Die Habenichtse
Die Habenichtse von Katharina Hacker erzählt die Geschichte von Jakob und Isabelle, die kurz nach dem 11. September 2001 heiraten und von Deutschland nach London umziehen. Er beschäftigt sich mit Rückgaben von ostdeutschen Immobilien an ehemalige jüdische Besitzer, sie ist Grafikerin und illustriert ein Kinderbuch. Um die beiden herum gibt es viele Nebenfiguren, die aber so ausgeschmückt sind, dass ich sie als gleichwertige Hauptpersonen empfunden habe. Da ist Jim, ein Dealer, der nach einer ehemaligen Freundin von ihm sucht, da sind Dave und Sara, zwei Kinder im Nachbarhaus, mit ihrem prügelnden Vater und der hilflosen Mutter, da ist Andras, Isabelles Kollege, der seit Ewigkeiten in sie verliebt ist, und da ist Bentham, der Chef von Jakob, zu dem er sich sehr hingezogen fühlt.
Die Geschichten der einzelnen Figuren werden ineinander verwoben, vorsichtig zuerst, dann aber mit soviel Gewalt, dass mich der letzte Teil des Buchs sehr erschreckt hat. Es hat sich angefühlt, als ob man aus der Lethargie, die auch Isabelles und Jakobs Leben miteinander auszeichnet und die das Buch sehr plastisch und doch spröde beschreibt, ruckartig herausgerissen wird. Das Buch bekommt auf einmal sehr viel Zwang, und es wird sehr unangenehm, die Geschichte zu lesen. Der Stil allerdings bleibt weiterhin sehr distanziert. Viele Beschreibungen, gerade aus London, haben mich in ihrer Sinnlosigkeit des Öfteren genervt; generell mag ich Lokalkolorit, ich mag auch Hackers Sprachschlichtheit und ihre kurzen, prägnanten Sätze und Wendungen, aber manchmal hatte ich doch sehr das Gefühl, dass sie mir bloß zeigen will, wie toll sie sich in London auskennt. Oder dass da jetzt irgendwie noch ein Satz hinmusste, damit die Seite voll wird.
Ich weiß nicht so recht, was ich von Die Habenichtse halten soll. Ich habe es sehr schnell weggelesen, eben weil ich den Stil wirklich sehr gemocht habe. Die Geschichte aber fand ich teilweise zu dramatisch, um sie glaubwürdig zu finden. Aber vielleicht bin ich auch einfach ein Kuschelleser und mag immer noch nicht einsehen, dass Menschen zu Dingen fähig sind, die ich nicht nachvollziehen kann. Vielleicht war auch genau das der Reiz, dieses Buch so schnell zu lesen – weil es mir mal wieder Dinge vor Augen geführt hat, auf die ich selber nicht kommen würde. Wie gesagt, ich weiß nicht, was ich von dem Buch halten soll. Keine Pointe hier.
(Deutscher Buchpreis 2006. Muss gut sein.)