The Girl with the Dragon Tattoo
© Columbia Pictures
The Girl with the Dragon Tattoo (Verblendung, USA/UK/SWE/GER 2011, 158 min)
Darsteller: Daniel Craig, Rooney Mara, Christopher Plummer, Stellan Skarsgård, Robin Wright, Joely Richardson, Steven Berkoff, Yorick van Wageningen
Musik: Trent Reznor, Atticus Ross
Kamera: Jeff Cronenweth
Drehbuch: Steven Zaillian nach einem Roman von Stieg Larsson
Regie: David Fincher
Wer das Buch kennt, kann sich den Film schenken, außer er oder sie möchte die wuselige, viel zu lang ausgewalzte und dazu noch äußerst krude Handlung mal schön straff zusammengefasst und mit weniger Seitenarmen serviert bekommen. Das macht Tattoo nämlich sehr hübsch; es werden weitaus weniger Butterbrote gegessen als im Buch, es wird weniger ausführlich in der Gegend rumgefahren, und man muss den Protagonist_innen nicht seitenlang beim Lesen und Denken über die Schulter … äh … lesen.
Ich kann mir zwar kaum vorstellen, dass es noch Leute gibt, die das Buch nicht kennen, aber falls doch: In der Geschichte geht es um eine schwedische Familie mit gefühlt 800 Mitgliedern. Eins davon, die junge Harriet, ist seit 40 Jahren verschwunden. Weggelaufen? Entführt? Ermordet? Ihr Vater Onkel fragt sich das, seitdem sie verschwand – vor allem, weil er jedes Jahr zum Geburtstag ein Geschenk von ihr bekommt. Um den Fall nach all der Zeit doch noch zu lösen, beauftragt er den Journalisten Mikael Blomkvist (Daniel Craig), den er vor Auftragsvergabe von Lisbeth Salander (Rooney Mara) hat auskundschaften lassen. Und das ist im Prinzip die Story: whodunit. Was natürlich ein bisschen dünn wäre, weswegen sowohl Buch als auch Film noch zwei, drei (eher beknackte) Hintergrundstorys haben und die Charaktere hübsch ausschmücken. Blomkvist darf unkonventionelle Verhältnisse haben und Probleme mit seiner Zeitung, und Lisbeth, ja, Lisbeth ist endlich mal eine Figur, die ich persönlich sehr großartig finde.
Sie ist zäh, schlau, gepierct, tätowiert, raucht, säuft, fährt Motorrad, hackt sich in jedes Netzwerk und jeden Rechner, weiß, wie man mit Waffen und elektronischem Equipment umgeht und widerspricht so ziemlich jedem Weibchenklischee, dem man in Film und Literatur so gerne begegnet. Ganz gegen den Strich bürsten ging dann aber doch nicht, und deswegen kriegt sie eine Vergangenheit, die immer noch mehr Mädchen betrifft als Jungs. Was ihre Motivation, Harriets Verschwinden aufzuklären, hübsch unterfüttert, aber ich habe mich trotzdem die ganze Zeit gefragt: Musste das mal wieder sein?
Was mich am Film ein bisschen enttäuscht hat: Er macht nicht mehr, als das Buch ordentlich auf die Leinwand zu transportieren. Gerade von einem Team wie Regisseur David Fincher und Autor Steven Zaillian hätte ich etwas mehr erwartet. Mehr Ideenreichtum bei den Bildern, vielleicht ein bisschen mehr Freiheit bei der Story. Natürlich, die im Buch schon eher langweilige Recherchearbeit wird durch blitzschnelle Schnitte auf schicken MacBooks deutlich interessanter, und alleine der fassungslose Blick Maras, die dem vor sich hinsummenden Opa Craig dabei zuguckt, wie er gefühlt in Zeitlupe ein Dokument auf dem Desktop für sie sucht, ist das Eintrittsgeld wert. Überhaupt: Die Chemie zwischen den beiden hat mir sehr gut gefallen, vor allem, weil Craig auf Mara anders reagiert als auf den Rest der Weiblichkeit im Film. Das kam im Buch nicht so deutlich rüber, wenn überhaupt. Mara bleibt den gesamten Film lang bei ihrer konsequenten Linie: scheinbar emotionslos, immer auf der Hut und den anderen stets einen geistigen Schritt voraus. Craig dagegen lässt bei den Frauen der Vanger-Familie seinen Charme spielen, hat mit seiner Kollegin ein erkennbar jahreslanges Verhältnis, das sich in Vertrautheit und einem ungekünstelten Umgang miteinander zeigt, aber vor Maras Lisbeth steht er erstmal fassungs- und verständnislos. Bis sie ihm zeigt, bis wohin er gehen darf, und daran hält er sich auch.
Trotzdem bleibt das Ganze eine brave Verfilmung – was sicher auch schon toll ist bei der ausufernden Vorlage –, aber eben nicht mehr. Das einzig visuell Faszinierende war der Vorspann, den ich mir auch gerne als Videoclip angeschaut hätte. Und der Typ im NIN-Shirt war natürlich eine charmante Verbeugung vor Trent Reznor, der mit Atticus Ross zusammen für den Soundtrack verantwortlich ist. Der ist mir allerdings weder positiv noch negativ aufgefallen, und ich kann mich immer noch nicht entscheiden, ob das nun gut oder schlecht ist.
Genervt hat der pseudoschwedische Akzent, den fast alle Beteiligten drauf hatten, außer Craig, der vielleicht keine Lust hatte, und lustigerweise Stellan SkarsgÃ¥rd, der Schwede ist. Außerdem habe ich mich gefragt, warum manche der Schriftstücke auf Schwedisch waren, andere wieder auf Englisch. Die Besetzung ist klasse, Rooney Mara großartig, aber der ganze Film bleibt über zweieinhalb Stunden völlig belanglos und unspannend. Aber das mag daran liegen, dass ich eben schon wusste, wie’s ausging. Andererseits weiß ich auch, dass Apollo 13 wieder zur Erde zurückkehrt, und trotzdem habe ich bei dem gleichnamigen Film zwei Stunden auf der Kante meines Sitzes gehangen.
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Der Bechdel-Test:
1. Es müssen mindestens zwei Frauen mitspielen, die
2. miteinander reden
3. und zwar über etwas anderes als Männer.
Soweit ich mich erinnere, ist die einzige Frau, mit der Lisbeth drei Sätze reden darf, die Angestellte bei Vengers, die ihr die Aktenordner raussuchen muss. Dafür darf Craig ausführlichst wichtige Jungsgespräche mit seinem Auftraggeber, dessen Anwalt oder Verwandten führen.
Bechdel-Test bestanden: nein.