Was schön war, Mittwoch, 28. November 2018 – Nett ist nicht die kleine Schwester von scheiße!

Der gestrige Tag war nämlich nett. So rundrum.

Zwei Minuten vor dem Wecker aufgewacht, was ich immer als perfekt empfinde: Ich bin rechtzeitig wach, aber von alleine und nicht, weil neben mir ein akustisches Feuerwerk losgeht. Der Milchschaum zum Kaffee war sehr gut, nicht perfekt, aber sehr gut. Ab 9 habe ich brav am Schreibtisch gesessen, vernünftig angezogen und nicht in Schlumpfklamotten, genau wie schon Dienstag, weil ich gerade wieder ganztägig gebucht bin. Sogar in Jeans und nicht in Leggings, weil ich auf den Postboten gewartet habe, der natürlich erst dann kommen wird, wenn ich wieder in Schlumpfklamotten auf dem Sofa liege.

Mittags hatte ich einen Kundentermin mit einer Dame, die nicht aus München kommt, aber für einen anderen Termin in der Stadt war und man könne sich doch mal kennenlernen (wir haben bisher nur per Mail oder Telefon kommuniziert). Ich schlug ein Café vor, aus Gründen wurde es ein anderes, nämlich das Café Glockenspiel direkt am Marienplatz, von dem man, wenn man Glück hat, einen totalen Panoramablick aufs Rathaus hat.

Zum Café fährt man in den fünften Stock und lässt sich platzieren, denn es ist immer voll. Unglaublicherweise bekamen wir ernsthaft einen Fensterplatz, zwar ganz in der Ecke, aber FENSTERPLATZ! Die Kundin setzte sich auf die Bank an der Wand und so hatte ich den Stuhl AM FENSTER! Das musste ich natürlich total professionell erstmal instagrammen, aber halt nur fix aus dem Handgelenk, daher sind die Bilder weder entzerrt noch irgendwie auf irgendwas fokussiert. Scheißegal, von oben auf was runtergucken! Supi. Ich musste mich eine Stunde lang irrwitzig zusammenreißen, um nicht ständig den Blick von den Unterlagen oder der Gesprächspartnerin abzuwenden, weil ich so gerne weiter aufs Rathaus geguckt hätte, das ich aus dieser Höhe halt sonst nie sehe. Man läuft dann ja doch eher unten rum und guckt um 11 Uhr ruckartig nach oben, wenn das Glockenspiel losgeht bzw. wenn einem die ganzen Reisegruppen plötzlich im Weg stehen. (Momentan steht einem der Weihnachtsmarkt im Weg.)


Das Meeting war nett, auch wenn ich mir etwas albern dabei vorkam, an einem engen Zweiertisch meinen Laptop aufzuklappen und in den Cafélärm hinein Ideen zu präsentieren. Immerhin waren ein paar gute Ideen dabei, und damit hatte ich gestern nachmittag überraschend frei, weil ich jetzt erstmal auf anständiges Feedback warten soll anstatt noch eine Runde auszudenken.

Diese überraschende Freizeit nutzte ich selbstverständlich dazu, auf dem Sofa zu sitzen und ins Internet zu gucken, wo die neue Folge Masterchef – The Professionals bereitlag. Ich erwähnte die Sendung mit ihrem Skills Test schon einmal, wo ausgezeichnete bzw. in dieser Staffel auch Michelin-besternte Köch*innen erstmal vorkochen, was sie von ihren unvorbereiteten Kandidat*innen dann nachgekocht haben wollen. Gestern gab’s zunächst Tortellini mit Sauce chasseur – oder wie ich inzwischen weiß: Jägersauce. Vor allem weiß ich jetzt, wie man die anständig kocht. Tomaten! Da sind Tomaten drin! Noch nie aus der Pilzpampe rausgeschmeckt, die man in Landgasthöfen gerne mal aus der Dose übers Schnitzel kriegt. Jedenfalls schaute ich fünf Minuten lang Marcus Wareing dabei zu, wie er entspannt Nudelteig ausrollte und Tortellini mit einem Wurstbrät füllte, Schalotten zerkleinerte, die Sauce abschmeckte und schließlich einen eher rustikalen, aber doch feinen Teller servierte. Das klingt komisch, ich weiß, aber es machte mir eine solche Freude, ein schlichtes Gericht scheinbar perfekt und ruhig zubereitet vor mir zu sehen, auch wenn ich es nicht riechen oder schmecken konnte. Es war schlicht schön, jemandem bei etwas zuzuschauen, was er anscheinend verdammt gut kann. Mir gefällt an dieser Staffel besonders, dass die Kandidat*innen keinen komplett ausgefallenen Kram nachbauen müssen, sondern Dinge, die ich auch selbst hinkriegen würde. Nie in der Schönheit und vermutlich erst recht nicht in der Tiefe des Geschmacks, aber das ist Alltagsküche, wenn auch gehobene. Ich fand das alles sehr schön. (Und danach lernte ich, was Austern Rockefeller sind, was eher keine Alltagsküche ist.)

Den Abend verbrachte ich in äußerst angenehmer Gesellschaft im Obacht, einem kleinen Lokal in meiner Nachbarschaft, das sich auch bewusst als Nachbarschaftskneipe etabliert hat. Kein Schnickschnack, simples, aber gutes Essen, natürlich das beste Bier der Stadt und dazu, für mich immer ein wichtiges Kriterium, bequeme Sitzgelegenheiten. Wie ich gestern zum ersten Mal bemerkte, hat der Laden noch einen Vorteil bzw. eine totale Nettigkeit, die bei mir Sympathiepunkte bis ganz weit oben bringt: Auf dem Damenklo stehen nicht nur Handcreme und Deo rum, sondern es liegen auch Tampons aus. Für lau. Weil der Laden halt nett ist.