Was schön war, Donnerstag, 23. August 2018 – Rührung

Als ich am Dienstag meinen Blogeintrag mit meinem Wohnungsglück veröffentlichte, meldeten sich sofort einige Leute, die Umzugshilfe anboten. Das rührte mich sehr, ich lehnte aber immer mit den Worten ab: „Das lasse ich Profis machen.“ Mit denen war ich nämlich äußerst entspannt von Hamburg nach München gezogen, und auch den zweiten Teil des Umzugs (restliche Kisten und Möbel zu meinen Eltern) hatten sie perfekt erledigt. Die verlinkte Firma hat übrigens auch gerade Kais Umzug durchgeführt, und der Herr, der vorher bei ihm vorbeischaute, um zu überprüfen, ob die Angaben zur Umzugsgutmenge auch halbwegs stimmten, konnte sich noch an meinen Umzug erinnern und ließ mich grüßen. Süß.

Am Mittwoch hatte ich mir einen Kostenvoranschlag von einer Münchner Firma geben lassen, die ebenfalls hervorragende Wertungen online hat und die mir empfohlen wurde. Ich war sehr erstaunt, dass dieser Umzug ein Stockwerk tiefer im gleichen Haus fast doppelt so teuer werden sollte als der von Hamburg nach München – abzüglich der Fahrtkosten natürlich, die damals den größten Posten ausgemacht hatten. Daher rang ich doch sehr mit der Beauftragung und dachte abends, ob ich vielleicht doch auf die freundlichen Angebote zurückkommen sollte. Packen wollte ich eh wieder selbst, aber schleppen will ich auf keinen Fall, auch nicht nur ein Stockwerk. Lampen, Kissen, meine Espressomaschine, das geht alles, aber 60 Kisten und die Möbel – nope. Also fragte ich kleinlaut F., der eh von Anfang an meinte, er hätte da schon drei, vier Leute, die er fragen könnte, denen er bei Umzügen geholfen habe. Die sagten auch sofort zu, zwei weitere, denen ich eigentlich abgesagt hatte, auch, und dann kam noch jemand um die Ecke, mit dem ich auch nicht gerechnet hatte. Eigentlich hatte ich mit gar keinen Angeboten gerechnet, denn wer bietet schon freiwillig Hilfe bei fieser Arbeit an? Ich war äußerst gerührt davon, dass Menschen, mit denen ich dreimal im Jahr in ein Fußballstadion gehe, von sich aus sagen, ja klar schleppe ich dir zwei Tonnen Zeug an meinem freien Tag. Menschen. Doch toll. (Ja, das gilt euch. Ich weiß, dass ihr mitlest. Ihr kriegt aber auch noch weinerliche Dankes-Mails – und den durchgetakteten Plan, zackzack! MIT GRUNDRISS UND ARBEITSANWEISUNGEN!)

Die Arbeit lief etwas besser als am Tag vorher. Nach dem späten Feierabend vorgestern begann mein Tag gestern früh, denn ich wollte bis 9 ein paar Dinge abgeliefert haben, weswegen ich ab 7 am Schreibtisch saß. Wer früher aufsteht, kriegt früher Kaffee! Wieder was gelernt.

Nachmittags besuchten mich meine Verwalter mit einer eventuellen Nachmieterin. Mir wurde nahegelegt, die Wohnung vorzeigbar zu gestalten, was sie natürlich immer ist (halbwegs). Durchgeputzt hatte ich allerdings nicht; bei 30 Grad geht meine Putzlust total gegen Null. Die junge Dame war interessiert, guckte aus meinen jeweiligen Fenstern, freute sich – wie ich mich damals – über ein verhältnismäßig riesiges Bad (in weiß, MISS YOU ALREADY) und die Abstellkammer, ich besprach noch Dinge mit den Verwaltern, dann gingen alle und ich begann meine Abendbrotvorbereitungen. Dabei entdeckte ich einen Faux-pas, bei dem ich nachträglich gerne die junge Dame gefragt hätte, ob er ihr aufgefallen war.

Mittags gab’s bei mir nämlich leckeres Rührei mit Tomaten und Champignons, und ich toastete mir zwei Scheiben Brot dazu. Für das Instagrambild legte ich aber nur eine Scheibe auf den Teller und ging nach dem Fotografieren in der Küche entspannt aufs Sofa. Ihr ahnt, was passiert ist: Bei der Besichtigung steckte noch eine Scheibe Toast im Toaster, und ich habe keine Ahnung, was das für einen Eindruck macht. Ist aber auch egal, ist nicht mein Problem. Die Scheibe esse ich gerade zum Frühstück, denn zum Abendbrot – asiatisch angehauchtes Rindfleisch – passte sie nicht so recht.

(Social Media wird uns alle ruinieren.)

Was den Blick verstellt

In der gestrigen FAZ stand ein interessanter Buchausschnitt aus Warum es kein islamisches Mittelalter gab: Das Erbe der Antike und der Orient von Thomas Bauer. Ich zitiere faul: „Halb Spätantike, halb Aufbruch: Wenn man die Geschichte Europas in einen weitgefassten Kulturraum einbetten will, der auch den Orient einschließt, sollte man sich vom Begriff des Mittelalters verabschieden. Ein Gastbeitrag.“

„Bleibt die Frage, wie die Epoche nach dem Ende der formativen Periode der ausgehenden Spätantike im elften Jahrhundert zu nennen ist. Dazu ist es aber nötig, zu fragen, wann wiederum diese Epoche zu Ende geht, eine Frage, die wesentlich schwerer zu beantworten ist, als es auf den ersten Blick aussieht.

Prinzipiell kommen zwei Antworten in Frage. Das erste mögliche Datum für eine Epochengrenze nach 1050 ist der Zeitraum um das Jahr 1500, mit dem man auch konventionell das „Mittelalter“ enden lässt. Tatsächlich gibt es eine Häufung wichtiger historischer Daten um diese Zeit. Um nur die bekanntesten zu nennen: 1453 erobern die Osmanen Konstantinopel, 1492 bricht Kolumbus zu seiner ersten Entdeckungsfahrt Richtung Amerika auf. Im selben Jahr fällt Granada, das letzte islamische Königreich auf der Iberischen Halbinsel. 1501 treten die Safawiden die Herrschaft über Iran an, wenig später entsteht östlich davon das Mogulreich. 1517 erobern die Osmanen das Mamlukenreich, im selben Jahr veröffentlicht Martin Luther seine 95 Thesen.

Allerdings gibt es auch Einwände gegen eine Epochenzäsur um 1500. Ein wichtiger Einspruch kommt von Jacques Le Goff, der in seinem Buch „Geschichte ohne Epochen“ etwa darauf hinweist, dass sich die Entdeckung Amerikas erst um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts wirklich spürbar in Europa bemerkbar machte. Le Goffs Einspruch gegen eine Epochengrenze um 1500 liegt auf der hier verfolgten Linie, nicht spektakuläre Ereignisse, die eine langfristige Entwicklung einleiten, zur Epochengrenze zu machen, sondern eine solche Grenze erst dann zu ziehen, wenn diese Auswirkungen allgemein geworden sind. So betrachtet lassen sich auch einige der übrigen genannten Ereignisse relativieren. Der Fall Granadas etwa ist nur der letzte Akt einer langen Entwicklung und überdies vor allem von regionalgeschichtlicher (wenngleich von hoher symbolischer) Bedeutung, das Oströmische Reich hatte ebenfalls lange zuvor seine alte Bedeutung eingebüßt, und Luthers Thesen – ein Einzelereignis im Laufe einer langen Reformationsgeschichte – entfalteten ihre Wirkung erst allmählich.

Andererseits machte sich die Eroberung Granadas für die jüdische und muslimische Bevölkerung der Iberischen Halbinsel, die zwangsbekehrt oder vertrieben wurde, doch sehr unmittelbar bemerkbar. Auch für die Bevölkerung Irans war der Herrschaftsantritt der Safawiden mehr als nur ein Dynastiewechsel, verfolgten diese doch, anders als ihre diversen sunnitischen oder schiitischen Vorgänger, eine offensiv proschiitische Religionspolitik. Kurz nach 1500 hatten sich drei Großreiche der islamischen Welt konsolidiert: das Mogulreich im Osten, das der Osmanen im Westen und dazwischen das der Safawiden. Dass sich diese Konstellation auch auf Alltag, Kunst und Kultur auswirkte, steht außer Zweifel. Ganz übergehen lässt sich die Zeit um 1500 also nicht, wenn man über Epochengrenzen nachdenkt.“