Tagebuch Mittwoch 13. März 2019 – Shopping is not (yet) creating

Am Dienstag den ersten Teil des langen, laaangen Einkaufszettels abgearbeitet. Mein Kühlschrank war danach hauptsächlich voll mit Milchprodukten. Einkaufszettel am Rechner revidiert und neu ausgedruckt.

Gestern den zweiten Teil abgearbeitet. Ein Monatsgehalt für Vanilleschoten ausgegeben. Einen U-Bahn-Wagen mit Knoblauch im Rucksack beduftet, den ich zuhause in der Küche ablegte. Habe heute morgen bemerkt, dass der Duft sich inzwischen bis ins Arbeitszimmer ausgedehnt hat. Werde den Flur jetzt mit Zitronen auslegen, dann passt das wieder.

Festgestellt, dass meine neue Brille gefühlt schlechter wird als besser. Der zunächst größte Unterschied zur alten Brille war eine stärker korrigierte Hornhautkrümmung. Die ersten Tage sah mein iPhone nicht mehr wie ein rechtwinkliges Rechteck, sondern wie ein schiefes Parallelogramm aus. Das hat sich inzwischen gegeben, aber dafür kann ich jetzt mit meiner alten Brille nicht mehr sehen, da ist jetzt alles schief, Zauberei, verdammte. Die ersten Tage war ich beglückt über die neu gewonnene Fernsicht. Gleich am ersten Tag war ich abends in Augsburg im Stadion, wo wir auf der Haupttribüne sitzen. Uns gegenüber ist die VIP-Tribüne mit den glasverkleideten Boxen, zwischen denen sich ein Stück weiße Wand befindet. Jedenfalls dachte ich bisher immer, die Wand sei weiß. Mit der neuen Brille konnte ich Sponsorennamen in heller Schrift entdecken und die meisten sogar lesen. Toll. Auch der Nahbereich ist irrsinnig scharf, am Anfang war mir der sogar zu scharf. Die Optikerin hatte mich vorgewarnt, ich müsse iPhone und Bücher jetzt vermutlich etwas weiter von mir weghalten, darauf hatte ich mich eingestellt, das ist auch so passiert. Ist aber alles noch im erträglichen Rahmen.

Was allerdings nervt, und ich behaupte, es wird immer schlechter, ist der mittlere Bereich, also genau der, für den ich eine Brille trage. Lesen kann ich auch ohne Brille, und eine wirkliche Fernsicht habe ich quasi seit 40 Jahren nicht mehr. Ich erkenne Autos, die 100 Meter von mir weg sind, aber ich kann nicht sagen, welches Modell es ist geschweige denn das Kennzeichen lesen. Ist aber egal, Hauptsache, ich sehe, dass ein Auto kommt, wenn ich über die Straße will.

Was für mich aber elementarer ist, sind Schilder in meiner Nähe. Dummerweise merkt man sich ja nie, was man vor einem Brillenwechsel gut sehen konnte und was schon nicht mehr. Gestern hatte ich endlich einen Beleg dafür, dass sich meine Augen noch weiter gewöhnen müssen oder wir nochmal an die Gläser ranmüssen. Ich habe von Anfang an gemerkt, dass ich die leuchtenden U-Bahn-Schilder, die mir sagen, welche U-Bahn in wieviel Minuten nach wohin ankommt, nur noch sehr unscharf lesen kann, wusste aber nicht mehr, ab wann ich sie scharf sah. Im Moment kann ich direkt davor stehen und sehe sie nicht scharf, was mir nicht optimal erscheint. Gestern konnte ich aber auf ein altes Wissen zurückgreifen: Am Sendlinger Tor komme ich aus dem unteren Geschoss ins mittlere, von wo man in die U3 (orangenes Quadrat auf der Anzeigentafel) oder die U6 (blaues Quadrat) umsteigen kann. Als ich noch in die Allianz-Arena gegangen bin, war das mein Weg: die Treppe von der U2 rauf, die mich genau in der Mitte des Bahnsteigs für U3 und U6 ausspuckt. Von dort reichte ein Blick nach links und rechts, wo am Bahnsteigende die Tafeln hängen, um mir zu zeigen, wann die nächste U6 nach Fröttmaning raus einfährt. Gestern merkte ich, dass ich nicht mal mehr erkennen kann, ob auf den Tafeln ein orangefarbenes oder ein blaues Quadrat vor dem weißen Streifen kommt, der eigentlich die Schrift ist. Fuck.

In der Fußgängerzone merkte ich dann, wie praktisch das ist, dass Firmen in ihre Logos investieren. Ich konnte kein einziges wirklich erkennen, wusste aber, nach welcher Form und Farbe ich suchen musste, um einen Laden zu finden, in dem ich noch nie war und von dem ich daher nicht genau wusste, auf welcher Höhe der Fußgängerzone er sich befand. Ein grünes Quadrat reichte mir dann als Anhaltspunkt, um den Body Shop zu finden, dessen weiße Schrift auf dem Quadrat ich erst lesen konnte, als ich fünf Meter davorstand. (Jetzt habe ich wieder schönes Duschgel zuhause, das nicht nach Bazooka Joe riecht, obwohl Granatapfel draufsteht.)

Der Optiker meinte, die Augen bräuchten schon ein bisschen, bis sie mit den neuen Gläsern klarkämen, aber wenn nach zwei Wochen immer noch nicht alles gut ist, bitte vorbeikommen. Das wäre morgen, aber jetzt gerade brauche ich die Brille sehr, denn ich werde morgen und übermorgen sehr viel mit sehr scharfen Messern arbeiten und wenigstens das kann ich momentan halbwegs okay erkennen. Meine Gäste am Samstag werde ich hoffentlich anhand ihrer Stimmen identifizieren können. Und Montag geht’s dann zum Optiker.

Aber hey, das Gestell ist super! Ich würde nur gerne mal wieder Fahrradfahren. Und Luise scharf sehen.

Arab men’s lived experience in and outside of Europe

Die Kulturwissenschaftlerin Asal Dardan hat für das Goethe-Institut in Schweden ein Gespräch mit drei Geflüchteten aus Syrien und Ägypten, die jetzt in Schweden und Deutschland leben, geführt. Leseempfehlung.

„Q: Before you went on the boat, did you know about these trips? Did you know that people die?

Nedal: I knew. I read up on everything and counted all the accidents, I made a mathematical calculation and came to the conclusion that 99 percent of these trips survived. I decided that I could take the risk. But after having done the trip, now I would never do it again. It was so, so, so bad.

Q: Do you want to tell me what was so bad?

Nedal: Everything. Every single thing. From the smell to the sleeping situation. The weather. Whenever something happened, like the wind blew harder, it’s always the kids you hear first. There were babies. And you hear the mothers screaming. It starts raining. And you think, if something happens, who can help? You can’t even help yourself, you know. And you have those thoughts every single moment. All you see is the sea, water and nothing but water. I keep thinking about it. I keep my old phone I had on that trip. I still have the safety vest. I bought it in Istanbul and after my trip I found out that it would not have saved me. I would have drowned instantly. I keep it to remind myself of the risk I took to come here. The situation during the war in Syria was very bad and Tunisia was also bad. I wanted something else. […]

Q: How did you deal with the lack of social contacts?

Mahdi: Well, in Kalmar I started realising that we Arabs were hanging out together. We didn’t have Swedish friends. One factor was that we didn’t speak Swedish. The other one was that Swedes didn’t really want to interact with us beyond the official level. So you have a reaction, you think they don’t want to know you so you stick to your people. This is how it went. I thought, well, I’m not really here to stay with my own people. I don’t have this feeling of Arab or Syrian identity, I just feel like I am a human being. But at the time I felt Syrian because people saw me as Syrian. So what are you going to do? I started an internship at Kalmar library and started to hang out with my co-worker. I hate saying we and them but I realised that they aren’t bad but that we are just different. It’s like nobody really wants to compromise and change, a lot of people do but it’s slow coming. I’m thinking about this equation that every Arab is a Muslim and every Muslim is a terrorist. Swedes don’t think like that but they are cautious and I guess some have made negative experiences with migrants. It takes a lot of time to build trust. For example, I live with twelve people in my corridor here in Lund and we have never hugged each other. I left for Berlin for six months and when I came back it was just like “hej” and I said, “come on man, give me a hug” and he was like, “Yeah, okay fine, I’ll give you a hug.” [laughs]

PS: Das Headline-Zitat „Shopping is not creating“ ist von Douglas Coupland, vermutlich aus Generation X, weiß ich aber nicht mehr. Schleppe ich schon zu lange mit mir herum.