Half Nelson
Half Nelson erzählt die Geschichte des Lehrers Dan, der sich seit Jahren mit Drogen über Wasser hält, und seiner 13-jährigen Schülerin Drey, die ihn eines Tages beim Crackrauchen erwischt. Im Film spielen auch die verschiedenen Umfelder der beiden eine Rolle: die inzwischen cleane Exfreundin von Dan, der Dealer, der Dreys Bruder statt ihm selbst ins Gefängnis hat wandern lassen, Kollegen, Eltern, Mitschüler. Der Film hat mich ziemlich beeindruckt, obwohl seine Geschichte, wenn ich sie hier aufschreibe, erst einmal nicht sonderlich neu oder aufregend klingt. Es liegt vor allem an Ryan Gosling und Shareeka Epps, die Lehrer und Schülerin spielen, die Half Nelson so besonders machen.
Gosling gibt nicht den üblichen Schauspieler, der den gerade noch funktionsfähigen Junkie spielt, sondern alles, was er tut, sieht so aus, wie es sein sollte. Keine überzogenen Gesten oder Blicke, kein Oscar shot-Getue (obwohl er für die beste männliche Hauptrolle nominiert war und das völlig zu Recht). Wir bekommen keine Miese-Kindheit-Geschichte geliefert, die ihn quasi in die Drogensucht getrieben hat, und wir erleben keine lebensverändernden Dinge, die ihn jetzt dazu bringen würden, sich zuzudröhnen. Seine Sucht ist schlicht ein Teil von ihm, sie definiert ihn nicht, sie ist einfach da.
Shareeka Epps schafft es, sehr jung, naiv und neugierig auszusehen und gleichzeitig alt, abgebrüht und wissend. Sie darf nur selten die gute Schülerin sein, sondern ist viel öfter besorgt um ihren Lehrer, sicherlich auch von ihm angezogen, böse, weil ihr Bruder nicht bei ihr sein kann, und lebenserfahren, weil ihre Mutter zu viel arbeiten muss, um sich groß um ihre Tochter zu kümmern. Bewundernswerterweise sieht Epps nie aus wie eins der typischen altklugen Blagen, die einem völlig egal sind, weil man weiß, dass sie schon irgendwie durchs Leben kommen. Sie ist sehr reif für ihr Alter, und man möchte sie trotzdem dauern vor der Welt beschützen.
Half Nelson ist kein Plädoyer gegen Drogen oder für bessere Bildung oder gegen Rassendiskriminierung oder was für Facetten der Film noch anreißt. Er zeigt nur, aber er belehrt nicht. Man hat als Zuschauer nie das Gefühl, auf eine Seite gezogen zu werden; man kann sich selbst aussuchen, was man für sich mitnimmt. Und wenn diese Kritik nicht ganz so begeistert mit Adjektiven um sich wirft, liegt das daran, dass ich nach dem Film eher ruhig und zufrieden war anstatt, wie sonst, laut jubelnd einen Film empfehlen möchte. Den hier möchte ich euch nur ans Herz legen. Ganz vorsichtig.