Tagebuch Montag, 19. November 2018 – Lampenfrust

Morgens fügte ich noch die fehlenden Links zum Fehlfarben-Blogeintrag ein – bei mir und im offiziellen Blog –, die F. erst am späten Sonntagabend produzieren konnte. Florian übernimmt bei uns Aufnahme und Nachbereitung der Datei, F(elix) das Hochladen an relevante Stellen und ich schreibe den Blogeintrag, für den ich auf die Jungs warten muss, weil ich mir die komplette Aufnahme noch einmal anhöre für die Zeitmarkierungen (wann trinken wir welchen Wein, wann sprechen wir über welche Ausstellung). Das mache ich sehr gerne, aber Sonntag abend hatte ich keine Lust mehr aufs Internet und deswegen kam der Eintrag auch erst Montag früh anstatt Sonntag gegen 22 Uhr, wo eh niemand zuhört oder auf unsere Links auf Twitter reagiert.

Da vermutlich nicht viele von euch zuhören: Die Ausstellung Weltempfänger im Kunstbau des Lenbachhauses lege ich euch wirklich ans Herz, vor allem wegen Georgiana Houghton, die im viktorianischen England (!) abstrakt (!) gemalt hat. Sie hat ihre Werke dusseligerweise als Bilder angepriesen, die ihr Geister aus dem Jenseits in die Hände diktiert haben, und so werden sie heute auch noch ausgestellt (die Dame ist erst seit 2014, wenn ich mir das richtig gemerkt habe, der Kunstgeschichte ein Begriff). Ich stellte im Podcast die Vermutung an, dass dieser Umweg für sie vielleicht der einzige war, ihre Bilder überhaupt öffentlich zeigen zu können (was sie nur einmal auf eigene Kosten 1871 tat), denn, auch das erwähne ich: Wir waren noch nicht mal richtig im Impressionismus, und schon mit dem kam kaum jemand zurecht. Und da ist auf einmal eine Frau OMG EINE FRAU, die Formen malt, die man so nicht kennt.

Es ist ein bisschen schwierig, sich von dem Eso- und Geisterzeug freizumachen, aber meiner Meinung nach kann man die Bilder auch so würdigen. Die SZ beschreibt das ganz schön:

„Dass die Schau mit “Weltempfänger” betitelt ist, irritiert zunächst, geht es doch den Künstlerinnen darum, Botschaften aus einem Jenseits einzufangen. Der Begriff bildet andererseits durchaus den fast wissenschaftlichen Anspruch dieser Künstlerinnen ab, die nicht etwa auf der Reise ins Jenseits waren, sondern sich als Instrumente verstanden, um unsichtbare, aber durchaus reale Erscheinungen wahrzunehmen. Lange hat die Kunstgeschichte solche Werke als “Effekte” abgetan und sich mit der Diskussion, ob die Abstraktionen einer Hilma af Klint nun wirklich abstrakt gemeint waren, aufgehalten: Schließlich hätte man dann die Erfindung der Abstraktion einer Frau zuschreiben müssen.

Doch die Ausstellung blickt bereits zurück auf anderthalb Jahrzehnte der Debatte. Die Frage eines verbindlichen “Kanons” der Kunstgeschichte hat sich in den vergangenen Jahren ohnehin aufgelöst, in denen vor allem die zeitgenössische Kunst neugierig über die Peripherie ihrer eigenen Begrenzungen hinaus geschaut hat und in Folge viele bislang marginalisierte Werke international gewürdigt, aufgearbeitet und diskutiert werden.“

Mein erster Tagesordnungspunkt war: endlich mal zum Ikea nach Eching zu fahren, um die noch fehlenden drei bis fünf Lampen für meine Decken zu kaufen. Im Arbeitszimmer leuchtet bereits diese Viererschiene, wenn meine Schreibtischlampe nicht mehr reicht, und für Bad und Flur wollte ich nun Zweierschienen, für Schlafzimmer und Bibliothek auch, wenn noch welche da wären, sonst kommt da gar nichts hin, in den Zimmern stehen genug Steh- und Tischlampen rum. Bei meinem Stammikea in Brunnthal hatte man mir gesagt, die Zweierspots gebe es nur noch in Eching, und so machte ich mich gestern auf den beschwerlichen Weg. Beschwerlich, weil Eching quasi im Niemandsland liegt, jedenfalls wenn man sich den Plan für die Buslinie anschaut, die einen von der S-Bahn-Station in die Nähe des Möbelhauses bringen soll.

Ich vermisste für eine Sekunde ein Auto, stand so aber an der Bushaltestelle und las weiter Feuchtwangers Exil. Je länger das Buch dauert, desto anstrengender wird es, ich erwähnte es bereits, ich erwähne das auch weiterhin, denn das Buch ist fantastisch und ihr müsst das alle lesen.

Irgendwann war ich dann bei Ikea, wo ich, fast wie erwartet, feststellen musste, dass auch dort keine Zweiterspots mehr vorhanden waren. Ich hatte sie auch online schon seit Wochen nicht mehr gefunden, und nun stand ich vor Ort und ahnte, dass ich sie nirgends mehr finden würde. Das erzählte mir auch bedauernd eine Mitarbeiterin, und so kaufte ich eine Badematte, zwei Teller und zwei Packungen bunte Servietten und war frustriert. An der Kasse dann nicht mehr so, weil ich ausnahmsweise bei Ikea – BEI IKEA! – bar bezahlen konnte statt mit Karte, weil ich so wenig erstanden hatte.

Auf den Bus zur S-Bahn Eching hätte ich 40 Minuten warten müssen, aber der in die Gegenrichtung fuhr schon in zehn. Also nahm ich den und ließ mich zur S-Bahn Neufahrn chauffieren. Ich kam mir vor wie nach einer Weltumsegelung, als ich endlich wieder zuhause war und nun begann, im Internet nach weißen Deckenspots zu suchen, die möglichst unauffällig und nicht scheiße aussahen. Inzwischen weiß ich, dass es von Philips und von Prediger welche gibt, die fast genauso aussehen wie die von Ikea, aber natürlich das Vierfache kosten. Ich bewege das noch etwas in meinem Herzen und lebe weiterhin mit nackten Glühbirnen im Bad und im Flur.

Immerhin konnte mich mein Essen trösten, das ich, wie ich erst heute morgen beim Rüberkopieren vom iPhone feststellte, arg unscharf fotografierte.

Auf der langen Rückfahrt konnte ich nämlich schön über mein Essen nachdenken, und ich wusste, der Brokkoli musste weg, genau wie die Petersilienwurzeln. Mit letzteren wird bei Masterchef quasi dauernd gekocht, und meistens kommt Püree raus, aber auch gerne frittierte Chips, die man dekorativ auf alles legen kann. Eigentlich wollte ich dazu noch Hasselback-Kartoffeln machen, aber für den Brokkoli hatte ich mir schon die Zubereitung im Ofen ausgesucht und zwei Bleche im Ofen sind doof. Also machte ich Püree, was sowieso nach Gratin die tollste Zubereitungsart für Kartoffeln ist. Im Hinterkopf poppte noch ein Rezept herum, das ich vor wenigen Tagen bei Chestnut & Sage entdeckt hatte: Pasta mit Walnusspesto und Radicchio. Ich hatte nämlich auch noch einen Radicchio im Kühlschrank, und aus dem machte ich einfach mit einem winzigen Schuss Olivenöl eine Chiffonade. Der Brokkoli kam mit Öl und Zitronensaft in den Ofen, das Püree wurde mit Milch und Butter verfeinert, die dünn geschnittenen Petersilienwurzeln wurden einfach nur in Sonnenblumenöl frittiert und gesalzen und fertig war ein Festessen.

„Nach einer Weile fasste sich Riemann, lächelte verlegen, als wolle er seinen Ausbruch entschuldigen, und wurde wieder zum Staatsrat. Später begann er sachlich aufzuzählen, was alles er in Deutschland den Widerständen zum Trotz habe durchsetzen und wie viele verdiente Musiker er habe retten können. Doch Trautwein ließ nicht mit sich feilschen. Unerbittlich konstatierte er: ‚Vor der Musikgeschichte kommen Sie damit nicht durch. Es gibt keine unpolitische Musik. Wenn Sie heute als Musikdirektor des Dritten Reichs Musik machen, dann machen Sie schlechte Musik, und wenn sie noch so gut ist. Wer für gemeine Ohren Musik macht, macht gemeine Musik.‘“

Lion Feuchtwanger: Exil, Berlin 2012 (Erstausgabe 1940), S. 395.

Ersetze „Musik“ durch „Kunst“ und du hast ein Zitat, das du vorne auf deine Diss schreiben kannst.