Bücherfragebogen 14: ein Buch aus deiner Kindheit
Unser erstes Kunstbuch von Frances Kennet und Terry Measham (kein Übersetzer_innenname im Buch zu finden). Das Buch müsste ich so mit zehn Jahren bekommen haben, denn es ist von 1978. Darin werden verschiedene Kunstwerke abgebildet und kindgerecht erklärt. Die Mischung fasziniert mich immer noch: Da hat eine persische Miniatur den gleichen Stellenwert wie Magritte, ich habe in diesem Buch zum ersten Mal die Guernica gesehen, den Mann mit dem Goldhelm, Tizian und Seurat, ich habe den Pointilismus und den Impressionismus kennengelernt, ohne die Worte dafür zu kennen, und ich liebe dieses Buch bis heute. Weil es jedes Kunstwerk und jede Stilrichtung als einzigartig und faszinierend darstellt.
Der Text erklärt anhand der Bilder, was Perspektive ist, was die Grundfarben sind, wie eine Komposition entsteht, und es lädt ein, es selbst einmal zu versuchen. Zum Beispiel, indem man Farben anmischt oder sich an einer Pinnwand darin übt, eine Komposition zu erstellen.
Gleichzeitig „antwortet“ es mit Fragen auf Einwürfe, die man vielleicht hat, wenn der Ozean bei Paul Klees Der Seefahrer aus Quadraten besteht oder die Fische so bunt sind:
„Schau dir die drei Fische genauer an. Obwohl jeder anders aussieht, haben ihre Schuppenmuster gewisse Ähnlichkeit. Und wie steht es mit dem Muster auf Sindbads Hemd? Es gleicht dem auf seinem Boot. Hast du je gehört, dass ein Fischer sein Boot so anmalte, dass es zu seinen Kleidern passte? Könnte es sein, dass Klee einfach Spaß daran hatte, diese farbigen Muster zu erfinden?“
Das Buch macht eine so große Welt auf anstatt mit Fakten einzuschüchtern, und es bringt einem Kunst ganz einfach nahe, ohne Zeigefinger, ohne „Das ist gute Kunst, das ist schlechte Kunst“, stattdessen: losgehen, losgucken, persönlich entdecken. Das kriegt mein Patenkind auch, wenn es alt genug ist (und ich es noch in einem Antiquariat finde).
„Schau dir ein Bild öfter an!
Versuche, an einem anderen Tag wiederzukommen, um eines deiner Lieblingsbilder (im Museum) anzuschauen. Beim zweiten Mal wirst du auf ihm manches bemerken, was dir vorher entgangen ist. Picasso sagte einmal, ein Bild würde nur durch die Person lebendig, die es betrachtet. Dass man jedesmal etwas Neues auf ihnen entdeckt, macht den Umgang mit Bildern so spannend.“
Mein Lieblingsbild hat sich übrigens seit circa 30 Jahren nicht geändert. Es ist in diesem Buch abgedruckt, und ich kenne kein schöneres. Es ist Der Seerosenteich von Monet; ich mag bis heute das flirrende Licht, die scheinbare Schwerelosigkeit der Brücke, das unscharfe und unwirklich wirkende Gesamtmotiv, die Farbigkeit, ach, herrlich einfach. Ich war bei meinem ersten Besuch in Paris natürlich im Musée d’Orsay, wo es hängt – nur um feststellen zu müssen, dass es gerade ausgeliehen war. Immerhin war der oben gezeigte Van Gogh da.