Bücher Februar 2012
Jonathan Lethem – Chronic City
Nach 160 Seiten weggelegt. Bis dahin begegnen wir der ich-erzählenden Hauptfigur Chase, ein ehemaliger Kinderstar, dessen Verlobte gerade als Astronautin in der Space Station weilt, von der sie nicht wegkommt (habe vergessen, warum). Chase befreundet sich mit Perkus Tooth, der zugekifft in einem mit Büchern überfüllten Appartement lebt und früher eine lokale Berühmtheit war, weil er Plakate klebte, auf denen er sich mit der Welt und ihrer Popkultur auseinandersetzte. (Vielleicht sollte man ihm sagen, dass es dafür Blogs gibt.) Außerdem bietet Perkus gerne auf eBay um große Kessel mit, weil sie ihn angeblich beruhigen. Schließlich gibt es noch (Name vergessen), den es nervt, dass ein Adlerpärchen vor seinem Fenster nistet, und dann sind da noch ein paar wohlbetuchte Damen und Galeristen und New Yorker Szenepublikum und das hätte alles schön schräg werden können, war aber irgendwie weder Fisch noch Fleisch und lange nicht so faszinierend wie The Fortress of Solitude, das ich großartig fand. Chronic City habe ich bedauernd aus der Hand gelegt, denn ich hätte es gerne gemocht.
(Kritiken beim Perlentaucher zur deutschen Fassung, Leseprobe
bei amazon.de.)
Helmut Krausser – Schweine und Elefanten
An das Buch musste ich mich erst gewöhnen, denn es geht relativ schnell in medias res und lässt die eher unsympathische Hauptfigur Hagen mit der genauso unsympathischen Valerie im Bett enden. Nix gegen hübsche Fickszenen, aber irgendwann hätte ich den beiden gerne zugerufen: „Wollt ihr nicht irgendwann mal was essen? Oder aufs Klo?“ Nach der heißblütigen und gleichzeitig gelangweilten Balzphase wird die Beziehung nicht unbedingt entspannter, aber dafür gefiel mir das Buch immer besser. Ist keine freundliche Lektüre – eher das Gegenteil –, aber ich mochte die derbe und sich nie entschuldigende Sprache und Handlung nach der erwähnten Eingewöhnungsphase recht gerne.
Siri Hustvedt – The Blindfold
Schön, schön, schön. Hustvedts Erstling erzählt von Iris, einer Studentin, die einen seltsamen Job übernimmt. Ein ebenso seltsamer Kerl gibt ihr Gegenstände aus dem Besitz eines toten Mädchens, die sie beschreiben soll: ihren Geruch, ihre Haptik, ihre Assoziationen. Außerdem geht es um Iris’ Beziehung zu Stephen, ein Foto, das von ihr gemacht wird und ihren Aufenthalt in einer psychiatrischen Anstalt. Der letzte Teil des Buchs hat mir nicht mehr ganz so gefallen, alles davor schwamm in Geheimniskrämerei, schönen Worten und dem angenehm irritierenden Gefühl, dass hinter allem viel mehr steckt und ich nur zwischen den Zeilen ein bisschen graben muss, um dahinter zu kommen.
(Leseprobe bei amazon.de.)
Edna Ferber – Giant
Den Film mit James Dean kenne ich seit 30 Jahren, das Buch las ich erst jetzt. Hätte auch nicht sein müssen, wenn ich ehrlich sein darf. Die Sprache ist 50er-Jahre-mäßig verquast, hat allerdings ein paar hübsche Spielereien wie z.B. das Weglassen von Zeichensetzung, um Hektik klarzumachen. Kam mir sehr modern vor, hat aber den Kontrast zum angestaubten Inhalt noch deutlicher gemacht. Und auch wenn die Heldin den damaligen Konventionen zuwider handelt, ist es für uns heute natürlich immer noch viel zu nah am braven Ehefrauenbild, wo die Dame nix können muss und auch nix tut, sondern nur rumsitzt und Papa mal machen lässt. Außerdem konnte ich nach 50 Seiten wirklich nicht mehr hören, wie toll Texas ist bzw. was alles nicht toll daran ist. Einer der wenigen Fälle, in denen ich sage: Film besser als Buch. (Meine anderen Lieblingsbeispiele dafür sind Die Blechtrommel und Lord of the Rings.)
(Leseprobe bei amazon.de.)
Maximilian Buddenbohm – Marmelade im Zonenrandgebiet: Geschichten übers Erwachsenwerden
Ist komisch, Bücher von jemandem zu rezensieren, mit dem man mal ein Bier getrunken hat. (Memo to me: mit allen Menschen Bier trinken gehen.) Maximilian hat aber nichts zu befürchten, denn ich fand sein erstes biografisches Buch schon toll und sein zweites genauso. Sogar noch ein bisschen mehr, weil die Geschichten nicht so auf Pointe geschrieben waren, sondern schon fast einen Roman ergaben. Der natürlich viel zu kurz war, aber das ist ja immer so mit Büchern, die man mag. Aber ernsthaft: Alleine über Dimitri hätte ich noch 100 Seiten lesen wollen. Über Frau von Walther allerdings nicht, ich hatte selbst mal kettenrauchende Chefinnen mit ekligen Hunden. Nicht nur deshalb konnte ich mich in den Texten wiederfinden; ich nehme an, jeder, der irgendwann mal 20 war und jetzt 40 ist (oder in der Nähe davon), wird das tun. Insofern: Hallo, Zielgruppe. Hier ist dein Buch.
(Leseprobe bei Rowohlt.)
Helmut Krausser – Fette Welt
Meh. Den ersten Teil der Hagen-Trinker-Trilogie, Schweine und Elefanten, mochte ich, wie erwähnt. Den zweiten Teil gibt es nur noch antiquarisch, und auf ein gebrauchtes Buch hatte ich keine Lust. Vom dritten Teil Fette Welt habe ich immerhin 150 Seiten gelesen, bis ich mir selber die Erlaubnis gab, das Ding wegzulegen. Noch anstrengendere Sprache, noch blödere Frauenbilder, noch mehr Rumphilosophieren, aber diesmal eher auf die extrem nutzlose Art, wie man morgens um 4 zugekifft rumphilosophiert … wollte ich einfach nicht lesen.
Hans-Josef Ortheil – Im Licht der Lagune/Die Nacht des Don Juan
Ich wiederhole mich, weil ich zu Herrn Ortheils Büchern halt immer das gleiche sagen will: schön. Schlicht schön. Wer mit der manchmal etwas aufgesetzten Sprache klarkommt – oder ihr verfallen ist wie ich –, der kann alles von dem Mann lesen. In Licht geht es um einen jungen Mann, der mit Gedächtnisverlust im Venedig des 18. Jahrhunderts aufgefunden und von einem Graf in dessen Palast mitgenommen wird. Weitere Zutaten: eine Nachbarstochter mit Erlebnishunger, ein unglaubliches Talent, das der junge Mann mitbringt, der Graf mit einem Plan, eine Hochzeit, viel Essen, Sonnenschein und Rumgeknutsche. In Don Juan fabuliert Ortheil von der Entstehung Don Giovannis in Prag, und wir gucken Mozart, dem Librettisten da Ponte, Casanova und einer Runde Bediensteter über die Schulter. Auch hier gibt’s viel zu essen und dazu noch viel Musik. Ich wiederhole mich, weil ich zu Herrn Ortheils Büchern halt immer das gleiche sagen will: schön.
(Leseprobe bei amazon.de.)
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