© Paramount Vantage/Miramax
There Will Be Blood (USA 2007, 158 min)
Darsteller: Daniel Day-Lewis, Paul Dano, Dillon Freasier, Ciarán Hinds
Musik: Jonny Greenwood
Kamera: Robert Elswit
Drehbuch: Paul Thomas Anderson, nach dem Roman Oil! von Upton Sinclair
Regie: Paul Thomas Anderson
Ich kann Daniel Day-Lewis nicht ertragen. Bis auf wenige Ausnahmen spielt er für mich jedesmal völlig überzogen und so theatralisch, als wäre ein Kino eben kein Kino, sondern der Hamburger Fischmarkt, wo man mit Gebrüll seine Ware unters Volk schreien muss. Wahrscheinlich hat deshalb There Will Be Blood bei mir so gar nicht funktioniert.
Der Film erzählt die Geschichte von Daniel Plainview (talking name galore), der durch harte Arbeit seine erste Ölquelle entdeckt, ausbeutet und zu bescheidenem Reichtum gelangt. Eines Tages kommt ein junger Mann zu ihm, der ihm für 500 Dollar erzählt, wo es weiteres Öl gibt. Plainview rückt mit Sack und Pack an, kauft das Land relativ billig – unter der Voraussetzung, bei Erfolg eine großzügige Summe an die örtliche Kirche zu stiften – und fängt an zu bohren. Mit dabei ist der kleine H.W., der Sohn eines Mitstreiters von Plainview, der bei der ersten Quelle ums Leben gekommen ist. H.W. lebt im Glauben auf, Plainview sei sein Vater.
Als die neue Quelle anfängt zu sprudeln, wird H.W. verletzt und verliert sein Gehör. Plainview, der sich bis jetzt eh nicht als großartiger Sympathieträger hervorgetan hat, verstößt den Kleinen. Und damit nicht genug: Er bringt auch noch die Kirche gegen sich auf, vor allem Eli, den strenggläubigen Pastor, der ihn zum Glauben bekehren will, aber stattdessen von Plainview in eine Ölpfütze geprügelt wird mit der Ansage, die Kirche habe hier nichts mehr zu melden.
Elis Rache wird kommen, aber zu dem Zeitpunkt hatte ich mich schon geistig von Blood verabschiedet. Ich hatte mich bis dahin bemüht, den Film zu mögen – und er hat durchaus gute Seiten. Die Bilder sind hervorragend: weite Panoramen, die Ehrfurcht für das Land und die Leistung der Menschen ertrotzen, die dem Boden etwas abgewinnen. Und danaben die vielen ausgezehrten Gesichter, die einer John-Steinbeck-Geschichte entsprungen scheinen. Und auch wenn einige Details nach Kulisse und Schminke aussehen, waren die Bilder großartig. Ein schickes Tableau nach dem nächsten.
Ich habe mich manchmal wirklich in die Zeit versetzt gefühlt, in der der Film spielt. Licht und Schatten waren sehr hart gesetzt, die Bilder schienen manchmal schneller zu laufen, so wie man es von alten Wochenschauen gewohnt ist. Die Aufstellungen der Figuren in den einzelnen Szenen war jedesmal perfekt komponiert; selbst die Wolken sahen teilweise so aus, als hätte sie jemand genau an diese Stelle des Himmels beordert.
Und natürlich machen die Themen des Films ein Riesenfass auf. Der Wunsch, vielleicht schon die Gier nach Macht. Der Wille zum absoluten Erfolg, egal was dafür auf der Strecke bleiben muss. Und als Kontrast dazu die staubigen Gläubigen in ihrer Holzkirche, der magere Pastor, dessen Glaube geradezu aus ihm herausleuchtet, der aber auch nicht von weltlichen Wünschen frei ist. Alles Themen, die sicher noch Relevanz haben, die aber leider so altbacken inszeniert wurden, dass hier das Gefühl, im letzten Jahrhundert zu sein, genau in die falsche Richtung führte.
Der Kampf zwischen dem Pastor und Plainview war so dermaßen moralgetränkt, dass ich ihn einfach nicht ernstnehmen konnte. Und dass jeder auf seine ganz eigene Probe gestellt wird – was verkaufe ich von meiner Seele, um an mein Ziel zu gelangen –, klingt theoretisch toll, sah aber in der Umsetzung eher nach Jahrmarkt aus. Da kam dann wieder mein Day-Lewis-Problem. Vielleicht sollte seine Darstellung so kasperletheatermäßig sein, keine Ahnung. Vielleicht muss ein Ölbaron in spe sich wie ein Staubsaugervertreter anhören, ich weiß es nicht. Ich persönlich wollte ihm aber nach fünf Minuten nicht mehr zuhören, wie er sein brummiges Timbre wirken lässt, wie er Geräusche macht wie ein geistig zurückgebliebener Cowboy und wie er jeden einzelnen seiner verdammten Sätze theatralisch aufpoliert, als wäre er auf der Schauspielschule und müsste den gerührten Müttern im Publikum zeigen, dass er ne echt gute Ausbildung hatte. Und als er in der großen, dramatischen Schlussszene auch noch anfängt, Speichelfäden zu ziehen, musste ich an die eine Friends-Folge denken, wo Gary Oldman Joey eben diesen Tipp gibt: Große Schauspieler spucken! Die Folge hat Day-Lewis wahrscheinlich auch gesehen.
Mein Problem mit There Will Be Blood war, dass sich die Geschichte auf dem Papier allgemeingültig anhört, zeitlos und faszinierend, weil sie Grundthemen der Menschheit anreißt, sie mich aber in der Umsetzung überhaupt nicht überzeugt hat, weil sie statisch wirkte und wie aus einem Lehrfilm für die Oberstufe. Der Film brüllt einem von der ersten Sekunde „ICH BIN GROSS ICH BIN EIN EPOS ICH BIN WAHNSINNIG WICHTIG“ ins Gesicht. Und bei sowas denke ich sofort, nee, komm erst mal runter, erzähl mir erstmal, was du kannst. Und da klaffte dann eben eine Riesenlücke zwischen Anspruch und Können. Leider. Denn bis jetzt hat mir jeder Film von Paul Thomas Anderson gefallen, und ich bin auch davon ausgegangen, dass mir Blood gefallen wird. Vielleicht dreht einer den Film ja mal nach – mit einem anderen Hauptdarsteller. Dann reden wir nochmal drüber.