Tagebuch Freitag, 1. Februar 2019 – Solotheater

ES IST SCHON FEBRUAR? WIR HATTEN DOCH GERADE ERST WEIHNACHTEN? Ich fühle mich sehr alt.

Wie immer am 1. des Monats erledigte ich brav Steuerkram, was man als Selbständige halt so macht, was weggearbeitet ist, ist weggearbeitet. Danach war ich für einige Stunden mit privatem Orgakram beschäftigt, bekam zu diesem Thema eine WhatsApp, über die ich sehr betrübt war, aber dafür auch ein paar Mails und DMs, die mich freuten.

Nachmittags las ich Zeitung (ich liege schon wieder hinter dem eigentlichen Zeitungstag zurück, seit ich den Wirtschaftsteil nicht mehr ungelesen wegwerfe, verdammt!) und schaute auf Netflix die Doku zum Fyre-Festival, das im letzten Jahr kurz in meinem Twitterstream aufflackerte. Bisher war ich nur ein bisschen entsetzt gewesen, nach der Doku war ich es sehr und konnte mich kaum zwischen den inneren Hashtags #KriminelleEnergie, #VeryWhitePrivilege, #HumansofLateCapitalism und #BurnItAllDown entscheiden. Meine Schadenfreude mit den angeblich so blasierten Millennials hielt sich in Grenzen, denn erstmal waren das Leute, die Geld für eine Leistung bezahlt hatten, die sie aber sowas von gar nicht erhielten. Ob die Leistung jetzt in meinen Augen komplett sinnloser Scheiß war, tut hier nichts zur Sache.

Immerhin hatte ich abends Zeit, den Kopf wieder klarzukriegen, denn ich ging ins Theater, ausnahmsweise mal alleine. Ich war schon mal alleine im Residenztheater für Kabale und Liebe gewesen, aber ansonsten immer in Begleitung, wenn ich mich richtig erinnere. Aber F. hatte Miranda Julys Der erste fiese Typ bereits gesehen und war gestern eh schon vergeben. Also las ich im Foyer der Kammerspiele, bis sich die Türen öffneten und ich in den Balkon klettern konnte. Ich hatte mir nur die günstigste Kartenkategorie gegönnt, aber die war auch völlig in Ordnung. Ich sah von meiner vorletzten Reihe im rechten Balkon zwar das rechte vordere Drittel der Bühne nicht mehr, aber ich hörte gut, und im Stück kamen genug Einblendungen auf Leinwände vor, die ich komplett sehen konnte, also alles gut.

Ich kann mich nicht erinnern, jemals so viel im Theater gelacht und zwei Minuten später Rotz und Wasser geheult zu haben. Also nicht nur die eine Alibiträne, wenn mich etwas rührt, nee, schon so mit Schniefen und Schneuzen. Mittendrin zerrte das Stück bzw. die hervorragende Inszenierung arg an meinen Nerven, wenn ich über Dinge staunte oder mich über sie aufregte (mit oder ohne die Frauen auf der Bühne, denn Kerle gab’s nicht, yay!) oder sie mich ärgerten oder beglückten. Ich saß kaum einen Moment einfach nur da, so gut waren die Dialoge und die Ereignisse, die auf der Bühne passierten und natürlich vor allem die beiden Schauspielerinnen, die Sängerin und die Videokünstlerin. Ich kam fast erschöpft nach zwei Stunden wieder an die frische Luft, so sehr konnte mich die Aufführung fesseln und mitnehmen.

Geht rein, wenn es nochmal läuft. Ganz große Empfehlung.

(Die Nachtkritik-Kritik zum Stück, allerdings voller Spoiler.)

Aus Year of Wonder: Luciano Pavarotti mit „Che gelida manina“ aus La Bohème. Nicht meine liebste Puccini-Oper, ich komme da irgendwie nie rein, aber diese Arie geht natürlich immer. Hach!