Movie Memories
Ein Blogeintrag von La Puce hat mich zu einem eigenen alten Blogeintrag geführt, in dem ich unter anderem über meine Kinokartensammlung geschrieben habe. Gestern habe ich mir mal den Spaß gemacht und sie alle nach Jahren sortiert und durchgeblättert. Dabei habe ich festgestellt, dass ich anscheinend erst 1994 angefangen habe, sie zu sammeln, dass ich einmal in meinem Leben in Osnabrück im Kino war (Event Horizon, 15. Januar 1998, UFA-Filmpassage, Johannisstraße), dass ich im Jahr 2000 fünfmal in Gladiator gegangen bin, dass das UFA-Studio am Thielenplatz in Hannover Bound lieber Baund geschrieben hat und dass es Filme gibt, an die ich überhaupt keine Erinnerung habe (Quills? Ort der Wahrheit? Versprochen ist versprochen? – Danke an Google und die IMDB; das hat man davon, wenn man sich nur die Originaltitel merkt).
Mir ist aber auch aufgefallen, dass es viele, viele Filme gibt, an die ich ganz besondere Erinnerungen habe. Nine Months zum Beispiel – nicht, weil der Film so toll war, sondern weil es die letzte Karte ist, die ich vom Filmfestspielhaus in Hannover besitze.
Meine Erinnerungen an „mein Kino“ habe ich ja schon mal aufgeschrieben (1, 2). Und es ist ganz schön doof, dass ausgerechnet so ein Deppenfilm meine Abschiedsvorstellung war.
Ähnliches Thema, andere Richtung: die Karte zu Fight Club.
Der erste Film, den ich nach meinem Umzug in Hamburg gesehen habe. Damals noch im City am Steindamm, das es seit einiger Zeit nicht mehr gibt. Die Originalversionen, die hier ihren Stammplatz hatten, wanderten ins Grindelkino, das tollerweise Ende März seinen Dienst einstellt. Was für mich bedeutet (wenn ich jemals wieder ins Kino gehen werde anstatt weiter auf DVDs zu warten), dass ich demnächst nur noch intellektuelles Zeug im Abaton im Original zu sehen kriege. In Foltersitzen auf beschissen kleinen Leinwänden.
Lustigerweise habe ich ausgerechnet im City eine alte Kommilitonin wiedergetroffen, mit der ich schon in Hannover gerne mal in Originalversionen gesessen habe. Sie war nach Hamburg gezogen, um bei der Gala zu arbeiten (inzwischen ist sie bei der OK!), und ich habe es immer wahnsinnig spannend gefunden, mir ihren Promiklatsch anzuhören. Wir haben auch immer für die gleichen Kerle geschwärmt; so war es 2000 bei unserem Wiedersehen natürlich Russell Crowe und ein paar Jahre später, als wir uns wieder über den Weg liefen, Viggo Mortensen. Mit meinem Herzblatt Kiefer konnte sie nie viel anfangen, hat mir aber immer gerne die Geschichte erzählt, wie sie ein halbes Jahr in Los Angeles gearbeitet hatte, fürchterlich gehetzt mit einem Stapel Post zu einem Briefkasten stürzte, dort die hundert Briefe fallenließ – und ihr der zufällig vorbeikommende Kiefer geholfen hat, sie wieder einzusammeln. Neid!
Mein erster Pixar-Film. Den habe ich mit einem damals guten Freund zusammen gesehen. Ich weiß noch, dass wir vorher sehr skeptisch waren: Hm, Computerzeug, das kann doch nix werden … egal, komm lass angucken und drüber lästern.
Wir waren die einzigen Besucher im Kino, denn Toy Story war als Kinderfilm vermarktet worden und um 20 Uhr waren halt keine Sechsjährigen da. Daher haben wir es uns alleine schön gemütlich gemacht – und uns innerhalb der ersten zehn Filmminuten in Sechsjährige verwandelt. Für mich ist Toy Story bis heute einer der besten Pixars, auch wenn die Animation natürlich inzwischen Augenkrebs auslöst. Aber die Geschwindigkeit! Das Herz! Die pure Lust an der Unterhaltung, die Musik, die Figuren – all das hat dazu geführt, dass mein Kumpel und ich uns bald wie im Kasperletheater aufgeführt und den Pixelnasen auf der Leinwand hektisch gute Tipps zugerufen haben: „Nein, geh nicht die Treppe runter, da wartet DER HUND! AAAAAHH!“
Nach 80 Minuten waren wir völlig überdreht, als ob wir einen Riesensquishee von Apu durch die Nase gezogen hätten. Beim standesgemäßen McDonald’s-Besuch danach habe ich mir die Juniortüte geholt, in der gerade die Figuren aus Toy Story das Beiwerk waren. Und bis heute stehen Woody und Buzz Lightyear (SPACE RANGER!) in meinem DVD-Regal und passen auf meine Filme auf.
Ich habe selber über mich grinsen müssen, als ich die Karte zur Superdupermitternachtspreview von Star Trek – First Contact entdeckt habe. Anscheinend war sie mir mal so wichtig, dass ich sie mit Tesafilm wieder zusammengeklebt habe, nachdem der herzlose Abreißer sie kaputtgemacht hatte.
Die Preview fand im Riesensaal des Cinemaxx Hannover statt, und ich saß mit gefühlten 50 Frauen und 750 Kerlen in den roten Plüschsesseln. Außerdem war ich NATÃœRLICH in Uniform erschienen und guckte mich um, wieviele Irre außer mir das auch getan hatten. Ein etwas rundlicher Trekkie in roter Uniform saß ganz in meiner Nähe … und bis zu diesem Abend war er Jungfrau. Den Rest der Story überlasse ich euch. (Every prejudice is true.)
1996 habe ich mich bei der dffb für ein Drehbuchstudium beworben. Gleichzeitig hatte ich eine Bewerbung nach München geschickt, die mir viel mehr am Herzen lag. Daher habe ich dafür auch richtig lange überlegt, was die schlauen Profs wohl von mir hören wollten, habe so getan, als wüsste ich über franzackige Filme total gut Bescheid und hab überhaupt den Filmbuff raushängen lassen, der ich nicht war. Die Bewerbung für Berlin war dagegen aus dem Handgelenk geschüttelt, die Schreibproben waren knackige Kurzgeschichten, die geforderte Filmkritik schrieb ich gnadenlos über Flatliners und nicht Der andalusische Hund oder ähnliches – und deswegen wurde ich in München auch völlig zu Recht abgelehnt und lustigerweise nach Berlin zur Prüfung eingeladen.
Dort schickte mich die Mitwohnzentrale in eine Wohnung, in der sich bereits ein Amerikaner befand: Karl, der in der Woche, die ich für die Prüfung in der Stadt war, mein Freund wurde, mein Hauptdarsteller für den Super-8-Film, den wir drehen mussten und mein Kinobegleiter. Im UCI war ich noch allein, ins Olympia sind wir gemeinsam gegangen und haben It’s My Party gesehen, wie ich handschriftlich hinten auf der Karte vermerkt habe.
Und als ich Karl dann ein halbes Jahr später in Amerika besucht habe, gab’s Courage Under Fire und 2 Days in the Valley. In Courage ist mir zum ersten Mal ein gewisser Matt Damon aufgefallen, der in dem Film aber arg verhungert aussah, und in 2 Days Charlize Theron, die, soweit ich mich erinnere, ein sehr enges Kleidchen tragen musste.
Nach Courage war ich verdammt nah am Wasser, denn zu der Zeit war ich völlig vernarrt in the land of the free, und es war für mich sehr emotional, zum ersten Mal in den USA zu sein, sich sofort sehr zu Hause zu fühlen, seinen Seelenverwandten um sich zu haben und mit ihm fies patriotische Filme zu gucken.
Das hat sich inzwischen relativiert. Karl ist nicht mehr da, die USA sollen erstmal eine vernünftige Präsidentin wählen (there’s always hope), und unsereins guckt inzwischen sogar französische Filme, wenn auch im Moment mit starrem Blick auf die Untertitel. In ein, zwei Jahren ist die Schale von Oma voll, in der die Karten liegen; dann müssen meine Karten umziehen. Spätestens dann werde ich sie wieder in die Hand nehmen und sie versonnen durchblättern und mich an Kinos und Menschen erinnern, die es schon nicht mehr gibt, die aber noch irgendwo in einer Ecke meines leicht zu beeindruckenden Herzens wohnen.