„Rocky!“ — „Adrian!“ — „ROCKY!“
Möchte jemand mein Auto kaufen?
Ich fahre es seit über zwei Jahren nicht mehr – nicht weil es doof ist, sondern weil ich einfach kein Auto mehr fahre. Ich renne stattdessen in der Gegend rum, radle neuerdings oder sitze lesend im Bus. Und weil ich seit längerer Zeit gut mit dem Mantra klarkomme „Was ich ein Jahr lang nicht benutzt habe, kommt weg“, kommt das Auto jetzt halt weg. Wobei mein Herz nicht nur blutet, sondern auch noch Rotz und Wasser weint, denn ich liebe diese Karre wirklich. Deswegen hat es auch so lange gedauert, bis ich es über mich gebracht habe, diesen Eintrag online zu stellen. Der liegt nämlich seit Januar in meinen Entwürfen.
Die harten Fakten: BMW 316i, Bj. 1988, 100 PS, Katalysator, ich habe keine Ahnung, wie die Lackfarbe heißt – die Vermutungen reichen von rauchsilber über bronze zu champagnermetallic; mein bester Freund nennt es rentnergold. Das Bild zeigt ihn vor elf Jahren, als ich ihn gekauft habe; inzwischen hat er eine kleine Delle im vorderen Kotflügel, die ich immer zu faul war auszubessern. Innen besteht er aus braunen Polstern und einem schwarzen Armaturenbrett. 5-Gang-Schaltgetriebe. Wenn man sich drum kümmert, kriegt man eine grüne Plakette trotz eines stattlichen Verbrauchs von ungefähr 10 Litern Normalbenzin auf 100 km. Für Hamburg braucht man keine Plakette, daher hat der Wagen auch keine.
Kilometerstand 67.000 Kilometer (ja, 67, nicht 167), Garagenwagen, ich bin Zweitbesitzerin und der Wagen ist unfallfrei. Trotz seines Alters hat er bei mir immer ohne Schwierigkeiten TÜV bekommen; ich habe ihm direkt nach Kauf neue Bremsbeläge und im Laufe der Zeit zwei neue Batterien spendiert, sonst war nie was dran.
Wenn der Wind günstig steht, kriegt man ihn auf der Autobahn bis auf 190, richtig entspannt fährt er sich allerdings nur bis ungefähr 170. Danach hat man das Gefühl, am Ruder eines schweren Schiffs zu stehen. Das ist der Moment, in dem ich das Lied des Steuermanns aus dem Fliegenden Holländer zu singen beginne.
Das Fahrzeug eignet sich hervorragend als Meditationsraum, denn es verfügt nur über ein Radio mit vier Stationstasten. Keine Ablenkung durch iPod-Anschlüsse oder CD-Wechsler; es mag es sehr, wenn man singt (siehe oben). Zwei formschöne Türen öffnen sich in schwerer deutscher Qualität zu einem üppigen Innenraum. Der Fond lässt sich durch einfachstes Umlegen der Vordersitze bequem erreichen und bietet Platz für zwei bis drei Menschen oder Ikea-Pakete bis zu einer Länge von ungefähr 1,90 m. Wenn man lange genug schreit, kriegt man auch ein Billy-Paket rein, aber man muss wirklich lange schieben und sich auf dem Ikea-Parkplatz zum Affen machen. Dafür passen in den Kofferraum gleichzeitig ein Golfbag, ein dazu passender Trolley, eine Kiste mit dem üblichen Kram wie Abschleppseil und Starthilfekabel, das Warndreieck, der Verbandskasten, ein Benzinkanister und vier bis sechs volle Einkaufstüten.
Im Handschuhfach liegt die Bedienungsanleitung, in die, glaube ich, noch nie jemand reingeguckt hat. Weil ich ein netter Mensch bin, lasse ich noch zwei Glühbirnen drin liegen, die für die Rücklichter benutzbar sind. Die lassen sich nämlich im Gegensatz zu diesen ganzen modernen Schnickschnackautos, wo man an nix mehr rankommt, in drei Minuten selbst auswechseln.
Zwei kleine Haken hat der Traum in gold dann doch. Der erste: Der Wagen hat seit einem Jahr zwei Jahren keinen TÜV mehr und ist damit überhaupt nicht fahrbereit. Und, ich wiederhole das noch mal, er wurde seit über zwei Jahren nicht bewegt.
Der zweite Haken, der allerdings nur kosmetischer Natur ist: Er starrt vor Dreck. Ich nenne seine jetzige Farbe Kölner-Dom-dunkelgrau, denn er steht in einer großen Gemeinschaftstiefgarage, wo täglich ungefähr 200 Autos angelassen werden. Ich bin trotz allem Ekel sehr beeindruckt davon, wieviel Ruß die ganzen anderen Fahrzeuge produzieren. Ich würde bei Übergabe des Wagens Sagrotantücher reichen; waschen will ich die Karre nicht mehr, denn dann ist sie wieder hübsch und ich stelle diesen Eintrag wahrscheinlich nie online.
VB 1.200 Euro, Mail an mail ‘dings’ ankegroener ‘dings’ de. Wer ihn haben will, sollte ein stabiles Abschleppseil mitbringen, um meinen Schatz aus der Tiefgarage ziehen zu können.
Er heißt Rocky und freut sich, wenn man das BMW-Logo in der Lenkradmitte streichelt.