Tagebuch Samstag, 24. November 2018 – Fuppesfrust

Morgens bei F. konnten wir nicht so lange rumlungern, wie zumindest ich es gerne gehabt hätte, weil der Herr einen Termin hatte. Also ging ich einkaufen, dann erst nach Hause, kochte Tee und las auf dem Sofa vor mich hin, bevor ich mich in den Zwiebellook fürs Stadion zwängte. Unter Shirt und Pulli kam das Thermooberteil, in dem ich walke, denn das speichert Wärme ganz ausgezeichnet, unter die Jeans kamen die Thermotights, bei denen „tight“ wirklich „tight“ meint. Falls ich jemals wieder eine lange Flugreise machen werde, gehen die bestimmt auch als Kompressionsstrumpf durch. Sind aber trotzdem top bequem. (Ich verlinke mal wieder Nike, die gute Sportbekleidung auch für dicke Menschen anbieten und dafür auch etwas kräftigere Damen als Models engagiert haben.)

Gestern fuhr ich ausnahmsweise ohne F. nach Augsburg ins Stadion, hatte also keinen Gesprächspartner für die 40-minütige Zugfahrt. In meine dicke Winterjacke passt zwar ein Taschenbuch in die Innentasche, ich lese aber nun mal gerade den dicken Feuchtwanger und hatte keine Lust auf alle meine eBooks, die ich auf dem Handy mit mir rumtrage. Also stopfte ich mir 800 Seiten große Literatur in die Seitentasche und in die andere meinen eingerollten FCA-Schal. Der bleibt bis Augsburg in der Jacke, seit ihn mir in München mal ein schlecht gelaunter Blauer wegreißen wollte. Ich war netterweise in breitschultriger Begleitung und habe daher meinen Schal noch. Aber ganz ehrlich: Wenn ich alleine gewesen wäre, hätte ich ihn locker hergegeben. Wenn dem Idioten dabei einer abgeht, ein Stück Textil zu klauen, dann bitte. Meine Verachtung für sein armseliges Leben ist ihm sicher, und ich kaufe mir einfach einen neuen Schal. (Fußballrituale können so erzdämlich sein.)

Auf der Fahrt selber saß ich dann quasi inkognito hinter einigen Herren, die sich teilweise als Eintracht-Frankfurt-Fans zu erkennen gaben (oder an ihren schwarzweißen Schals erkennbar waren), teilweise als Bayernfans, die die Karten fürs Spiel #FCASGE gewonnen hatten. Der Frankfurtfan meinte, sie hätten Augsburg in zehn Spielen nie schlagen können; wenn nicht heute, mit dieser Mannschaft, wann dann? Die Bayernfans beglückwünschten ihn bzw. seine Mannschaft nochmal zum Pokal, und alle waren nett zueinander. Ich kannte die Statistik der letzten zehn Spiele gar nicht und war von Augsburg beeindruckt.

Leider nicht sehr lange.


(Hinter meiner Hand oben links im Bild geht gerade die Sonne hinter dem Stadion unter. Ich habe die mal nicht weggeschnitten, damit ich mich selber daran erinnere, dass ich im Winter keine Sonnenbrille im Stadion brauche, weil die Sonne pünktlich zum Anpfiff nicht mehr blendet.)

Der Kids Club drehte vor dem Spiel seine übliche Ehrenrunde, wie immer auch mit Kindern der Gastmannschaft, was netterweise stets dazu führt, dass die sonst unerbittlich pfeifenden Gegnerfans mal drei Minuten Ruhe geben und kleinen Kindern winken, wie der Rest des Stadions auch. Ich mag das sehr.

Dann gab’s allerdings kaum noch was, was ich mochte. Der FCA kassierte nach 51 Sekunden das erste Gegentor, nach 46 Minuten das zweite, an das dritte kann ich mich nicht erinnern, und bis auf die zwei Minuten nach dem 1:3 in der 91. Minute hatte ich auch nie das Gefühl, dass Augsburg Herr auf dem eigenen Platz war. In der ersten Halbzeit ließ ich mich ab und zu zum Pöbeln hinreißen, weil ich so stinkig war, in der zweiten saß ich nur ergeben in unser Schicksal rum und wartete, bis endlich der Abpfiff kam. Nach dem 0:3 dachte ich ganz kurz darüber nach, schon zu gehen und einen früheren Zug zu nehmen, aber das macht man ja bekanntlich nicht. (Fußballrituale können so erzdämlich sein.) So sah ich immerhin noch ein Tor vom FCA, wollte aber nach dem Spiel wirklich dringend nach Hause. Das war extrem anstrengend beim Zugucken, weil der Mannschaft quasi alles fehlte, was sie beim Spiel gegen zum Beispiel Dortmund noch so aufregend gemacht hatte. Gefühlt kam ein Pass von zehn an, alle wollten es wieder irre kompliziert machen, und wenn es jemals eine Vereinsgeschichte geben sollte, müsste ihr Titel „JETZT LASST DOCH MAL DIE SCHEISS QUERPÄSSE!“ lauten. Die Statistik weist Augsburg leider als Kloppertruppe aus, aber nicht mal diese *hust* Stärke konnten sie gestern aus*hust*spielen, weil Frankfurt cleverer foulte und der Schiedsrichter für mein Gefühl irre viel durchgehen ließ (aber für beide Mannschaften – auch nur gefühlt).

Immerhin war ich schnell bei und in der Tram und schaffte es noch zum frühen Zug um 18.08 Uhr anstatt auf den um 18.42 warten zu müssen. Der Zug war leider ein kurzer und dementsprechend voll, aber netterweise bot mir ein FCA-Fan seinen Sitzplatz an. Sehe ich schwanger aus? Hat Dicksein ungeahnte Vorteile? Oder war der Kerl einfach nur nett? Egal, ich saß. Die ältere Dame neben mir meinte weise: „Wenn die Fans so leise in den Zug kommen, ahnt man immer schon, wie das Spiel war. Verloren?“ Ich berichtete und grinste innerlich darüber, dass die Dame anscheinend die Horde grölender Eintrachtfans zwei Wagen hinter uns nicht gehört hatte. Vor denen hatte ich auf dem Bahnsteig ein bisschen Angst gehabt. Ich mag größere Männergruppen generell nicht, noch weniger mag ich sie bei Fußballspielen (sorry, Jungs) und am allerwenigsten, wenn sie auch noch Bier intus haben. Ich verstehe nicht, dass beim FCA nicht nur alkoholfreies Bier ausgeschenkt wird. Klar tanken alle vorher schon, aber das wäre immerhin eine kleine Möglichkeit, Dinge etwas besser im Griff zu haben.

Neben mir im Zweiersitz hatte es sich ein Frankfurtfan mit seinem kleinen Sohn bequem gemacht, der den umstehenden FCA-Fans begeistert erzählte, dass er vier sei und heute zum ersten Mal im Stadion und wie toll alles gewesen wäre und so weiter und so fort. Die FCAler klönten gemütlich mit, und so fand dann doch eine kleine Fanverbrüderung statt und ich konnte einfach nicht mehr stinkig sein.

Das wurde ich dann in der U-Bahn vom Bahnhof nach Hause, als ernsthaft wieder jemand über den FCA-Schal lästerte, den ich vergessen hatte, wieder in die Tasche zu stecken. Irgendein Trottel textete erst mich und dann seine immerhin komplett unbeeindruckte Freundin voll, dass ich mich wohl verfahren hätte, Augsburg würde hier nicht spielen, was für eine Scheißstadt und er hätte mal einem FCA-Fan in München den Schal geklaut und yadayadayada und dann ging ich einfach weg, weil ich gerade wieder gute Laune gehabt hatte. Vollpfosten. Kein Wunder, dass so viele Leute Fußballfans scheiße finden. Ich finde uns manchmal auch scheiße.