The Queen
The Queen (Die Queen, UK/F/I 2006, 97 Min.)
Darsteller: Helen Mirren, Michael Sheen, James Cromwell, Sylvia Syms, Alex Jennings, Roger Allam, Helen McCrory
Musik: Alexandre Desplat
Kamera: Affonso Beato
Drehbuch: Peter Morgan
Regie: Stephen Frears
The Queen erzählt von der einen Woche, in der die ganze Welt scheinbar traumatisiert auf London blickte, auf den Buckingham Palace, vor dem ein Blumenmeer entstand und immer größer wurde. Prinzessin Diana war bei einem Autounfall ums Leben gekommen, und das Volk trauerte, öffentlich, laut, fast hysterisch. Und die Königin? Blieb still. Tagelang.
Der Film nimmt sich die Freiheit, ganz ungeniert hinter die Kulissen der Paläste und Residenzen der Royals zu schauen. In der ersten Szene begegnen wir der Queen in offizieller Aufmachung, wie sie einem Maler Modell sitzt. Umso größer ist der Kontrast, als wir sie nur wenige Minuten später wiedersehen, als sie vom persönlichen Assistenten geweckt wird und im rosafarbenen Bademantel zerzaust vor dem Fernseher sitzt, um die Entwicklungen in Paris mitzubekommen. Fast widerwillig, genau wie ihr Mann, Prinz Philipp, dessen erste Frage lautet, was Diana denn jetzt wieder angestellt hätte.
Die Geschichte entwickelt sich stringent und unaufgeregt: Das Volk möchte von seiner Königin Anteilnahme sehen, möchte ein paar tröstende Worte hören, will die Flagge am Palast auf Halbmast sehen. Dass die Flagge nur gehisst wird, wenn die Königin sich dort befindet – was sie in den Tagen nach Dianas Tod nicht war – und sie noch für niemanden auf halbmast gesetzt wurde, erklärt Philipp wütend, und die Königin sieht das genauso. Widerspruch regt sich bei Tony Blair, dem jungen, gerade wenige Monate vorher gewählten Premierminister. In mehreren Telefonaten überzeugt er, dessen cleverer Redenschreiber den Begriff the people’s princess prägte und damit Blairs Sympathiewerte himmelwärts hievte, die Königin, von ihren strengen, vom Zeremoniell geprägten Ansichten abzuweichen.
Aus diesem Kontrast bezieht der Film … ich will nicht sagen, seine Spannung, denn ich persönlich erinnere mich noch gut an die Bilder. Vielleicht ist Mitgefühl das bessere Wort, denn die Königin kriegt ganz schön was auf die Ohren – durch O-Töne von der Straße, diverse Reportagen und natürlich die Zeitungen. Zunächst erscheint die Starrköpfigkeit auch ziemlich unsympathisch, und man fragt sich, warum der Umgang mit der Toten und dem Volk so schwierig ist. Aber nach und nach erkämpft sich die Queen unseren Respekt. Auch Tony Blair, der am Anfang genau wie der Zuschauer Schwierigkeiten mit der alten Dame hat, beginnt sie zu verstehen. Trotzdem überzeugt er sie schließlich, dem Drängen des Volkes nachzugeben: Sie hält eine Ansprache, schaut sich die vielen Blumen ganz aus der Nähe an, spricht mit einigen Trauernden, und Diana wird mit einem Staatsbegräbnis geehrt und nicht in aller Stille beerdigt, wie es anfangs geplant war.
Die Geschichte ist nicht besonders aufregend, aber The Queen unterhält, rührt, belustigt, fasziniert in jeder Sekunde. Das liegt vor allem an Helen Mirren, die vom ersten Augenblick an im wahrsten Sinne des Wortes majestätisch ihre Rolle spielt. Nein, sie spielt nicht, sie ist die Queen. Ich habe selten eine Darstellung gesehen, die ich so geglaubt habe. Dabei gibt sich der Film nicht mal Mühe, die Akteure den wirklichen Menschen ähnlich sehen zu lassen. Mirren trägt die Brille und die Frisur, die wir von der echten Queen kennen, und das war’s. Und das reicht. Michael Sheen als Blair hat mich keine Sekunde lang glauben lassen, wirklich den Premier vor Augen zu haben. Trotzdem sind die Szenen, in denen die beiden aufeinandertreffen, sei es am Telefon oder persönlich, die schönsten im Film. Hier prallen zwei Welten aufeinander: der Modernisierer, dessen Frau unverhohlen die Abschaffung der Monarchie fordert, und die Königin, die vor Blair bereits neun Premierminister erlebt hat, wie sie ihn wissen lässt.
Der Film streift verschiedene Themen: die Tierliebe der Queen, die manchmal größer zu sein scheint als die Liebe zu Menschen, den kühlen Umgang miteinander im Palast, die Traditionen, die seit Jahrhunderten aufrecht erhalten werden, warum auch immer. Aber sein größtes Thema ist die Pflichterfüllung. Die Queen meint, ihre Rolle so ausfüllen zu müssen, wie sie es seit 50 Jahren tut: zurückhaltend, still, unaufgeregt. Das Volk will etwas anderes: Gefühle, Äußerungen, große Gesten. Im Endeffekt verrät die Königin ein bisschen ihre Erziehung und ihren Glauben an das, was sie tut, indem sie dem Volk nachgibt. Aber wenn man sich anschaut, wo es sie hingeführt hat, scheint das kurzzeitige Aussetzen dieser Traditionen erfolgreich gewesen zu sein. Tony Blair verbringt nur noch wenige Monate in 10 Downing Street. Und die Queen wird bald dem elften Premier ihrer Amtszeit die Hand schütteln. Ganz unmodern. Ganz pflichtbewusst. Ganz königlich. Und ich wünschte, darüber würde es auch einen Film geben.