch geworden, wenn ich mich früher hätte annehmen können wie ich nun einmal bin, mit allen Macken und Gelüsten, aber eben auch gleichzeitig mit allen Talenten und Stärken. Die habe ich nämlich nie wahrgenommen, so lange ich damit beschäftigt war, mich scheiße zu finden, weil ich dick bin. Andererseits bin ich heute sehr glücklich mit dem Menschen, der ich jetzt bin, auch wenn ich natürlich an ein paar Sachen an mir etwas auszusetzen habe. Das ist inzwischen aber eher die mangelnde Fähigkeit, mir Namen und Werke von Künstler*innen länger als fünf Minuten zu merken, weswegen ich alles aufschreiben und nachschlagen muss. Es ist nicht mehr der dicke Hintern. Ganz im Gegenteil; auf den und alles andere, das meinen Körper bildet, passe ich heute auf. Ich bin nett zu ihm, kümmere mich um ihn, bewege ihn und füttere ihn – mit Essen, das ihn glücklich macht. Zum Beispiel Croissants. Nie wieder ohne.