Nimm mich mit!
Bisher an mir vorbeigegangen: der Teaser zu … ach, seht selbst. Die Tagline verrate ich aber schon vorher: The most astonishing adventure in the universe begins … when the world ends.
(PS: Alan Rickman spricht angeblich Marvin.)
Bisher an mir vorbeigegangen: der Teaser zu … ach, seht selbst. Die Tagline verrate ich aber schon vorher: The most astonishing adventure in the universe begins … when the world ends.
(PS: Alan Rickman spricht angeblich Marvin.)
Aktion: Anke dreht sich anscheinend extrem beknackt im Schlaf um und wacht davon auf, dass sie sich irgendwas am Hals gezerrt hat. Anke nölt kurz, aber hörbar, worauf der Kerl aufwacht, sich ebenfalls umdreht und ihr „aus Versehen“ eine reinhaut.
Reaktion: Anke schafft es, wieder einzuschlafen, trotz schmerzendem Halsdes schmerzenden Halses respektive Kiefers. Zum Ausgleich für erlittene Qualen träumt sie gefühlte zwei Stunden davon, mit Robbie Williams zu knutschen, der ihr gesteht, fülligere Frauen schon immer attraktiver gefunden zu haben als die doofen Hungerhaken. Allerdings trägt Anke im Traum ein ziemlich ekliges Paisley-Hemd mit klassischen 80er-Jahre-Schulterpolstern, das sie im wahren Leben nie, nie, niemals angezogen geschweige denn besessen hätte.
Scheißegal. Knutschen ist knutschen.
“Und dann, zehn Jahre später, stellt man fest, dass man viele Identitäten hat. Die bei den Eltern. Die dort, wo man studiert hat. Die bei Freundin A und die bei Liebhaber B. Die Job-Identität. Am Schluss weiß man nicht mehr, wer man ist. Man denkt, dass man irgendwo, hinter den Bildern, noch existiert. Und dann schreibt man ein anonymes Blog, nicht nur – aber auch – um irgendwo man selbst zu sein. Und beobachtet, wie sich auch hier die Bilder verschieben und sich die Emanationen des eigenen Seins von dem Selbst entfernen, das vielleicht nur in der Einbildung existiert.”
(Modeste in den Kommentaren bei Lyssa)
Wir sind so viel. Wir sind traurig und wir sind glücklich. Wir sind laut und wir sind ganz, ganz still. Wir sind einsam und wir sind allein. Wir sind jung und wir sind weise. Wir gehen weg, um uns zu finden, und wir kommen heim, um nach uns zu fragen. Wir weinen, wir träumen, wir lieben, wir trauern, wir hoffen, wir verstummen. Wir werden gefunden und wir werden verlassen. Wir fangen einfach an zu laufen und schauen, wo wir ankommen. Wir machen einen Plan und vergessen ihn auf dem Weg. Wir begegnen so vielen, so vielem, so viel. Wir erleben, wir begreifen, wir fragen. Wir antworten. Wir wissen. Und wir wissen gar nichts.
Auch dooce hat damit so ihre Probleme – und auf ihre Bitte, ihre Inhalte gefälligst von der Website zu nehmen, die dämlichste Antwortmail gekriegt, die je ein Textdieb geschrieben hat:
“I have successfully removed the said items on my blog. I apologize for the stolen material, but I must say you people are quite insane. How on earth does one find this stuff”¦ and in one day? You would probably take that as a compliment. Good work stalking me.”
Der Cartoonist lässt uns kurz hinter die Kulissen von GGK blicken. Ein schönes Memo von 1982 erinnert an die seligen Zeiten, in denen es noch nicht existenzbedrohend war, wenn ein Kunde keine Lust mehr hatte.
In diesem Zusammenhang: das Markenmuseum zeigt schöne Beispiele von Produktdesign und Markenentwicklung über die Jahre.
The Stepford Wives (Die Frauen von Stepford) erzählt die Geschichte einer ach so armen Karrierefrau (Nicole Kidman), die gefeuert wird und nach einem Nervenzusammenbruch mit ihrem Ehemann (Matthew Broderick) und den zwei Kiddies aufs Land zieht – nach Stepford, dem Alptraum aller normal denkenden Menschen. Denn hier sind sämtliche Frauen stets perfekt frisiert, lächeln debil ihre Göttergatten an und denken den ganzen Tag nur darüber nach, was man noch putzen oder backen könnte – während die Kerle natürlich nur die üblichen Durchschnittsmänner sind. Klar kann hier etwas nicht stimmen, und Nicole bekommt mithilfe von zwei Gleichgesinnten auch ziemlich schnell heraus, was.
Der Film hat ein recht straffes Erzähltempo; ich habe mich also immerhin nicht gelangweilt. Aber die Story selbst war mir einfach zu doof, und sie kam mir ziemlich altbacken vor. Kein Wunder, denn der Stoff ist ein Remake des Films gleichen Namens von 1975, in dem das Thema Emanzipation und wie die Männer damit umgehen, sicherlich noch aktueller war. Heute fühlt sich das Ganze seltsam unausgegoren an. Sicherlich gibt es immer noch Spacken, die sich wünschen, dass Frauen den ganzen Tag am Herd stehen und keine Widerworte haben, aber ich gehe einfach mal davon aus, dass diese Idioten in meinem Umfeld inzwischen in der Minderheit sind. Deshalb hat sich die Grundidee so blöd angefühlt, und dass Frau Kidman, selbst als sie die Wahrheit weiß, noch offenen Auges in ihr Unglück rennt, war für mich das Äquivalent zu den schreienden weiblichen Teenagern, die sich vor den Zombies immer auf den Dachboden oder in den Keller flüchten, aus dem es garantiert kein Entrinnen gibt.
Der Film soll sicherlich die Aussage haben, dass Frauen eben nicht blöd sind und dass Männer stolz darauf sein sollten, ein denkendes Wesen neben sich zu haben, aber genau das sagt er nicht. Auch das Ende, das ich in den nächsten Zeilen gnadenlos verraten werde, zahlt genau nicht auf dieses Konto ein. Denn schließlich war es ja eine Frau, die sich den ganzen Quatsch ausgedacht hat und sich nach eigener Aussage wünscht, dass Männer wieder Männer sein dürfen und Frauen wieder Frauen. Und da wären wir wieder bei der Lieblingstheorie von irgendwelchen Mackern, die uns einreden wollen, dass Frauen im Grunde ihres Herzens doch bloß staubsaugen wollen und sich nicht ihr hübsches Köpfchen mit komplizierten Sachverhalten überanstrengen müssen. Bäh. In die Tonne. Aber ganz schnell.
Fürchterlich in die Hose gegangene filmische Mischung aus Kidnapping, Todessehnsucht, verschütteten Gefühlen und mexikanischem Lokalkolorit. Denzel Washington ist ein Ex-Polizist, der nun an der Flasche hängt und einen Job als Leibwächter für ein kleines, blondes, altkluges Zuckerschnäuzchen in Mexiko übernimmt. Natürlich bricht die Kleine durch die harte Schale des Cops, der sich nachts schonmal seine Knarre an den Kopf hält und grandiose Platitüten wie “The bullet always tells the truth” absondert. Und komischerweise ist das noch gar nicht so eklig. Die erste Stunde des Films fühlt sich angenehm gefühlvoll, aber nicht zu verklebt an. Man ahnt natürlich, dass das Mädel aus den sie beschützenden Händen gerissen wird, sonst hätte die ganze Exposition ja keinen Sinn. Und als genau das passiert, wird man trotzdem überrascht, weil doch grad alle so nett beisammen sind und der Film so schön melancholisch dahinplätschert.
Aber plötzlich rutscht alles in eine blutige Metzelei ab, die nur noch nervt. Was vorher schon genervt hat, waren die üblichen Tony-Scott-Markenzeichen wie wackelige Kamera, Zeitlupe oder Zeitraffer ohne Sinn und Verstand und die komplette Unfähigkeit, sich einfach mal für zwei verdammte Sekunden auf ein Bild zu konzentrieren anstatt alles total crazy zusammenzuschneiden. Im Hintergrund laufen wahlweise und unausgegoren spanische Folklore, kreischende Gitarren, Klavier-Klassiker oder – ich konnte es kaum glauben – Lisa Gerrard, die zwar den Gladiator mit ihrem wortlosen Gesang wunderschön untermalte, hier aber komplett im falschen Film ist.
Man on Fire (Mann unter Feuer) fängt an wie eine schöne Charakterstudie und wird dann zum banalen “Ich mach euch alle fertig, ihr Blödmänner, und wenn es das letzte ist, was ich tue, so bäh”. Da können auch die guten Darsteller, allen voran Denzel Washington, nichts mehr machen. Zu lang, zu doof, zu schade. Hätte gut werden können.
Ich habe selten einen Film erlebt (erlebt, nicht nur gesehen), der mich so schnell von einer Sekunde zur anderen vom Lachen zum Weinen gebracht hat, vom amüsierten Zuschauen zum fassunglosen Nachvollziehen, von der wundervollen Leichtigkeit des Lebens zur erdrückenden Fragilität desselben. The Door in the Floor (Die Tür der Versuchung) erzählt die Geschichte … nein, schon falsch, es fühlt sich nicht mal wie eine Geschichte an. Der Film fühlt sich wie eine Momentaufnahme an, ein kleiner Einblick in eine große Story, von der wir den Anfang erst ganz zum Schluss erfahren und deren Ende uns verborgen bleibt.
Ein Ehepaar (großartig: Jeff Bridges und Kim Basinger) hat ihre halbwüchsigen Söhne bei einem Unfall verloren. Mit ihrer Nachzüglertochter ziehen sie um und wollen ein neues Leben beginnen, eingerahmt in Dutzende von Fotos der Söhnen, umgeben von alten Gewohnheiten, mit denen sie nicht brechen können oder wollen und die nun, in der Zeit der Trauer, noch stärker hervorbrechen und einen Neuanfang unmöglich machen. In ihre kleine, eingeschweißte Welt bricht ein junger Mann (unaufdringlich: Jon Foster) ein, der den Prozess der Auflösung noch beschleunigt, indem er sich Mann und Frau auf sehr unschuldige, aber ebenso präsente Weise nähert.
Der Film beginnt relativ harmlos, kleine Szenen zeigen uns die Welt, in der wir uns für die nächsten zwei Stunden begeben, aber bereits die ersten Dialoge klingen ungewohnt, ziseliert, aber seltsamerweise nicht aufgesetzt. Die Grundsituation des Films ist eine außergewöhnliche – daher dürfen die Figuren auch außergewöhnlich reagieren und sprechen. Aus diesen Satzfetzen und Eigenschaften entsteht zum Schluss ein dichtes, logisches Bild, eine Wanderung durch menschliche Gefühle, die wir mitnehmen und würdigen können. The Door in the Floor wagt es, Dinge nur anzureißen, uns mitten in verschiedene Leben hineinzuwerfen. Was wir damit machen, bleibt uns überlassen. Wir können uns gelangweilt abwenden. Wir können aber auch fasziniert und zutiefst traurig zusehen.
Wundervolles, komisches, rührseliges, unterhaltsames, spannendes, fast perfektes Animations-Spektakel aus dem Hause Dreamworks. Shrek 2 ist nicht ganz so gut wie sein Vorgänger, weil einfach die Überraschung etwas fehlt: Die Szenen, über die ich in Shrek am lautesten gelacht habe, waren die, die mit der gelernten Disney-Tradition von Friede, Freude, Eierkuchen unverschämt brachen. Diese Hau-Drauf-Mechanik kannte ich nun, und so fühlt sich Shrek 2 eben wie ein zweiter Teil an, der gnadenlos auf das gleiche Grundschema vertraut, das den ersten Teil so erfolgreich gemacht hat.
Trotzdem ist Shrek 2 noch zum Schreien komisch, und die heulsusigen Zeichentrick-Rausschmeißer bekommen eins vor den Latz, wenn Antonio Banderas als gestiefelter Kater bei der rührseligen Schlussszene jammert: “Whatever happens – I must not cry.” Mike Myers kann mit seinem schottischem Akzent sogar singen, John Cleese und Julie Andrews sollten wirklich königliche Hoheiten sein, ao adelig kommen ihre Stimmen daher, und Eddie Murphy hat als Esel die schönsten Mutantenbabys aller Zeiten gezeugt.
Neben allem Klamauk und den vielen liebevollen Anspielungen von Flashdance über Ghostbusters bis Lord of the Rings hat Shrek 2 sogar noch eine Botschaft. Die geht zwar ein bisschen unter im bunten Spektakel und den ständigen Popsongs, aber das, was mich zum Schluss wirklich zu Tränen gerührt hat (denn ich heule immer im Kino, auch wenn mir Puss in Boots sagt, ich soll das lassen), war die simple Aussage, dass man sich durchaus in jemanden verlieben kann, der nicht aussieht wie Prince Charming. Und dessen schräge Optik man sogar dann nicht gegen eine hübsche Maske eintauschen würde, wenn man es könnte. Eben weil es nicht mehr derselbe Mensch (oder Ogre) wäre, in den man sich verliebt hat.
Karl Dewaine Glass, 10.01.1962 – 02.12.1999
Happy birthday, love. Wish you were here.
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10.01.2009
Berlin ist ein ganzganzganz winziges bisschen, kaum spürbar, ich will’s auch gar nicht laut sagen, meine zweite Heimat geworden. Das kommt wahrscheinlich automatisch, wenn man hier monatelang rumläuft und arbeitet und einen normalen Tagesablauf hat und sich in Hamburg am Wochenende eher wie auf der Durchreise fühlt. Ich hatte trotzdem überhaupt nicht damit gerechnet, weil Berlin seit knapp zehn Jahren eine Stadt ist, mit der ich erstmal Schmerz verbinde. Denn in Berlin habe ich Karl kennengelernt, wir haben eine sehr intensive Woche zusammen verbracht, während ich (leider vergeblich) versucht habe, die Prüfung an der dffb zu bestehen, um Drehbuch studieren zu können.
Ein Teil der Prüfung war es, einen dreiminütigen Super-8-Film zu drehen. Aus, soweit ich mich erinnere, fünfzehn Titelvorschlägen habe ich mich für „Rund um die Gedächtniskirche“ entschieden. Denn als es darum ging, sich für ein Thema zu entscheiden, kannte ich noch niemanden in der Stadt und hatte daher weder Schauspieler noch Kulissen, mit denen ich etwas hätte machen können, was zum Titel „Vorfreude“ (weiß ich nicht mehr, ob es wirklich so einen Titel gab, aber die Richtung stimmt) gepasst hätte. Also hatte ich nur die Wahl zwischen „Am Alexanderplatz“ und eben der Gedächtniskirche. Ich kannte beide Orte von der obligatorischen Berlin-Klassenfahrt und verband mit der Kirche „eindrucksvoll“ und mit dem Alexanderplatz „hässlich, leer, Zwangsumtausch“. Daher war die Wahl einfach.
Ich trieb mich einen Tag lang an der Kirche herum, guckte mir Perspektiven an, die ganzen Läden, die vielen Touristen, die Ruine, den Neubau. Eigentlich wollte ich nur ein Stimmungsbild aufnehmen, aber dann traf ich Karl. Und hatte damit immerhin eine Person, die ich vor der Kamera rumlaufen lassen konnte. Also hat Karl für mich einen Touristen gemimt, der in verschiedene Läden geht und sich fiese Souvenirs kauft, zu McDonald’s, mit den Straßenmusikanten tanzt … die kleine Idee am Film: die Kamera war ebenfalls ein Akteur, und ich reichte Karl mit deutlich sichtbarer Hand Geld oder bewegte die Kamera wie beim Kopfschütteln, wenn das Berlin-Souvenir besonders hässlich war. Klingt heute total banal, schien damals aber ne gute Idee zu sein, wenn ich mich an die Reaktionen meiner Mitbewerber erinnere, als wir alle zusammen alle Filme geguckt haben. (Und ich ärgere mich immer noch, dass ich nicht mal früher als Anfang diesen Monats bei der dffb angerufen habe, um mal nachzufragen, ob es diesen Film noch gibt. Es gibt ihn nicht mehr.)
Ende 1999 ist Karl bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Ich war seitdem nur dreimal in Berlin, was größtenteils nicht wirklich Spaß gemacht hat. Ich verbinde mit der Stadt einfach einen mir sehr wichtigen Menschen, und immer, wenn ich in Berlin bin, merke ich doppelt so stark, dass er nicht mehr da ist. Es ist jetzt über zehn Jahre her, dass ich Karl das letzte Mal gesehen habe, und es tut nicht mehr ganz so weh. Der Schmerz ist einem tiefen Bedauern gewichen, dass er nicht mehr mitgekriegt hat, wie sehr ich mich verändert habe, meiner Meinung nach zum Guten. Ich hätte ihm gerne gezeigt, dass ich stark sein kann und nicht immer so fürchterlich nah am Wasser, so entscheidungsunfreudig, so traurig, so einsam. Ich hätte ihm gerne erzählt, dass ich einen Beruf gefunden habe, der mich ausfüllt und mir Selbstvertrauen gibt. Ich hätte ihm gerne eine aufgeräumte Wohnung präsentiert, mein Patenkind und die vielen Städte in Deutschland, die er nicht mehr besuchen konnte. Und ich wäre gerne mit ihm zur Gedächtniskirche gegangen, das gute alte „Weißt du noch“-Spiel spielen.
Ich war vor einigen Wochen da. Ich bin nicht nur daran vorbeigefahren, sondern bin hingegangen, habe mir Zeit genommen, um mehrere Male um das Gebäude rumzulaufen. Habe die Läden gesucht, die wir damals gefilmt haben. Und habe erschreckt festgestellt, dass der Kloß im Hals anscheinend immer da ist, wenn ich diese Kirche sehe oder sogar vor ihr stehe.
Die Kirche war geöffnet, und ich bin kurz in den Andachtsraum gegangen, um ein Gebet für Karl zu sprechen und ein bisschen Kraft für den Rückweg zu schöpfen. Hat nicht ganz geklappt. Ich habe es gerade noch geschafft, meine Mütze vom Kopf zu nehmen und mich zu setzen, bevor ich angefangen habe zu weinen. Anscheinend ist an bestimmten Orten das Bedauern nicht genug. Hier ist es wieder Schmerz, der völlig vergessen hat, dass er schon zehn Jahre alt ist.
Berlin ist meine zweite Heimat. Und ich zähle die Stunden, bis ich von hier weg kann.
Karl Dewaine Glass, 10.01.1962 – 02.12.1999
Happy birthday, love. Wish you were here.
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Ich spreche weniger mit dir. Vielleicht, weil du schon so lange weg bist. Vielleicht auch, weil ich jetzt mit vielen anderen über die Dinge reden kann, über die ich mit dir geredet habe. Vielleicht auch, weil es seit einiger Zeit jemanden in meinem Leben gibt, der mir ein ähnlich gutes Selbstwertgefühl vermittelt, wie du es größtenteils getan hast.
Ach ja, „größtenteils“. Ich verkläre dich weniger; ich gestatte mir, auch an die Ereignisse zu denken, bei denen du mir ganz fürchterlich auf die Nerven gegangen bist – und ich habe kein schlechtes Gewissen mehr deswegen, weil ich nicht mehr denke, dass ich damit dein Andenken irgendwie kaputtmachen würde. Dafür habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich weniger mit dir spreche.
Ich glaube daran, dass wir nie ganz weggehen, solange es noch jemanden gibt, der an einen denkt. Ich denke an meine Großmütter und meinen Opa, wenn sie Geburtstag haben. An dich denke ich jeden Tag, wenn ich an unserem Foto verbeikomme, das gerahmt bei mir im Wohnzimmer steht.
Geh nicht weg.
Karl Dewaine Glass, 10.01.1962 – 02.12.1999
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Manchmal rede ich noch mit dir. Nicht mehr so oft wie früher. Scheint also zu stimmen, Zeit heilt. Hoffentlicht lässt sie mich nicht vergessen. Oder verstummen.
Ich rede mit dir, wenn mir etwas auffällt, was mir sehr deutsch vorkommt. Vor ein paar Tagen sind mir in der Mittagspause zwei Handwerker entgegengekommen, in ihren klassischen Monturen, wie man sie auf der Walz trägt. Und sofort habe ich überlegt, wie man dir jetzt erklären kann, was die Walz ist, warum die Jungs das machen und wieso sie so seltsame Klamotten tragen. Und das alles auf Englisch. Im Kopf habe ich schon angefangen, nach Vokabeln zu suchen, bis mir mal wieder einfiel: Die brauche ich ja gar nicht. Ich muss dir nichts mehr über Deutschland erzählen. Ich kann dir nichts mehr über Deutschland erzählen.
Diese Gedankenkette von „Etwas sehen – Vokabeln suchen – sich erinnern, dass es Blödsinn ist“ dauert nur wenige Augenblicke. Ganz unmittelbar stoßen Dinge, die ich sehe, und Dinge, die ich fühle, zusammen. Und es tut jedesmal weh. Nicht mehr so weh wie früher. Scheint also zu stimmen, Zeit heilt.
Aber trotzdem nie ganz.
Karl Dewaine Glass, 10.01.1962 – 02.12.1999
Happy birthday, love. Wish you were here.
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Famous last words
Thema: Re: BACK!!!!!
Datum: 30.11.99 01:46:11 (MEZ)
Von: Shay D KD
An: GroenerAAnke!
I loved hearing from you! I am so proud of you! You should be my inspiration to go in pursuit of my dream. One problem, I am not sure what that is. The wedding sounded very nice, do you have a tape of you singing? I can’t wait to crowd into your little apartment when I visit. I liked Hamburg a lot, but didn’t see much of it. The Venice of the North! I would like to see several concerts there and bootleg them and then have TA offer them online for sale. That way I could recoup my travel costs. He made over $1300 off his Elvis bootleg! I wanted to call over the Thanksgiving holiday, but didn’t know how to contact you. Expect a call this weekend. I am glad you had help moving, if I could have I would have. Are your parents happy or sad? Tell them I said Hi!
Love,
Karl
Karl Dewaine Glass, 10.01.1962 – 02.12.1999
Happy birthday, love. You still owe me that call.
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And then he said …
“Do you speak English?”
“This is my first smile in weeks.”
“I’ve never met anyone like you.”
“You are a great person, but you are in the wrong package. And that made me think: Do I really look just for the right package?”
“You make me question my taste.”
“Whenever I listen to you, I hear myself.”
“I’m not afraid of going home because this world is not so dark anymore.”
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“I don’t even have milk or bread at my place. I waited for you to arrive. Now we can go SHOPPING AT TWO IN THE MORNING.”
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Karl Dewaine Glass, 10.01.1962 – 02.12.1999
Happy birthday, love. Wish you were here.
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13.09.2004
Small things, perfect moments.
Der Augenblick im Denny’s in Fort Wayne, irgendwann Mai 1999. Ich war seit ein paar Tagen in den USA, bei Karl, bei Tom, bei Ron, bei meiner Zweitfamilie, beim Golfen, beim Filmegucken, beim Pokern, Biertrinken, Rauchen. Ich habe versucht, Rons Papagei deutsche Schimpfwörter beizubringen. Ich habe Tom zur Arbeit gefahren, um dann mit seinem Auto über den Highway zu kurven, die Sonne zu genießen und Rush Limbaugh im Radio zu verfluchen. Ich habe an einer Baustelle gehalten und mich darüber gewundert, dass es hier jemanden gibt, der ein Schild hält, das den Autofahren sagt, dass sie jetzt weiterfahren dürfen anstatt dass eine Ampel das tut. Ich war bei Wendy’s und habe die braune Papiertüte, in der der Burger verpackt war, behalten, weil ich den Kontrast zwischen dem altmodischen Logo und der aufgedruckten Internet-Adresse so hübsch fand. Ich habe Livin’ la vida loca hundertmillionenmal gehört und mich darüber gefreut, dass die first come, first serve-Regel an Kreuzungen wirklich funktioniert. Ich bin mit Karl stundenlang durch die Mall geschlendert, ohne irgendwas zu kaufen. Ich habe mir von Karls Großvater von seiner Zeit als Soldat in Deutschland erzählen lassen und mich gefragt, ob das stimmt, dass die Kürbisse bei uns anders schmecken als hier. Ich habe jeden Augenblick genossen, aber dieses ganz bestimmte Gefühl hatte sich noch nicht eingestellt. Dieses Gefühl, das ich letztes Mal bereits beim Anflug auf Chicago hatte. Das Gefühl, das mir sagt: This is home. You’re safe. And it’s not the movies, it’s real. Mein ganz persönliches Amerika-Gefühl eben. Es ließ noch auf sich warten, obwohl ich alles tat, um mich davon zu überzeugen, dass doch alles klasse war.
Und dann saßen Karl und ich eines Abends bei Denny’s. Er knabberte an seinen Pommes, ich schlürfte geräuschvoll einen Schoko-Shake, und draußen ging die Sonne unter. Ich fragte die Bedienung, ob ich eine Speisekarte kaufen könne als Andenken für einen Freund zuhause. Sie fragte, wo ich herkäme, ich sagte Deutschland, und wir plauderten ein wenig. Währenddessen wurde der Himmel dunkelrot, dann dunkelblau, die Straßenlaternen und neon signs flackerten auf, Karl hatte seine Pommes vernichtet, und mein Schoko-Shake war zu schnödem Kakao geworden. Ich guckte nach draußen, besah mir die Autos, die Wolken, die Menschen, die Lichter, guckte zu Karl, der davon fasziniert war, dass ich von allem in Amerika fasziniert war, und dann kam die Bedienung wieder an den Tisch. Sie gab mir eine Speisekarte und meinte, sie wäre ein Geschenk. “Something to remember us by.“
Und da war es. Das Gefühl, auf das ich gewartet hatte. Mein Gefühl. Dass ich alles hinter mir gelassen hatte, was mich belastete: meine unsichere Jobsituation, meine nicht vorhandenen Zukunftspläne, meine unaufgeräumte Wohnung, mein Genervtsein von mir selbst, meine Traurigkeit, meine Einsamkeit. Ich hatte nur mich mitgebracht, und das reichte, um mich sicher zu fühlen. Und alles, was noch zählte, war hier an diesem Tisch: mein Seelenverwandter, ein Geschenk einer Fremden und eine kleine freundliche Geste. Und die Aufforderung, sich an all das zu erinnern.
I’ll do that. It hurts a little. But it’s worth it.
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19.05.2004
Schon komisch, wie schnell man von Hamburg nach Indiana kommt. Jedenfalls per Geruch, Geräusch oder Gefühl.
Manchmal reicht der Geruch von Chlor, und ich muss an Karls Küche denken und daran, dass ich mich immer vor einer Gasexplosion gefürchtet habe, sobald er den Herd angemacht hat. Das Geräusch von Pokerchips lässt mich an die fiesen Abende denken, die wir mit seinem Freund Tom und seinem Bruder und viel zu viel Budweiser verbracht haben und an denen ich wirrste Varianten von stud poker gelernt und bis heute behalten habe. Und bei jedem Becher eiskaltem Ben & Jerry’s in meiner Hand denke ich an meinen ersten Besuch in einem amerikanischen Supermarkt, bei dem ich fast in die Kühlschränke gekrochen bin, so sehr hat mich die Größe der Teile beeindruckt.
Und manchmal bekommt man sogar alles auf einmal. Einen Geruch, ein Geräusch, ein Gefühl.
Wir hatten gestern in der Agentur unsere so genannte Unitrunde. Dabei wurde unser Team von den Cheffes an einen uns vorher nicht bekannten Ort geführt, wo wir dann uns vorher nicht bekannte Dinge tun würden. Wir trabten also gespannt durch die Hamburger Innenstadt – Thalia Theater? Müssen wir Text lernen? Kunsthalle? Malen? Oder gucken wir uns bloß die Baustelle der Europa-Passage an? –, bis wir vor einer unscheinbaren Tür stehenblieben, die, glaube ich, niemandem von uns jemals aufgefallen war. Aber die Aufschrift an der Tür war deutlich: Hanseatic Gun Club.
Wir würden in der Gegend rumballern dürfen. Mit echten Knarren und scharfer Munition. Der Alptraum jedes Zivildienstleistenden.
Sobald ich das Türschild gelesen hatte, hatte ich ein Grinsen im Gesicht, das den ganzen Nachmittag nicht wieder wegging. Und als ich die automatische Pistole in der Hand hatte, war alles wieder da: die Erinnerung an die Nachmittage mit Karl und Tom auf einer shooting range, drei Sandbahnen, die wie selbst geschaufelt aussahen und sich malerisch direkt hinter einen Campingplatz mitten in der Pampa schmiegten. Meine anfängliche Angst vor den Knarren, die Tom zu dutzenden aus seinem Waffenkoffer holte (stilecht mit NRA-Aufkleber und “Guns don’t kill people. People kill people”-Glückskeksweisheit). Meinen Respekt, den mir die beiden vermittelten, indem sie mir jeden Hebel an jeder Waffe erklärten, bevor ich sie überhaupt anfassen geschweige denn laden durfte. Und dieses unglaubliche Gefühl, als ich zum ersten Mal eine Waffe abgefeuert habe.
Als der Plan aufkam, mal auf die shooting range zu fahren, um mir das ultimative Touri-Erlebnis zu bescheren, hatte ich mich mit Händen und Füßen gewehrt. Ich war wirklich nicht wild darauf, mit echter Munition in der Gegend rumzuknallen und hatte, ehrlich gesagt, auch ein bisschen Schiss. Die beiden haben locker gesagt, wenn du nicht willst, dann musst du nicht. Guck erstmal zu, und wenn du doch Bock hast, sag Bescheid.
Also habe ich zugeguckt, wie die beiden Toms Arsenal scharf gemacht haben. Als ich fragte, worauf sie denn überhaupt schießen würden, grinste Tom nur, öffnete den Kofferraum seines Autos und zerrte drei Müllsäcke voll leerer Bierdosen heraus: “Real Americans aim at real American targets – Budweiser cans.”
Karl und Tom bestückten die Sanddüne der 25 Yards-Bahn (die 50er und 100er waren zu meinem Blindfisch-Glück besetzt), stellten sich in Positur und begannen, die Dosen abzuschießen. Natürlich dauerte es nur ungefähr 30 Sekunden, bis ich es auch mal versuchen wollte. Und so habe ich meine erste Waffe in die Hand genommen: eine halbautomatische .40er. Sie war schwerer als ich erwartet hatte, obwohl sie noch nicht geladen war. Ich muss gestehen, ich war von der Optik ziemlich beeindruckt. Innerhalb einer Sekunde war das Unbehagen, eine tödliche Waffe in der Hand zu haben, der Faszination gewichen, ein Stück absolut präzise, kühle Mechanik zu erleben.
Ich habe das Magazin mit den Kugeln bestückt, habe mir nochmal das Zielen erklären lassen, das Entsichern, den Abzug, das Schießen. Tom und Karl hatten mir auch erzählt, dass der Rückstoß sehr stark sei und dass ich mich nicht erschrecken solle. Hab ich natürlich trotzdem, denn auf dieses Gefühl, dass mir gleichzeitig beide Hände hochgerissen und die Schultern zurückgedrückt wurden und es gleichzeitig trotz Ohrstöpseln noch höllisch laut knallte, war ich trotz aller Erläuterungen nicht vorbereitet. Aber nach dem ersten Schreck war ich angefixt. Ich habe wie Dirty Harry breitbeinig im Sand gestanden und wie blöde Bierdosen weggeknallt. Und meine Fresse, hat das einen Heidenspaß gemacht.
Im Laufe meines Urlaubs waren wir noch mehrmals auf der range, teils mit noch mehr Bierdosen (selbst geleert, selbst abgeschossen), teils mit Zielscheiben, die wir in einem Anglerladen beim Campingplatz gekauft haben. Ich bin der .40er treu geblieben, habe aber auch noch mit einem .38er Revolver rumgeballert und der Desert Eagle, eine .44er, die so schwer war, dass ich nach jedem Schuss die Arme runternehmen musste. Dieses Erlebnis und das Gefühl, das ich mitgenommen habe, waren einmalig: sehr intensiv, sehr besonders und sehr amerikanisch.
Ich hätte nicht gedacht, dass ich dieses Gefühl nochmal erleben würde, jetzt, wo Karl nicht mehr mit mir auf Bierdosen schießen kann. Aber komischerweise hat es sich fast so angefühlt, als wäre er gestern dabei gewesen. Ich habe ihn gespürt, als ich zum ersten Mal die Pistole und danach den Revolver in die Hand genommen und erstaunt festgestellt habe, dass sich meine Hände an das Gefühl sofort erinnern, eine Waffe zu halten. Ich hatte keine Angst mehr vor dem Rückstoß und dem Knall, weil ich wusste, was kommt. Und ich habe mich sofort wieder an den seltsamen metallischen Geruch erinnert, der danach an den Händen klebt.
Es war schön, mal wieder nach Indiana zu kommen, auch wenn der Kloß im Hals im Laufe des Abends immer dicker wurde.
Hab mir ne gute Agentur ausgesucht.
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10.01.2004
Ich wollte das Gedicht Death Is Nothing At All von Henry Scott Holland posten. Aber ich finde, es wird dir nicht gerecht. Du warst eher ein Freund von langen, fiesen Sätzen mit ner Menge spannender Vokabeln. Die Botschaft mag stimmen; die Form tut es nicht.
Dann wollte ich den Klassiker And Death Shall Have No Dominion von Dylan Thomas nehmen. Aber der ist mir einfach zu martialisch, zu schwer, zu ochnee. Ich sehe dich fast vor mir, wie du die Augen verdrehst und mir sagst, das postest du nur, weil da ne Menge langer, fieser Sätze mit ner Menge spannender Vokabeln drin sind.
Dann dachte ich an das Zitat von Alfred Lord Tennyson: “‘Tis better to have loved and lost than never to have loved at all.” Aber auch hier habe ich dich vor meinem inneren Auge, wie du mir von der Couch her über die Schulter guckst, während ich den Kram in mein Tagebuch schreibe und erstens nölst, dass du es nicht lesen darfst, und wenn ich es dir dann sage, dich zweitens beschwerst, dass ich dir so einen Blümchentext widmen will.
Also habe ich mich deinem absoluten Lieblingssänger zugewandt: Elvis Costello. Ich weiß noch, wie du mich hysterisch angerufen hast, als er dir nach seinem Auftritt in Indianapolis ein Autogramm gegeben hat.
Also hoffe ich, dass dir dieser Text zusagt.
Eigentlich bin ich mir sogar ziemlich sicher, dass er das tut.
“It’s strange to finally find myself so tongue-tied
A change has come over me
I’m powerless to express
Every thing I know but cannot speak
And if I try my voice will break
Someone took the words away
Someone took the words away.”
Karl Dewaine Glass, 10.01.1962 – 02.12.1999
Happy birthday, love. Wish you were here.
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11.07.2003
„There was a time I was happy in my life
There was a time I believed I’d live forever“
Manchmal glaubt man, der Job sei der Grund dafür, dass man so nah am Wasser ist und kaum die Mundwinkel zu einem Lächeln hochkriegt und man sich nicht konzentrieren kann und man einfach nur nach Hause unter die Bettdecke will. Der Job. Oder der ungeliebte, weil nicht voll funktionsfähige Körper. Oder auch nur die Tatsache, dass der Lieblingsjogurt ausverkauft ist. Und erst wenn man abends im Bett liegt und bei einer Songzeile von Madonna auf einmal hemmungslos zu weinen anfängt, wird einem klar, dass man nicht so schlecht drauf ist, weil JobKörperJogurt. Sondern weil Karl. Weil man geliebt und verloren hat. Weil einem an manchen Tagen mit aller Macht bewusst wird, dass man bestimmte Menschen nie wieder sehen, nie wieder eine E-Mail von ihnen bekommen, nie wieder mit ihnen über schlechte Witze lachen und nie wieder eine Diskussion über Pro und Contra Diet Coke führen wird. Nie wieder. An normalen Tagen tut es weh. An anderen ein bisschen mehr. Und an manchen will man eben einfach nur noch unter die Decke, auf den Arm, ganz weit weg und dabei zerfließen. Aus Schmerz, verloren zu haben. Aus Angst, so etwas nie wieder zu finden. Aus Verzweiflung, weil man gar nicht weiß, wo man suchen sollte.
Aber wenn man dann leergeheult ist, erinnert man sich plötzlich daran, wie großartig sich die Liebe angefühlt hat. Wie wundervoll die Vertrautheit und die Geborgenheit und die Sicherheit.
Ich hatte all das. Und irgendwo spüre ich noch, wie es war, so beschützt zu werden; das Gefühl vermittelt zu bekommen, etwas ganz Besonderes zu sein. Dieses Gefühl geht nicht weg. Auch wenn ich alleine im Bett liege und an manchen Tagen bei Madonna anfange zu weinen.
Wer weiß? Wenn ich noch ein bisschen durchhalte und jeden Tag einen kleinen Schritt weitergehe … vielleicht werde ich dann irgendwann wieder ewig leben.
Ich geh einfach mal los. Aber ich glaube, ich brauche noch ein paar Taschentücher für den Weg. Und ein paar für den Job. Und ein paar für den Körper.
Das mit dem Jogurt kriege ich, glaube ich, auch so hin.
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18.05.2003
“Maybe we are under the tyranny of cultural conventions and biological instincts, these forces lead us to feel out of sync with the world at large, and therefore we feel as if we are not part of the bigger picture.
Hey, maybe we are the lucky ones, everyone else are the dull witted unfortunate ones that got caught. I have been brainwashed to believe that my happiness is found in others; wrong, happiness is now, happiness is in accepting who we are, not wondering what others are thinking about us. I don’t need someone else’s personal appraisal of my self worth, who’s to say that they can judge me? And why should I care if anyone finds me special? That concern just weighs me down. I am not saying that everyone else is unimportant, just their opinions of me.
We all have perceptions and cognitions of this infinite place in which we exist, and no one sees the same pieces or experiences the same places, so we must grow strong in our own experiences, and glorify everyone’s claim at existence.
Anke, you are a unique talent, stand by your viewpoint, sell it to the world, and you will when you believe in it with all of your might. No fear. It is so hard to love ourselves, because we are so aware of all of our supposed shortcomings, but those shortcomings only come through our idiotic attempts at comparisons of self with others. We must stop trying to measure up to illusory standards that have no objective reality.
We are perfect in our imperfections.”
On some days, I miss your words of wisdom even more. And I’d give the world for just one last conversation.
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10.01.2003
Ich will dir sagen …
… dass du ein sehr warmherziger, liebevoller, sensibler Mensch bist.
… dass du ebenso durchgeknallt und überdreht sein kannst.
… dass ich beide Seiten an dir mag. Und sie mich gleichzeitig wahnsinnig machen.
… dass ich mit dir einige der schönsten Momente meines Lebens erfahren durfte.
… dass es mir viel bedeutet, dass du mir immer die Wahrheit gesagt hast. Auch, wenn’s manchmal weh getan hat.
… dass ich immer wusste, du bist da, auch wenn du so weit weg warst.
… dass du der mieseste Verlierer bei Risiko bist, den ich je gesehen habe.
… dass ich es ziemlich niedlich fand, dass du im Bad immer länger gebraucht hast als ich.
… dass es mich sehr gefreut hat, dass du irgendwann das Prinzip der Zeitverschiebung zwischen Amerika und Deutschland begriffen und mich nicht mehr um 5 Uhr morgens aus dem Bett geklingelt hast.
… dass ich es sehr sympathisch fand, dass du das deutsche Kino so eifrig verteidigt hast wie ich das amerikanische.
… dass es vor Voyager KEINE schwarzen Vulkanier gab.
… dass ich geschmolzen bin, als du in einer Regennacht in Berlin fast akzentfrei Goethe rezitiert hast.
… dass ich mich noch heute an viele deiner Worte genau erinnere und Kraft aus ihnen schöpfe.
… dass ich sehr dankbar dafür bin, dich kennengelernt zu haben.
… dass du mein Leben verändert hast.
Ich bin froh …
… dass ich dir das alles noch sagen konnte, bevor du gegangen bist.
Karl Dewaine Glass, 10.01.1962 – 02.12.1999
Happy birthday, love. Wish you were here.
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15.11.2002
Hab ich schon erwähnt, dass ich James Deans Grabstein in Fairmount, Indiana, geküsst habe? Nein. Dann hab ich’s jetzt.
Ich bin ja immer noch der Meinung, dass es Schicksal war, dass ich Karl getroffen habe, der von allen 50 Staaten der USA ausgerechnet aus Indiana kam, dem Heimatstaat von James Dean. Ich als eingefleischter Fan habe ihn natürlich totgequatscht, als ich Karl das erste Mal besucht habe: Let’s go there can we go there how far is it have you been there why not it’s just around the corner what kind of freak ARE you anyway?
Nörgeln nützt, wie wir wissen, und so saßen Karl und ich eines schönen Tages, genauer gesagt, am 1. Oktober 1996, in seinem fies türkisfarbenen Honda mit dem wunderschönen Nummernschild, das alle Wagen aus Indiana ziert: Amber Waves of Grain, und fuhren nach Fairmount, eine gute Stunde von Fort Wayne weg, Karls Wohnort. Ich habe den totalen Touri raushängen lassen, alles fotografiert, was irgendwie entfernt einen Hauch an James Dean erinnert (Highway Signs! Ganz wichtig! Unglaublich biografisch!) und war so nervös wie vor einem ersten Date.
Fairmount selber ist ein typisches, verschlafenes Dörfchen im Mittleren Westen – 3000 Einwohner, sauber, ordentlich, langweilig. Ich hab mich wie im Paradies gefühlt. Mit der auswendig gelernten Biografie von James (oder Jimmy, wie ich ihn zärtlich nenne) im Kopf habe ich das Gefühl gehabt, den Ort zu kennen: die Farm der Winslows, auf der er aufgewachsen ist, die Straßen, durch die er geschlendert sein muss, einfach das Gefühl, in diesem kleinen Örtchen am Arsch der Welt zu sein und hier wegzuwollen, in eine andere, größere Stadt, die Potenzial erkennt und fördert.
Nach kurzem Suchen hatten wir den Friedhof gefunden und auch das Grab. Natürlich gab es Wegweiser, und außerdem war der Tag vor unserem Besuch, der 30. September, James’ Todestag gewesen. Sein Grab war übersät mit Blumen. Ich konnte kaum den Stein entdecken – er ist übrigens der dritte, denn sowohl der Originalgrabstein als auch die zweite Version sind geklaut worden.
Ich hatte wirklich einen Kloß im Hals – denn, auch wenn es peinlich ist und meine doofen Freunde noch heute Witze über meine James-Dean-Jacke in der 10. Klasse Witze machen – er war, glaube ich, der erste Filmstar, für den ich mich richtig begeistern konnte. Kein Wunder, bei so schönen pubertären Problemfilmen wie Rebel without a cause und East of Eden. Giant war mir ja schon fast einen Tick zu erwachsen. Egal. Ich liebe sie alle. Hröm. Alle drei.
Jedenfalls habe ich versucht, ein bisschen in Trauer- und Abschiedsstimmung zu kommen, was mir nicht richtig gelungen ist, weil Karl die ganze Zeit schlechte Witze über das Sexualverhalten und die Größe meines Idols gemacht hat. Irgendwann hab ich dann auch nur noch gegackert, die obligatorischen Fotos gemacht und gut war.
Wir sind danach ins Fairmount Historical Museum gefahren – quite a stretch, wenn man sich überlegt, dass die Stadt gerade mal popelige 200 Jahre existiert. Wenn überhaupt. Der Hauptteil des Museums ist natürlich auch James Dean gewidmet. Ein Exponat hat mich wirklich begeistert: das Originalscript zu Giant, mit seinen handschriftlichen Anmerkungen. Hach :-) Seine Cowboystiefel vom Set in Größe höchstens 41 haben die Ehrfurcht dann zwar wieder etwas ruiniert, aber egal.
Zum Abschluss des Tages waren wir noch auf einer Shooting Range, wo ich gemütlich mit ner netten .38er rumgeballert habe, aber das ist eine andere Geschichte.
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04.08.2002
Kurz vor eins. Wieder im Zug. Diesmal ein popeliger EuroCity, der mich von Berlin Zoo wieder ins schöne Hamburg-Altona bringt. Bin immer noch verheult, dafür aber pappsatt und voller Eindrücke.
Verheult, weil ich echt nicht damit gerechnet habe, wie sehr mich der Karl-Flash erwischen würde. Berlin ist einfach nicht mehr meine Stadt, seit ich ihn hier kennengelernt habe. Alles, was ich sehe, erinnert mich an irgendwas, was wir zusammen gemacht haben. Die wenigen Tage, die ich mit ihm in Berlin verbracht habe, waren so intensiv, dass ich mich an soviele Kleinigkeiten erinnere. Dinge, die ich normalerweise sofort vergesse. Was wir beim Kaiser’s um die Ecke der Wohnung eingekauft haben. Auf welcher Bank genau wir an der Gedächtniskirche gesessen haben. Welche U-Bahn-Linie wir zur Filmhochschule genommen haben. Welche Filme wir in welchem Kino gesehen und wieviel die Karten gekostet haben. Egal, wo ich in Berlin hingekommen bin – irgendwas war immer so oder so ähnlich, wie ich es mit ihm erlebt habe. Oder es hat mich einfach bei dem Gedanken zerrissen, dass er bei der Hochzeit ne Menge Spaß gehabt hätte. Berlin war immer seine Lieblingsstadt in Deutschland, und er hat mir ewig davon vorgeschwärmt, dass er hier auf jeden Fall noch einmal hinwollte. Und ich musste bei der ganzen Feierei nur daran denken, wie gut ihn das alles gefallen hätte.
Die Hochzeit selber war nämlich total kitschig, märchenhaft, romantisch, wunderschön. Angefangen hat alles in einer kleinen, heimeligen Kirche – mit einem amüsant nicht-englischsprachigem Gospelchor, der aber trotzdem unbedingt Englisch singen musste und einer Organistin, die, glaube ich, aus Prinzip die Fuge von Bach gespielt hat, nach dem Motto: Ist eh das einzige Stück, was jeder auf der Orgel kennt, also spiel ich’s. Mir doch egal, ob’s zu einem heißen Sommertag passt und ich vor allen Dingen die Töne treffe oder nicht.
Im Anschluss an den Gottesdienst fuhr die gesamte Kolonne nach Teupitz, circa eine Stunde außerhalb von Berlin (tiefste Zone, sozusagen). Dort haben wir in einem ehemaligen Stasi-Schloss gefeiert. Zuerst gab’s gut gekühlte Torte im Garten, dann sind wir auf einen Ausflugsdampfer geklettert, der uns über den Teupitzer See chauffiert hat – mit einer Band, die die Standard-Kuschel-Classics à la Killing me softly intoniert hat. Ich hab mich an die Reling gehängt und „Ich bin der König der Welt!“ gebrüllt. Das war schon schön. Und wenn die Ossis nicht soviel FKK machen würden, während Touris vorbeischippern, wär’s noch schöner gewesen.
Nach dem Boot gabs Gruppenfoto, ein wenig Freizeit (lang genug für mich, um zu duschen und aus meinem roten Anzug zu klettern, rein in die Jeans und das blaue Hemd – nur die Baseballkappe hab ich mir verkniffen). Abends kam dann das obligatorische Buffet (ausnehmend lecker, guter Service, mit Grill im Garten und meinem persönlichen Highlight: Amaretto-Erdbeeren auf Mascarpone-Schaum). Die Reden der Eltern etc waren angenehm kurz und lustig, die Ansprache des Paares sowieso (Werbetexter halt), mein Tisch voll mit netten Menschen, die Musik sehr passend, das Feuerwerk als krönender Abschluss des offiziellen Teils wunderschön, und alle haben die Hochzeitszeitung geliebt. Und ich konnte alles immer nur für ungefähr zehn Minuten genießen, bis ich wieder Tränen in den Augen hatte.
Ich musste immer an einen meiner Besuche in den USA denken. Karl, seine Familie und ich waren in Kendallville und haben uns auf einem Volksfest rumgetrieben. Dazu gehörte eine Vorführung der örtlichen High School: Raise a ruckus. In bunte Kostüme gewandete Teenager tanzten die üblichen, schwungvollen, Country-angehauchten Weisen des Mittleren Westens. Total kitschig, wie im Film, wenn ich sowas auf deutschen Schützenfesten sehe, kotze ich. Aber drüben ist eben alles anders. Ich fühle mich emotional so sehr zugehörig, dass mich sowas einfach glücklich macht. Und so habe ich auch ausgesehen. Freudentränen in den Augen, weil ich endlich in Amerika bin, weil mein bester Freund neben mir sitzt und das mit mir zusammen genießt, und vor allem, weil er weiß, wie es mir geht und es ernst nimmt und sich nicht darüber lustig macht. Ich habe kurz zu ihm rübergeguckt und gesehen, dass auch er Tränen in den Augen hatte. Und er meinte nur: “I just saw all this through your eyes, and it made me very happy.”
Und genauso hätte ich ihn gestern gerne die ganze Hochzeit, die ganze Freude und die ganze wunderschöne Stimmung durch meine Augen sehen lassen. And it FUCKING hurts that I wasn’t able to do that.
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22.07.2002
Die Großmutter meines besten Freundes ist Montag abend gestorben. Er trägt es mit Fassung, denn es war abzusehen. Und sie war schließlich … 93, glaube ich. Auf jeden Fall uralt. Aber es ist immer wieder seltsam, sich verabschieden zu müssen. Realisieren zu müssen, dass man bestimmt Dinge nie wieder tut, bestimmt Worte nie wieder sagt und bestimmte Menschen nie wieder sieht.
Als Karl gestorben ist, war es am Anfang noch surrealer als ein Abschied für immer sowieso schon ist. Ich habe es zuerst gar nicht im Kopf klar gekriegt, dass er mich nie wieder anrufen wird, dass ich nie wieder eine Antwort auf meine E-Mails kriege und dass er nie mehr nach Deutschland kommen wird. Und das nicht, weil er keine Lust hat oder mich nicht mehr sehen will, sondern weil er nicht mehr kann. Weil er nicht mehr da ist. Und eben dieses Nicht-mehr-da-Sein zu verstehen, hat bei mir etwas länger gedauert.
Er war schließlich in Amerika und damit nicht in meiner direkten Umgebung. Ich war gerade umgezogen und lebte in einer Wohnung, die er nie betreten hatte. Ich konnte mich nicht daran erinnern, wie sein After Shave in diesem Badezimmer gerochen hat, weil er eben nie in diesem Badezimmer war. Ich habe nie mit ihm in dieser Küche gesessen und gefrühstückt, und ich habe nie mit ihm in diesem Wohnzimmer vor dem Fernseher rumgelungert und Star Trek geguckt.
Aber sobald ich Erdnussbutter esse, fällt mir ein, wie er mir mein erstes Sandwich nach dem langen Flug nach Chicago und der langen Fahrt nach Fort Wayne kredenzt hat, in seiner Küche, die immer irgendwie nach Chlor gerochen hat. Ich erinnere mich daran, dass ich ihm gesagt habe, er solle seinen blöden landlord anrufen und die Küche mal auf Gas checken lassen. Und er hat nur gelacht und gesagt, Hier, probier mal, real American food. Und ich habe in mein Sandwich gebissen und Erdnussbutter mit Apfelmus auf Weizentoast geschmeckt. Bis heute habe ich diesen Geschmack nie wieder hingekriegt.
Ich muss an ihn denken, wenn ich durch Hamburg fahre. In einer seiner letzten Mails hatte er geschrieben: Hamburg! The Venice of the North. I can’t wait to come over and crowd your little apartment. Eigentlich ein völlig belangloser Satz. Aber egal, wo ich in Hamburg bin, egal, was ich sehe, ob es der Kiez ist oder der Michel oder das Feuerwerk beim Hafengeburtstag oder wenn ich einfach nur die Ost-West-Straße runterfahre – ich muss immer daran denken, dass er eben nicht mehr mein kleines Appartement mit seiner Präsenz überfüllen und das Venedig des Nordens sehen wird.
Ich erzähle ihm trotzdem, wie Hamburg ist. Ich fahre durch die Stadt und rede mit ihm, als ob er da wäre. Als ob er gerade aus dem Flugzeug gestiegen wäre und ich ihm jetzt meine neue Heimat zeige. Ich ahne fast, dass er als erstes auf die Reeperbahn will. Und dann ins Kino, schlechte deutsche Übersetzungen hören und mich die ganze Zeit volltexten, dass das Original viel besser wäre. Und dann würden wir essen gehen – ins Cox wahrscheinlich. Er würde völlig verzückt alles probieren, was auf der Karte steht, und mir den ganzen Abend lang erzählen, wie gut unser Essen wäre und dass ich mir das nochmal überlegen sollte mit dem Nach-Amerika-ziehen. Dann würde er sich wieder darüber aufregen, dass man hier kein Wasser umsonst kriegt. Und dann würden wir nach Hause fahren, und er würde ganz still im Auto sitzen und sich Hamburg bei Nacht angucken.
Genauso still wie ich immer alleine im Auto sitze und an ihn denke, wenn ich durch Hamburg fahre.
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12.07.2002
(…) Und der Elvis-Costello-Link ist schon ein bisschen spooky. Ich habe einfach mal Karls Namen bei Google eingegeben. Und da tauchen seine Elvis Costello-Fotos vom Konzert in Indianapolis auf, von denen er mir stolz stundenlang am Telefon erzählt hatte.
Seit ich diese Site gefunden habe, bin ich versucht, seine E-Mail-Adresse, die neben den Fotos steht, anzuklicken, um ihm eine Mail zu schreiben. Mein Gehirn ist doof. Ich muss ihm wirklich alle zehn Minuten sagen, dass das Blödsinn wäre.
Schon komisch, wo wir alle Spuren hinterlassen. Auf Fotos, in Briefen, in der Erinnerung vieler Menschen. Und neuerdings eben auch im Internet, auf irgendwelchen Seiten, auf denen eine E-Mail-Adresse steht, die seit fast drei Jahren nicht mehr gültig ist.
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29.04.2002
Ich hatte einen Freund. Karl. Er starb Ende 1999 und wurde 37 Jahre alt. Er war mir so ähnlich wie niemand sonst auf der Welt. Wenn es Seelenverwandte gibt, dann war Karl meiner.
Wir haben uns in Berlin kennengelernt, als ich mich um einen Studienplatz an der Filmhochschule beworben habe und er gerade sein ganzes Konto in Amerika leer geräumt hatte, um zwei Monate nach Deutschland zu fahren. Wir sind zufälligerweise durch die Mitwohnzentrale in derselben Berliner Wohnung gelandet. Wir trafen uns in der Küche, ich fragte ihn: Do you speak German? und alles war klar.
Karl und ich haben immer dieselben Filme geliebt. Sobald ein guter Film in Amerika anlief, rief er mich an, um mir zu erzählen, wie er war. Er rief an, wenn meine Lieblingsschauspieler bei Jay Leno oder Letterman waren, weil er wusste, dass ich jedes Wort wissen wollte. Manchmal sogar während der Show, um mich mithören zu lassen. Dafür meldete ich mich, wenn Elvis Costello im deutschen Fernsehen auftrat. Und er hörte die erste in Deutschland ausgestahlte Folge von South Park und lachte über die deutschen Stimmen.
Wir haben zusammen die Oscars geguckt; er in Indiana zur Prime Time, ich in Deutschland zu nachtschlafender Zeit. Beim besten fremdsprachigen Film habe ich ihn angerufen, um mit ihm diesen Moment zu genießen, beim besten Film rief er an. Wir haben zusammen gesehen, wie The English Patient, Titanic und Shakespeare in Love ausgezeichnet wurden.
Der letzte Film, von dem Karl mir begeistert erzählte, war American Beauty. Ein Film, in dem Lester Burnham (Kevin Spacey) entdeckt, dass sein Leben kein Leben mehr ist, sondern dass er innerlich schon tot ist. Er beschließt, sein Leben zu ändern. Er erfüllt sich Wünsche, die völlig unvernünftig sind, er kündigt seinen sicheren Job, um in einer Imbissbude zu arbeiten – einfach, weil es Spaß macht, und nicht, weil es prestigeträchtig ist. Er tut plötzlich nur noch das, was er will. Und plötzlich merkt er, wie glücklich er ist, wie gut sein Leben eigentlich ist. Er wird plötzlich von einer tiefen, ehrlichen Dankbarkeit erfüllt, weil er so ein großartiges Leben haben darf. Und in diesem Moment stirbt er.
Mein Telefon klingelte mitten in der Nacht, und ich wusste, es waren keine guten Nachrichten. Karl war bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Wir hatten gerade zwei Tage vorher noch im Internet gechattet, und er wollte mich eigentlich am Wochenende anrufen, um mich ausführlich zu fragen, wie mein neuer Job als Werbetexter in Hamburg wäre. Ich hatte ihm im Internet nur die kurze Fassung gegeben: Es ist großartig, nicht mehr kellnern zu gehen und sich zu wünschen, jemand anders zu sein. Es ist großartig, endlich etwas aus meinem Talent zu machen. Mein Leben ist großartig. Ich bin glücklich.
Und er sagte nur: I am so proud of you. And I am so happy to see you happy.
Drei Monate nach Karls Tod wurde American Beauty mit dem Oscar als bester Film ausgezeichnet. Ich habe die Verleihung alleine geguckt. Zu nachtschlafender Zeit. Niemand rief mich an. Aber ich wusste, Karl guckt zu. Die Show hat er sich bestimmt nicht entgehen lassen.
Ich bin dankbar dafür, ihn kennengelernt zu haben. Ich bin dankbar dafür, dass wir uns alles gesagt haben, was zu sagen war. Ich habe mein Leben geändert, um mich selber glücklich zu machen. Und ich hatte noch die Chance, den wichtigsten Menschen auf der Welt an meinem Glück teilhaben zu lassen.
Mein Leben ist großartig. Und manche Filme schaffen es, genau dieses Gefühl festzuhalten.
“Do you speak English?”
“This is my first smile in weeks.”
“I’ve never met anyone like you.”
“You are a great person, but you are in the wrong package. And that made me think: Do I really look just for the right package?”
“You make me question my taste.”
“Whenever I listen to you, I hear myself.”
“I’m not afraid of going home because this world is not so dark anymore.”
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“I don’t even have milk or bread at my place. I waited for you to arrive. Now we can go SHOPPING AT TWO IN THE MORNING.”
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Karl Dewaine Glass, 10.01.1962 – 02.12.1999
Happy birthday, love. Wish you were here.
Herrn Konstantin, der das schönste Weblog aller Zeiten hat und überhaupt der netteste Mensch auf diesem Planeten ist (lies weg, liebster Kerl), weil er mir Jerry Springer – The Opera aufgezeichnet hat. Ich bin zutiefst gerührt.
(Und zuhöchst ungeduldig. Mach schon, Post! Fliegt schneller, Flugzeuge! So breit ist der verdammte Kanal nun auch wieder nicht.)
Seit Donnerstag läuft Sylvia in den deutschen Kinos, Gwyneth Paltrows Versuch, Sylvia Plath darzustellen. Ich fand den Film eher mau und möchte daher viel lieber auf einen sehr schönen Artikel auf Salon aufmerksam machen, der sich mit der Therapeutin von Plath befasst. Diese machte sich jahrelang Vorwürfe, durch ihre Freundschaft zu Plath vielleicht Zeichen für den Suizid übersehen zu haben, übersehen haben zu wollen. Leseempfehlung.
“I didn’t see Schindler’s List at a cinema, I rented it about one year later on video. Actually, I thought it was a porno movie: top shelf … black and white – dodgy home movie … with German sound – they’re the best … and there was this Barry Norman-quote on the back: Have a box of Kleenex ready. … Rubbish, I used about two. … Well, there was a shower scene.”
Wie gesagt: autsch. Aber gelacht hab ich dann doch, nachdem ich erstmal scharf Luft geholt und politisch korrekt nachgedacht habe, ob man darüber Witze machen darf, aber da hatte Gervais schon selbst gesagt: “Now, there’s a new topic for stand-up comedy: the Holocaust.”
1) What’s one of the funniest things that you ever did as a kid? How old were you? Do you actually remember doing it? Do your parents/relatives still tell stories about it?
Meine Mutter erzählt immer noch gerne die Geschichte, in der meine Schwester und ich etwas NICHT gemacht haben. Wir saßen zusammen in einem unserer Sessel vor dem Fernseher, in dem Bibo und Oskar sich nach Kräften abmühten, uns was beizubringen. Meine Mutter hat direkt hinter uns die Blumen auf der Fensterbank gegossen; dabei ist sie gegen einen Blumentopf gestoßen und hat ihn vom Sims gehauen. Ich nehme an, dass ein Blumentopf, der aus 1,20 Meter Höhe auf einem Parkettfußboden aufprallt und zerbricht, schon ein bisschen Lärm macht. Meine Mutter behauptet allerdings bis heute, dass meine Schwester und ich nicht mal gezuckt, sondern weiter an der Sesamstraße geklebt hätten.
Ich glaube, ich habe selten lustige Dinge als Kind gemacht. Ich war nie Klassenclown, nie Alleinunterhalter auf Verwandtenbesuchen. Das war eher meine Schwester. Ich war die, die mit dem neuen Hanni und Nanni-Buch in der Ecke saß.
2) How would you describe yourself as a child? Extroverted or introverted? Creative? Hyper? Quiet? Compare that with your personality today. Are you still that way, for the most part?
Introverted, quiet, maybe creative. Ich habe sehr viel gelesen und ebenso viel gezeichnet. Auf meinem Schreibtisch lag keine Unterlage, sondern eine weiße Tapetenrolle, auf der ich rumschmieren durfte. Wenn alles voll war, konnte ich die Rolle weiterziehen und hatte so wieder schön viel weiße Fläche, auf die ich lustige Männchen malen konnte.
Ich habe als Jugendliche mehrere Zeichenkurse besucht, von Porträt bis Akt, und wollte früher Modedesign studieren. Aber auch nur, weil ich so gerne Menschen und Klamotten gezeichnet habe. Knöpfe annähen kann ich bis heute nicht, und als ich mit meiner Mappe an der Fachhochschule in Hannover aufgelaufen bin, wurde ich gefragt, ob ich nicht lieber Industriedesign studieren wolle. Ich nehme an, das war ein Zeichen. Und heute bin ich sowieso der Meinung, mit Worten besser umgehen zu können als mit einem Bleistift. Geschweige denn mit InDesign oder Photoshop.
Ich zeichne längst nicht mehr so viel, aber ich lese noch genauso viel wie früher. Glaube ich. Ich habe zwar leider nicht mehr die Zeit, mich sofort nach 14.30 Uhr (Schulschluss, Schulweg, Mittagessen) mit einem Buch irgendwo hinzusetzen, aber dafür darf ich ja jetzt abends länger aufbleiben.
3) What were some of your favorite childhood toys? Do you still have any of them? What do you think of the toys that children are playing with nowadays?
Ich habe am liebsten mit Barbie-Puppen gespielt. Und jede pädagogische Anwandlung von Müttern, die ihrer Tochter dem Umgang mit dem Plastikdämon und damit ein falsches Frauenbild ersparen wollen, kann ich zwar unterstützen und sagen: Nice try. Aber es wird nicht funktionieren. Es macht einfach viel zu viel Spaß, die kleinen, doofen Püppchen an- und aus- und umzuziehen, sie in ihr Haus zu setzen, auf ihr Pferd, in ihren Sportwagen. Und dann legt man irgendwann noch Ken obendrauf und fragt sich, wie Skipper eigentlich auf die Welt gekommen ist.
Meine Schwester und ich sind von meiner Omi mit Barbies und Zubehör förmlich überschüttet worden. Wir hatten zusammen so um die 30 Puppen und alles, was das Mädchenherz begehrt. Leider auch das Mäuseherz: Als wir nicht mehr mit ihnen gespielt haben, hat mein Vater die Barbies in einem Karton (einem sehr großen Karton) auf den Dachboden gebracht, wo einige kleine Feldnager sich an dem weichen Gummi der Gesichter erfreut haben. Alle unsere Barbies haben nun keine Nasen mehr und sehr entstellende Bisswunden an den schlanken Beinen. Warum sie trotzdem noch auf dem Boden liegen anstatt auf einer geräumigen Müllhalde, ist mir schleierhaft.
Das Spielzeug von heute kann ich schlecht beurteilen. Ich hoffe, dass die Kinder immer noch Teddys und Puppen und Kaufmannsläden und Buntstifte kriegen, aber ich ahne, dass auch ne Menge Gameboys und anderer piepsender Kram unterm Tannenbaum liegt. Ich glaube, die Menge an hibbeligen Kindern nimmt zu, weil auch ihr Spielzeug immer hibbeliger wird. Klar fand ich früher auch Dinge toll, die Krach gemacht haben, aber ich fand eben auch ein Buch toll oder Legosteine oder Playmobil. Ich hoffe, dass das viele elektronische Spielzeug und/oder der Computer im Kinderzimmer nicht dafür sorgen, dass die nächste Generation nur noch aus Nerds und Nervensägen besteht. Aber ich habe, ehrlich gesagt, keine Ahnung davon, weil mir Kinder anderer Leute egal sind, solange sie mir nicht meine Handtasche klauen, wenn ich dereinst mit Kapotthütchen einkaufen gehe.
4) Do you feel that you get along well with children? Why/why not? Are you around them quite a bit? Are there any particular age groups that you get along especially well with?
Ich komme nicht so gut mit Kindern klar. Die kleinen Bratzen sind mir irgendwie unheimlich. Dieses Unverständnis von Ironie bzw. die Ehrlichkeit und Unmittelbarkeit, mit der sie einem begegnen, macht mich komischerweise nervös anstatt dass ich sie erholsam finde. Ich weiß einfach nicht, was in ihren kleinen Schädeln so vor sich geht, und das nervt. Natürlich weiß ich auch nicht, was in Schädeln von Erwachsenen vorgeht, aber da kann man immerhin eigene Erfahrungen heranziehen und sich einbilden zu verstehen, was der Rest der Welt tut.
Ich habe glücklicherweise nicht sehr viel mit Kindern zu tun, weil die Freunde, die Kinder haben, weit genug wegwohnen. Mein Patenkind ist eigentlich das erste, was ich etwas spannender finde; vielleicht auch deshalb, weil mir seine Eltern einen Tick mehr am Herzen liegen als der Rest der Clique. Außerdem haben die beiden ein gutes Kind hingekriegt und keine Nervensäge. Emilia zickt nicht, brüllt nur in Maßen, sieht dazu auch noch niedlich aus und ist überhaupt ein erträgliches Wesen. Und sie mochte ihre Nikes zum Fressen gern. 100 Punkte.
Im Moment komme ich logischerweise gut mit ihr aus; das liegt natürlich auch daran, dass ich sie höchstens alle vier Wochen mal sehe. Was passiert, wenn sie älter wird, kann ich noch nicht sagen. Normalerweise mag ich Kleinkinder nicht, weil sie sabbern, größere Kinder mag ich nicht, weil sie laut sind und dauernd was wollen, und pubertierende Jugendliche mag ich nicht, weil sie pubertierende Jugendliche sind. Ich nehme an, ich werde Emilia erst mit 25 wieder mögen, wenn ich ihr auf ihrer Hochzeit erzähle, dass ihr Auserwählter ne Lusche und sie viel zu gut ist für die Pickelfresse, die noch nicht mal ein anständiges Auto fährt. Und dann lege ich wieder mein Kissen auf die Fensterbank und nörgele weiter den Kerl voll, der gerade vor dem Fernseher eingeschlafen ist. Wird schon.
5) Did you like school when you were a kid? Were you involved with any sports, extracurricular activities, etc. as a child? Did you make pretty good grades, and did you like your teachers?
Ich habe Schule als notwendiges Übel gesehen, das irgendwann vorbei sein wird. Jedenfalls sämtliche naturwissenschaftlichen Fächer und Sport. Wenn ich irgendwas gehasst habe, dann den stinkenden Chemieraum und die noch mehr stinkenden Massenumkleiden in der Turnhalle. Die anderen Fächer fand ich dagegen leidlich interessant bis sehr spannend. Lieblingsfächer waren natürlich Deutsch und Englisch, aber auch Gemeinschaftskunde, Geschichte und Kunst/Musik. Bei uns ging in der Oberstufe nur noch eins von beiden. Spacken.
Meine Noten waren sehr gut bis unterirdisch, je nach Interesse. Ich erinnere mich an das Zeugnis in der 10. Klasse: Deutsch und Englisch 1, Biologie 5, der Rest schön im Mittelfeld, wobei die Sport-4 bestimmt nur ne Gnaden-4 war, damit ich nicht wegen so etwas Belanglosem wie Sport nochmal sitzenbleibe. Die Ehrenrunde in der 9. Klasse lag allerdings nicht an Unvermögen, sondern an bodenloser Faulheit bis pubertärer „Mir doch egal“-Haltung. Ich weiß schon, warum ich Jugendliche nicht mag.
Meine Noten hatten auch immer etwas mit den Lehrern zu tun, bis auf die Fächer, in denen ich sowieso gut oder sowieso schlecht war. Aber im Mittelfeld habe ich des Öfteren meine Tendenz festgestellt, nur dann zu lernen, wenn ich den Lehrer/die Lehrerin mochte und faul zu werden, wenn mir die Labernase da vorne auf den Geist ging. Im Nachhinein gibt es wenige Lehrer, die mir im Gedächtnis geblieben sind; einer davon ist mein Mathelehrer in der Oberstufe gewesen, der mir nur dafür halbwegs anständige Noten gegeben hat, weil er gesehen hat, dass ich verdammt nochmal wenigstens versuche, die Kurvendiskussion zu verstehen, auch wenn ich es nie hingekriegt und fast alle Klausuren in den Sand gesetzt habe. Noten fürs Bemühen fand ich sehr fair. Im Gegensatz zu den pädagogischen Pappnasen, die seit zehn Jahren die gleiche Mappe mit den gleichen Testfragen mit sich rumgeschleppt haben. Was natürlich den Vorteil hatte, dass man einfach einen älteren Schüler nach den Lösungen der nächsten Klausur fragen konnte.
Nach der Schule hatte ich (nicht alles in einem Lebensabschnitt) musikalische Früherziehung (alles, was Krach macht), Akkordeon-Unterricht, Geigenstunden, Judo, CVJM, Theater-AG, Filmclub und die erwähnten Zeichenkurse, darunter auch ein Aquarellkurs für Kinder, der ziemlich klasse war. Übrig geblieben sind davon die Fähigkeit, Noten zu lesen, die Faszination für asiatischen Kampfsport und ein gewisses Interesse an der darstellerischen Kunst. Und ne Menge Mappen mit Kinderzeichnungen, die meine Mama nicht wegschmeißen will, auch wenn ich auf ihnen nur noch wässrige Kleckse in wahnsinnig bunt erkennen kann.