Gelesen: Marcel Reich-Ranicki, Mein Leben. Großartig. Nach jeder Seite will man das Buch kurz weglegen und Goethe aus dem Bücherschrank holen oder Die Räuber oder Hamlet oder die zerfledderten Lyrikreclams, die Bücher, die man in den Kisten mit den Schulbüchern verstaut hat, alles nochmal rausholen, war Kleist vielleicht doch nicht so langweilig, sollte man Heine noch ne zweite Chance geben, Kafka könnte man ja auch mal wieder lesen, Böll sowieso, nochmal den Zauberberg, Don Carlos, Homo Faber und von Rilke wolltest du doch auch schon längst mal … und die Bachmann-Gedichte …
Ich wage es gerade nicht, ausgerechnet ein Buch eines Kritikers zu rezensieren, ich will nicht mal versuchen, darüber eine vernünftige Besprechung zu schreiben. Ich kann nur sagen, dass ich das Buch in wenigen Tagen durchgelesen habe, weil es trotz des teilweise schwer verdauliches Sujets (z.B. die Schilderung des Warschauer Ghettos) von einer solchen Begeisterung getragen wird, von einer fortwährenden Leidenschaft für die deutsche Literatur (plus Shakespeare), dass ich einfach mitgerissen wurde.
Auch klassische Musik ist Reich-Ranicki eine Herzensangelegenheit, und so habe ich erfreut lesen dürfen, dass er Wagner-Fan ist. Und eine prima Blaupausenantwort für die übliche Frage nach Wagners Antisemitismus hab ich jetzt auch:
„Er (ein Radioreporter) wollte wissen, wie ich mit einem so wütenden Judenhasser wie Richard Wagner denn eigentlich zurechtkomme. Ich habe ihm spontan geantwortet: „Es gab und gibt viele edle Menschen auf Erden, aber sie haben weder den Tristan geschrieben noch die Meistersinger.“ “