King Kong
King Kong (USA 2005, 187 min)
Darsteller: Naomi Watts, Jack Black, Adrien Brody, Colin Hanks, Jamie Bell, Evan Parke, Thomas Kretschmann, Andy Serkis, Kyle Chandler
Musik: James Newton Howard
Kamera: Andrew Lesnie
Drehbuch: Peter Jackson, Fran Walsh, Philippa Boyens (nach einer Story von Merian C. Cooper und Edgar Wallace)
Regie: Peter Jackson
Okay, die Prämisse des Films „Großer Affe verknallt sich in blonde Frau“ ist natürlich total … ähm … affig. Aber wenn man diese Prämisse einfach mal schluckt und nicht weiter drüber nachdenkt, kann daraus ein ziemlich unterhaltsamer Film werden. Im Fall der Neuauflage von King Kong ist daraus sogar ein sehr unterhaltsamer Film geworden: voller Abenteuer, Helden, Feiglinge, unentdeckter Inseln, kleiner Gauner, großer Träume und natürlich den Hauptzutaten Riesengorilla und kreischende damsel in distress. Also: Augen auf und rein ins Vergnügen.
Der Film beginnt in New York zur Zeit der Großen Depression. Kleine Szenen beleuchten stellvertretend die Stimmung im Land: Wir sehen Suppenküchen, leere Theater, hungrige Menschen, die so gut wie jeden Job annehmen würden. So auch Ann (Naomi Watts), die eigentlich Variete-Künstlerin ist und nun vor der unangenehmen Aufgabe steht, als Stripperin zu arbeiten, um sich irgendwie über Wasser zu halten. Netterweise wird sie von Carl (Jack Black) von der Straße weg engagiert, um in seinem neuen Film mitzuspielen, denn dummerweise hat ihn seine Hauptdarstellerin sitzengelassen, und nun braucht er jemanden, der in die schon angefertigten Kostüme passt und mit ihm und seiner Filmcrew auf eine angeblich unentdeckte Insel fährt. Black spielt diese Mischung aus Regisseur, Produzent und Alleskönner charmant-großkotzig – aber von Anfang an wissen wir, dass man ihm nicht trauen kann. Er bleibt drei Filmstunden lang jemand, der nur auf seinen eigenen Vorteil aus ist. Und Black schafft es, dass wir sogar diesen egoistischen Mistkerl gerne sehen; mit seiner eigenen Art aus Komik und Manie macht er aus Carl mehr als ein Abziehbild eines Filmbesessenen.
Der Film besteht aus drei Teilen, die sich recht unterschiedlich anfühlen, aber wunderbar zusammenpassen. Im ersten Teil lernen wir die Charaktere ausführlich kennen: Carl, Ann, Drehbuchautor Jack (Adrian Brody), der nach zwei Sekunden in Ann verknallt ist, Carls Assistenten Preston (Colin Hanks), der fast bis zum Schluss die Ansichten seines Chefs teilt, und den männlichen Hauptdarsteller Bruce (Kyle Chandler, der den schmierigen Pseudohelden schön altmodisch gibt). Dazu die Schiffsmannschaft mit Kapitän Englehorn (Thomas Kretschmann, dem ich wirklich einen dialect coach ans Herz lege) und seine Mannen. Auf der Reise zur Insel kristallisieren sich alle Charaktere heraus, die dann im zweiten Teil auf der Insel zum Tragen kommen: Wer hilft, Ann aus den Klauen von Kong zu befreien und wer rettet lieber seine eigene Haut. Der dritte Teil ist natürlich der große Showdown, wiederum in New York, wo Kong gefangen zur Schau gestellt wird, bevor er brüllend seine Ketten sprengt, um seine Ann nochmal zu sehen.
Naomi Watts hat die unangenehme Aufgabe, ständig dürftig bekleidet und mit groß aufgerissenen Augen durch die Gegend zu rennen und sich von einem Affen anmachen zu lassen. Das hätte extrem peinlich werden können – ist es aber seltsamerweise nicht geworden. Vielleicht auch deshalb, weil Kong kein struppiges 30-Zentimeter-Püppchen mehr ist, dem man sein Drahtskelett ansieht. Nein, Kong ist ein perfekter Gorilla aus dem Rechner. Und was für einer. Sein zerfurchtes Gesicht erzählt von Einsamkeit, seine goldenen Augen können sowohl bedrohlich als auch sehr verletzlich aussehen, und sein Fell ist schlicht ein Meisterwerk der Pixelkunst. King Kong vertraut natürlich sehr auf Special Effects, sei es bei der Wiederauferstehung des New York der 20-er Jahre oder bei den vielen Kreaturen und Kulissen auf Skull Island. Trotzdem wird die Geschichte nicht von den Bildern erschlagen, sondern beides – Handlung und Optik – ergänzt sich sehr stimmig.
Zurück zu Naomi: Kong ist durch die gelungenen Effekte ein realer Charakter, der mit Watts einfach gut zusammenspielt, und daher sind ihre Reaktionen nie albern oder überzogen. Sie selbst schafft es aber auch, aus der langweiligen, kreischenden Opferrolle etwas mehr zu machen. Ihr wird ziemlich schnell klar, dass Kong ihr nichts tun wird, solange sie ihm irgendwie von Nutzen sein kann. Also packt sie ihr Variete-Repertoire aus und steppt für ihn, jongliert und führt die ganzen Kunststückchen auf, die wir anfangs schon in New York von ihr gesehen haben. Und selbst das sieht nicht beknackt aus, sondern passend. Immer vorausgesetzt, dass man sich generell nicht darüber wundert, dass man einem Riesenaffen und einer Frau im Nachthemd zusieht.
Es gibt aber auch noch eine Menge mehr zu sehen. Der erste und der dritte Teil zeigen ein detailverliebtes New York: Menschen, Kostüme, Gebäude – alles sieht nicht nach Kulisse aus, sondern wie eine alte Wochenschau-Aufnahme, die nachkoloriert wurde. Man fühlt sich sofort in der altertümlichen Stimmung zuhause und nicht wie in einem Historienfilm. Der zweite Teil dagegen ist ein ganz anderer Schnack: Skull Island wird von einem Stamm Eingeborener ohne jede zahnärztliche Grundversorgung, aber dafür mit 30 Piercing-Studios, bewohnt, die die arme Naomi vom Schiff entführen und sie Kong opfern. Der wiederum schleppt sie kreuz und quer über die Insel und hält ihr allerlei Viehzeug vom Leib, mit dem sich der Rest der Crew selbst auseinandersetzen muss: Brontosaurier, die Gebrüder T-Rex, riesige Kakerlaken (oder irgendwas, was so aussieht, aber mehr Beinchen hat) und – meine Lieblinge – übergroße Penisse, die in Sümpfen leben und drei Reihen Fangzähne haben. Ganz possierliche Kerlchen und direkt einem Alptraum der Lesbenbrigade entsprungen. Aber auch sie haben der Feuerkraft der Weißen nichts entgegenzusetzen, genau wie die Dinos, die entweder zu doof sind, nebeneinander durch eine enge Felsgasse zu rennen und sich so selbst außer Gefecht setzen oder die schlicht von Kong vermöbelt werden. Besonders ein Kampf des Affen gegen drei T-Rexe (oder wie auch immer der korrekte Plural lautet) hat es mir angetan: Naomi begegnet nacheinander allen dreien, bis endlich Kong dahergeschlendert kommt. Und wenn der sprechen könnte, hätte er, neben dem üblichen machomäßigen Brustgetrommel, garantiert noch freundlich gefragt: „Entschuldigung, Miss, werden Sie von diesen drei Echsen belästigt? Ich kümmere mich mal eben darum. Warten Sie bitte dahinten in den Lianen und versuchen Sie, nicht in die Schlucht zu fallen.“
Der Teil auf der Insel ist ein bisschen zu lang geworden – wahrscheinlich, weil Jackson unbedingt noch die Penisse unterbringen wollte –, aber alleine für den Rex-Kong-Kampf lohnt sich jede Minute. Immer wenn man glaubt, jetzt hat er’s geschafft, die blöden Fleischfresser sind erledigt, taucht wieder einer auf. Und das ganze in einem unglaublichen Tempo und wunderbar choreografiert.
Bis kurz vor Schluss ist King Kong eine lustige Abenteuerfarce. Aber sobald Kong in New York seine Ann wiederfindet, sind Taschentücher angesagt. Die wenigen Minuten, die die beiden noch miteinander teilen können, bevor der Affe vom Empire State Building geschossen wird und lautlos in die Straßenschluchten fällt, sind so zärtlich und behutsam, dass man kaum glauben kann, dass man erst vor zehn Minuten über das Kieferknacken eines Dinosauriers gelacht hat. Glücklicherweise erspart uns Jackson peinliche Dialoge, mit denen die Szenen zwischen Affe und Frau noch seltsamer geworden wären als sie es eh schon sind. Die einzigen Worte, die Naomi an Kong richtet, sind „No!“ (als er ihr aus Versehen weh tut) und „Beautiful“, als die beiden von einem Berggipfel auf die Insel blicken, die von so weit oben sehr friedlich und schön aussieht. Das wiederholt sich, als die beiden auf New York herunterblicken, und da ich ja die Memme vor dem Herrn bin, hat es mir buchstäblich das Herz gebrochen, als Kong per Geste andeutet, dass es ihm gerade genauso geht. Selbst die belustigte Biertrinkerfraktion drei Plätze neben uns musste sich ziemlich zusammenreißen, um nicht loszuflennen.
King Kong schafft es, Bilder zu zeigen, die ich vorher nicht für möglich gehalten hätte, mir eine alberne Story als anrührend und spannend zu verkaufen, was ich vorher auch nicht für möglich gehalten hätte, und er fesselt über drei Stunden, ohne überflüssige Handlungsschlenker und Dialogmüll. Er fühlt sich nicht wirklich neu an, hat aber gleichzeitig nicht den Hauch von Patina. Ich muss gestehen, ich weiß immer noch nicht genau, warum ich den Film eigentlich mochte, auch wenn ich seit einer Stunde in dieser Kritik versuche, mir selber Gründe zu erzählen. Ich mochte ihn einfach. Ich habe mich hervorragend unterhalten. Und ich bin sehr stolz darauf, bis auf den ersten Saz jedem Kalauer widerstanden zu haben.
(Affentheater! AFFENTHEATER!)
(tschuldigung)