Perfume: The Story of a Murderer (Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders, F/E/D 2006, 147 min)
Darsteller: Ben Whishaw, Dustin Hoffman, Alan Rickman, Rachel Hurd-Wood, Corinna Harfouch, Karoline Herfurth, Paul Berrondo
Musik: Reinhold Heil, Johnny Klimek, Tom Tykwer
Kamera: Frank Griebe
Drehbuch: Andre Birkin, Bernd Eichinger, Tom Tykwer (nach dem Roman von Patrick Süskind)
Regie: Tom Tykwer
Eigentlich wollte ich mir jedes Wortspiel zu Perfume: The Story of a Murderer verkneifen, aber nachdem ich schon nach zehn Minuten total gelangweilt war und ich nur deshalb nicht aus dem Kino gegangen bin, weil ich heute was zu bloggen haben wollte, muss jetzt doch ein doofer Kalauer her. Sozusagen meine billige Rache für zweieinhalb anstrengende Stunden. Kurz und knapp: Das Parfum stinkt.
Leider. Denn ich mag Tom-Tykwer-Filme sehr gerne. Ich mag an ihnen, dass ich bis jetzt aus jedem mit einem ganz neuen Gefühl im Bauch aus dem Kino gekommen bin. Ich war glücklicher, trauriger, ruhiger, aufgewühlter, manchmal sogar beseelt und immer gut unterhalten – kein Tykwer-Film hat mich je kalt gelassen. Bis auf Perfume. Ausgerechnet. Der Film fühlt sich von Anfang bis Ende wie vom Reißbrett runtergedreht an, Pflicht ohne Kür, fertig, zack, weg. Aber gerade bei einer derart emotionalen Geschichte wie der von Grenouille, dem Parfümeur aus der Gosse mit der besten Nase der Welt, der dreizehn Mädchen umbringt, um den einzigartigen Duft von Unschuld und Liebe einzufangen, will ich etwas mehr sehen als eine banal geradeaus erzählte Mörderfabel ohne wirkliche Höhen und Tiefen, ohne Gefühl, Besessenheit und Fantasie.
Perfume sieht aus wie ein übereifriger Historienschinken. Man ahnt, wie sehr es am Set gestunken haben muss bei der Anfangsszene, in der Grenouille hinter einem Stand auf dem Fischmarkt zur Welt kommt und von seiner Mutter einfach im Matsch liegen gelassen wird. Die Fischberge glitschen, der Modder auf den Straßen klumpt, die Kostüme sind brav ausgefranst und angedreckt und auch die Zähne der Darsteller sind ordentlich eklig – alles so, als ob man dem Zuschauer mit dem Holzhammer sagen wollte, guck mal, wie authentisch wir das Frankreich des 18. Jahrhunderts nachgebaut haben. Für meinen Geschmack war alles ein bisschen zu perfekt auf unperfekt getrimmt; ich hatte das Gefühl, das viel zu viel Wert auf die Kulissen und viel zu wenig Wert auf Zwischentöne gelegt wurde. Wir erfahren über keinen der Charaktere mehr als in eine dreizeilige Kontaktanzeige passt (wenn überhaupt), und auch Ben Whishaw als Grenouille macht leider nicht mehr als ständig seine Nasenflügel beben zu lassen oder unheilschwanger in der Gegend rumzugucken. Einzig die kurze Szene mit dem Mirabellenmädchen, bei dem er zum ersten Mal den Duft einer Frau entdeckt (oder den einer Jungfrau? Oder den einer, die mal mit Wasser in Berührung gekommen ist? Oder wenigstens den einer Frau, deren Brüste in diversen Großaufnahmen gut aussehen? Schnarch), lässt erahnen, woher seine Obsession kommt und warum er ungerührt weitere Mädchen ermordet, um ihren Duft zu konservieren.
Es gab einige wenige Szenen, die mir gefallen haben, weil sie diesen irrealen Touch hatten, den ich im gesamten Film vermisst habe. Als zum Beispiel Dustin Hoffman als Grenouilles Lehrmeister Baldini die erste Duftkreation seines Schülers riecht: Plötzlich verschwindet der reale Hintergrund, und Baldini steht in einem Blumengarten, die Musik flirrt, der Weichzeichner kommt zum Einsatz – und trotz der gutaussehenden Dame, die Dustin ein albernes „I love you“ ins Ohr haucht, war das endlich mal ein Punkt, den der Film die ganze Zeit machen will und es nie hinkriegt. Auf einmal war kurz spürbar, wie ein Duft die eigene Wahrnehmung ändern, welche Welten er öffnen und warum er so mächtig sein kann. Diese Sequenz dauerte ungefähr fünf Sekunden, und dann musste man wieder ewig warten, bis mal wieder ein bisschen Emotion in den Film kam. Eine weitere Szene war der schnelle Kameraflug von Grenouille, der seinem letzten Opfer Laura „hinterherriecht“, um sie zu orten – wir starten bei Grenouille, entfernen uns vom Boden, rasen über Felsen und Bäume hinweg und landen ganz plötzlich bei Laura, die im hohen Tempo von uns davonreitet, ihr rotes Haar weht im Wind, und sie blickt sich gehetzt um, als ob sie wüsste, dass jemand sie sucht. Die Szene hatte endlich mal Zwang und Spannung und sah seltsam grobkörnig aus – sie war fassbarer, fühlbarer und nicht so kulissenhaft statisch.
Das war’s dann leider auch. Die große Szene zum Schluss, bei der der zum Tode verurteilte Grenouille sein einzigartes Parfum benutzt („Der Duft der Frauen“, haha) und damit die Menge, die eigentlich entspannt bei der Hinrichtung zuschauen will, in eine Orgie verwandelt, sieht dann auch eher wie ein Kunsthappening mit lauter unrasierten Studenten aus als nach großartiger Leidenschaft. Whishaw darf nochmal seine mies aussehenden Kunstnarben in die Kamera halten, und dann ist es geschafft. Film vorbei, nichts mitgenommen, kein besonderes Tykwer-Gefühl – dafür ein anderes: Manche Bücher sollten einfach nicht verfilmt werden. Manchmal sind 1000 Worte, um etwas zu beschreiben, doch besser als ein Bild, das einen total unberührt zurücklässt.
PS: Für 50 Millionen Euro Produktionskosten wäre eine etwas inhaltsschwerere internationale Webseite echt schnafte gewesen. (Nachtrag: Inzwischen stehen auf der Seite Inhalte statt des peinlichen „Bitte das index-File mit Leben füllen“-Platzhalters.)