Jarhead
Jarhead (USA 2005, 123 min)
Darsteller: Jake Gyllenhaal, Peter Sarsgaard, Jamie Foxx, Lucas Black, Brian Geraghty, Jacob Vargas, Laz Alonso, Chris Cooper, Dennis Haysbert
Musik: Thomas Newman
Kamera: Roger Deakins
Drehbuch: William Broyles Jr, nach dem Roman von Anthony Swofford
Regie: Sam Mendes
(Achtung, ein paar winzige Spoilerchen konnte ich nicht unterdrücken)
Ziemlich zum Ende von Jarhead hören wir Hauptdarsteller Jake Gyllenhaal als Marine Tony aus dem Off: “Every war is different. Every war is the same.” Ein schönes Fazit. Dumm nur, dass man dieses Fazit auch auf den Film anwenden kann: All war movies are different. All war movies are the same.
Jarhead beruht auf der Autobiografie von Anthony Swofford, der im ersten Golfkrieg im Irak kämpfte. Beziehungsweise gerne gekämpft hätte, denn bis kurz vor Kriegsende haben er und seine Kameraden nichts anderes gemacht als Ölfelder zu bewachen und versucht, vor Langeweile nicht die eigenen Kameraden zu erschießen. Von dieser Langeweile erzählt der Film – und das meist in Bildern und Sätzen, die einem verdammt bekannt vorkommen. Jarhead macht aus dieser Not manchmal sogar eine Tugend, indem er die Marines auf dem Stützpunkt Apocalypse Now anschauen lässt oder ein Video von The Deer Hunter in die Handlung einbaut. Wobei sich das Video als eine gehässige Botschaft einer Ehefrau eines Marines entpuppt, die inzwischen lieber mit dem Nachbarn schläft. Aber wenn am Anfang Tony in der „Ausbildung“ von seinem Sargeant gedemütigt und angeschrieen wird, muss man sofort an Full Metal Jacket denken, der diese Abart von militärischer Erziehung so unnachahmlich eingefangen hat, dass alles, was danach kommt, eben wie eine billige Kopie aussieht.
Auch das Zusammensein im Lager im Irak bietet wenige Überraschungen: das übliche testosterongesättigte Macho-Gequatsche der Jungs, die wilde Vermutungen über die Bettqualitäten der Freundinnen und Frauen der anderen anstellen. Das Einerlei an Patrouillengängen im Niemandsland. Die Wachdienste, die eigentlich nichts bewachen. Und weil eben jeder Feindkontakt wahnsinnig weit weg ist, wird Football in Gasmasken gespielt, auf Kamele gezielt, und es werden zu Weihnachten aus Versehen ein paar Leuchtraketen abgefeuert, was Latrinendienst nach sich zieht, aber keine kriegerischen Aktivitäten. Das ganze fühlt sich wie ein Ferienlager für Männer an, nur das alle zufällig bis an die Zähne bewaffnet durch die Gegend laufen. Es fühlt sich gleichzeitig ziemlich banal an, und deswegen fiel es mir schwer, die Anspannung nachzuvollziehen, die einigen angeblich nervlich sehr zugesetzt hat. So wird aus Tony innerhalb weniger Minuten eine wandelnde Zeitbombe; er presst einem Kumpel das Gewehr ins Gesicht und droht, ihn zu erschießen, wo er doch vorher ein gut gelaunter Marine war, der Camus auf dem Klo gelesen hat.
Ich nehme an, dass der Film ein Anti-Kriegsfilm sein soll. Um das zu erkennen, muss man sich allerdings ein bisschen Mühe geben, denn mit der ganzen schmissigen Tonspur und den gut gelaunten Jungs, von denen kein einziger im Kampf draufgeht, sieht Jarhead doch ziemlich nach einer Werbung für eine Karriere im Militär aus. Aber einige Szenen und Figuren verleihen dem Film dann doch die nötige Tiefe, jedenfalls streckenweise. Tonys bester Freund Troy (Peter Sarsgaard) ist davon überzeugt, das Richtige zu tun, seinem Land zu dienen und seine Pflicht zu tun, während Tony seinem Vorgesetzten, der ihn brüllend fragt, was er zum Henker hier mache, wahrheitsgemäß entgegenschreit: “I got lost on my way to college, SIR!” Trotzdem sind die beiden ein gut eingespieltes Team von Scharfschützen, und aus den verschiedenen Erwartungshaltungen diesem Krieg gegenüber ergeben sich wenige eindrucksvolle Szenen. Die beste ist sicherlich die, als beide endlich! dem Feind gegenüberstehen – aber trotzdem nicht zum Zug kommen. Worauf Troy fassungslos zusammenbricht und nur noch brüllt: “That was my kill!” Die letzte Chance, schlicht seinen Dienst zu tun – sie wird ihm verwehrt.
Dass dieser Dienst bedeutet, Menschen zu erschießen, fällt niemandem mehr auf. Die Monate der Gemeinsamkeit ohne Ziel und Zweck haben die Männer von der Realität einer straff organisierten Armeetruppe entfernt. Mitgefühl scheint nicht mehr vorhanden zu sein; so werden z.B. verbrannte Leichen eines Autokonvois, der unter Beschuss genommen wurde, belustigt als crispy critters bezeichnet. Und durch das Aufwachsen mit MTV und CNN wird der Krieg eher als Unterhaltung denn als Bedrohung empfunden. Als einmal eigene Hubschrauber über eine Gruppe hinwegfliegen und dabei die Doors ertönen, nölt Tony, dass das Vietnam-Musik sei: “Can’t we have our own songs?”
Jarhead bewegt sich des Öfteren auf der Grenze zur Komödie, ohne dabei so bissig zu sein wie Three Kings. Er versucht, die Tragik des Krieges klarzumachen wie mit dem ausgebombten Autokonvoi, dem Überschnappen einiger Rekruten und ständigen verschwitzten, angespannten Gesichtern. Er erinnert dabei an Platoon, ist aber längst nicht so eindringlich. Er fühlt sich eben an wie ein seltsam unentschlossener, seelenloser Remix aus allen Kriegsfilmen, die man in den letzten Jahren gesehen hat. Denn auch die Charaktere gehen einem nicht besonders nahe – sie sind nur Stereotypen: der bebrillte Tolpatsch, der sexversessene Großkotz, der Marine mit eisernem Pflichtgefühl und eben Tony, der eigentlich gar nicht hier sein will, was man ihm aber auch nicht wirklich anmerkt.
Was mich dennoch davon abgehalten hat, den Film direkt nach dem Verlassen des Kinos abzuhaken, waren einige wenige Szenen, die sich gut anfühlten, richtig, nicht so platt. Zum einen die Darstellung des Vorgesetzten der Truppe, Sargeant Sykes, der von Jamie Foxx verkörpert wird. Er ist der erste Charakter, dem ich es abgekauft habe, dass er sich zum Militär gemeldet hat, weil er den Job mag. Nicht das Rumschreien, nicht die Kriegsgefahr, nein, die Chance, Rekruten auszubilden, sie zu führen und sie nicht im Stich zu lassen, wenn es darauf ankommt. Natürlich benutzt auch er das F-Wort in jedem zweiten Satz und auch er hat ein paar markige Sprüche drauf, bei denen einem der Intellekt wegschmilzt. Aber bei all seinen Posen merkt man ihm an, dass er seinen Job ernst nimmt. Und dass es eben für ihn ein Job ist. Er muss sich nichts beweisen, es geht ihm nicht um Geld oder um sein Vaterland oder was auch immer. Es ist sein Job, einen Truppe 20jähriger in der Nähe von brennenden Ölfeldern zu beschützen, und genau das macht er auch. Fertig, aus.
Der oben angesprochene Zusammenbruch von Troy war ebenfalls eine der Szenen, die noch nachgehallt haben, genau wie die Bilder der Ölquellen in Flammen, dem Regen aus schwarzem Gold, ein Traum, in dem Tony Sand kotzt und einige völlig verständnislose Blicke, die Gyllenhaal für seine Umgebung übrig hat. Ãœberhaupt macht Gyllenhaal eine ziemlich gute Figur, auch wenn mir bis zum Schluss nicht ganz klar wurde, warum seine anfängliche Abneigung dem Militär gegenüber in Begeisterung über den Kriegseinsatz umgeschlagen ist. Jarhead lässt einen allgemein ein bisschen ratlos zurück: Die Botschaft, dass Krieg kein Spaziergang ist, kannte ich schon vorher und habe sie hier eher verwässert gefunden. Dass Menschen sich in Extremsituationen verändern, ist auch nix Neues, aber die Veränderungen, die hier passieren – wenn denn überhaupt welche passierten –, waren auch nicht der Rede wert. Und vor allem konnte ich eben nicht nachvollziehen, durch was genau die Jungs sich verändert haben. Der Unterschied von Jarhead zu anderen Kriegsfilmen ist, dass es kaum Szenen von der Front gibt. Dieser Unterschied, der aus ihm wirklich etwas Besonderes hätte machen können, geht aber völlig unter im üblichen Truppen-Einerlei. Jarhead fühlt sich an wie die hundertste Nacherzählung einer altbekannten Geschichte. Irgendwann kann man’s eben nicht mehr hören, und die Pointe kennt man auch schon. Und Jarhead hat nicht mal eine.