Tagebuch Dienstag, 26. Februar 2019 – IT TOTALLY IS!

Gemeinsam aufgewacht. Damit haben Tage ja eigentlich immer schon gewonnen.

Ich freue mich immer noch darüber, dass ich mich nach fast vier Jahren immer noch darüber freue. Weil wir nicht zusammenwohnen, ist das immer wieder etwas Besonderes, gemeinsam aufzuwachen. Jaja, Hashtag Hach und so, schon klar, Hormone, Frühling, jaja. Frühling weil: Gestern saß schon wieder halb München vor den Cafés. Ich habe beim Vorbeigehen abends um halb acht extra auf die Wetteranzeige auf dem Handy geguckt: 11 Grad. Total Frühling!

Erzählt mir das Freitag abend im Stadion bitte nochmal, wenn ich meckere, dass ich meine Decke nicht dabei habe.

Nach dem Duschen den Herrn zur Tür begleitet, perfekten Milchschaum produziert und Flat White (jetzt wirklich mal einer und keinen Cappuccino) genossen, während ich den gestrigen Blogeintrag publizierte. Kleiner Kaffeetipp mit nachträglichem Dank an die freundlichen Schenkenden: der Münchner Espresso vom Emilo. Auf der Website sprechen sie von „mittelkräftigem Geschmack“ und vermutlich habe ich bisher nur Memmenkäffchen gehabt, denn ich finde den sehr ausdrucksstark. Gerne wieder!

Einen Job erledigt, ein Buch abgeholt, eingekauft, an der Kasse ein Schwätzchen vom Vormann mitgehört und nett gefunden, Entschuldigung für die Verzögerung abgewehrt, wir haben Zeit, alles gut. Nutellabrot zum Mittagessen (das Beste am Erwachsensein).

Dann langsam auf das nachmittägliche Gespräch mit dem Doktorvater vorbereitet. Notiert, was ich ihm alles erzählen wollte und wo ich noch Fragen habe, ein paar bearbeitete Bilder aus dem Nachlass ins Dock geworfen, damit ich sie nicht ewig aus 600 Dateien raussuchen muss, kurze Exposition formuliert, wo ich jetzt eigentlich hinwill und ob das schon reicht. Ich glaubte nämlich, dass das noch nicht reicht, und deswegen wollte ich mal wieder mit Papi sprechen, denn der Mann hat immer viele gute Ideen.

Ich war wie immer zu früh im ZI, las noch ein bisschen im Treibhaus rum, bis es Punkt 16 Uhr war und klopfte dann an die entsprechende Bürotür. Natürlich war der Termin vor mir noch nicht fertig, mein schnuffiger chaotischer Vati, und während wir sprachen, kamen drei Leute rein, die Kaffee oder Infos brauchten, unter anderem eine Dame, bei der ich an der Uni mein erstes Seminar zum Thema „Kunst während der NS-Zeit“ hatte, das sie damals als frische Doktorin mit meinem Doktorvater zusammen gegeben hatte. Sie sah meinen Protzen-Ordner auf dem Macbook und meinte, sie interessiere sich für dessen Frau, woraufhin ich erzählen konnte, dass im Nachlass in Nürnberg Skizzenbücher von ihr wären, aber nicht so irre tolle. Wenn ich noch auf Dinge stoße, möge ich sie ihr bitte weiterleiten. Logisch!

Dann erzählte ich Papi nochmal vom Ende meiner Grossberg-Ambitionen – das hatte ich natürlich schon per Mail mit ihm besprochen –, wir bedauerten das beide kurz, und dann begann ich aufzuzählen, was ich alles zu Protzen gemacht hatte, zeigte meine Fotos vom Nachlass, wies auf ein paar Bilder hin, die ich spannend fand, führte ein paar Überlegungen dazu aus und kam irgendwann auf meine Forschungsfrage, von der ich, wie eben angedeutet, der Meinung war, die würde noch nicht reichen. Woraufhin ich diesen typischen Etablierter-Wissenschaftler-vs-Nullchecker-Studi-Blick abbekam, dieses: „Kind. Was denn noch?“

O-Ton: „Sie sind schlau, Sie haben schon viel gemacht, Sie wissen anscheinend, was Sie tun, Sie haben eine spannende Frage und wissen auch, wo Sie hinwollen.“

Ich so: „…“

Er so: „Fangen Sie an zu schreiben.“

Ich so: „…“

Er so: *nippt am Kaffee*

Ich so: „ABER ICH HAB DOCH DIES NOCH NICHT UND DAS NOCH NICHT UND IN DEM ARCHIV WAR ICH AUCH NOCH NICHT UND …“

Er so: „Lücken schließt man am besten beim Schreiben. Fangen Sie an.“

Und das war dann das. Ich schreibe dann jetzt anscheinend meine Doktorarbeit. Ich dachte, ich hätte noch mindestens ein Jahr Zeit, mir Gedanken darüber zu machen, ob Word wirklich eine gute Idee ist oder ob ich noch LaTeX verstehen sollte, aber das mache ich dann anscheinend auch unterwegs.

Direkt nach dem Termin war ich ein Mittelding zwischen Grinsekatze und Panikhäschen, denn auf einmal fühlte sich die Diss eben nicht mehr wie ein exzentrisches Hobby an, als die ich sie hier im Blog gerne bezeichne, sondern zum ersten Mal wirklich wie ein fassbares Dokument, das ich erstellen werde. Ich musste mir eingestehen, dass ich zwischenzeitig schon daran gedacht hatte, den Kram hinzuwerfen und nur noch aus Spaß ins ZI zu gehen, weil ich schlicht nicht wusste, ob meine Frage irgendwen weiterbringt. Aber anscheinend kratze ich da an ein paar Stellen der Kunstgeschichte rum, wo eben noch keiner gekratzt hat und mehr will ich ja gar nicht.

Mein Doktorvater meinte zu meiner These, dass es vermutlich einige Leute geben werde, die nicht meiner Meinung seien, aber das ist mir ganz recht. Kein Mensch braucht die nächste Diss, die drei Leute überfliegen, müde abnicken, ja passt, thank you, next.

(Das Gefühl jetzt beim Aufschreiben des Gesprächs ist dasselbe wie direkt nach dem Termin: 50/50 „What the fuck“ und „Yay, SCHREIBEN, SCHREIBEN KANN ICH!“)

Ich ließ mich nach der für mich sehr unerwarteten Ansage von der U-Bahn nach Hause bringen, schrieb F. natürlich erstmal eine DM und atmete dabei geistig weiter in eine Papiertüte. Zuhause angekommen, fand ich die Nebenkostenabrechnung des letzten Jahres im Briefkasten.

Sie erinnern sich vielleicht an den Wasserfall aus dem offenen Ventil der Badewanne, den ich beim Renovieren der alten Wohnung produziert hatte, weswegen ich seitdem auf eine irrwitzig hohe Nachzahlung warte?

Das musste alles gefeiert werden und so kehrten F. und ich in unseren geliebten Georgenhof ein. Der baut gerade seine Küche um, weswegen dort, wo im Sommer der Biergarten vor dem Gebäude ist, jetzt ein, laut Schild, „Küchencontainer“ steht, aus dem auch längst nicht die ganze Speisekarte kommt, sondern nur ein Bruchteil des üblichen Programms. Aber: Schnitzel gibt’s immer und darauf hatte ich Lust und dann gab’s noch ein paar Helle und wir fielen gemeinsam ins Bett.