Die Frau Emily geht also gerne zu McDonald’s. Ja, wer nicht. Ich auch. Ich hab da sogar mal gearbeitet.
Ich muss sagen, von allen Studentenjobs, die ich so hatte, war McDonald’s einer der angenehmeren. Das mag daran gelegen haben, dass ich in einem sehr netten, recht jungen und vor allem schnellen Team gearbeitet habe, für das diese 1-Minuten-Kampagne überhaupt kein Problem gewesen wäre. Das mag auch daran gelegen haben, dass ich meistens die Nachtschicht hatte (bis 7 Uhr morgens), was bedeutete, dass ich recht wenig Kindergeburtstage zu erdulden hatte. Und im Zweifelsfall ist mir ein Trupp debiler Discogänger, die sich immer noch auf 98 Dezibel unterhalten, lieber als eine Horde Fünfjähriger, die noch nicht wissen, was Zucht und Ordnung … aber das wissen die meisten Discogänger um 4 in der Frühe auch nicht mehr. Egal. Auf jeden Fall hat es Spaß gemacht.
Als Einstieg musste man damals eine Zeitlang in der Küche arbeiten, dann durfte man schnellstmöglich an die Kasse. Grund (der sich bis heute bestimmt nicht geändert hat): Die Leute lassen sich lieber von Mädels bedienen.
In der Küche habe ich mit Salat angefangen. Bis heute erinnere ich mich verzückt an die eingeschweißten Zehnerrollen hartgekochter Eier, die man aus ihrer Plastikröhre rausploppen konnte, um sie im Eierschneider für den Chefsalat zu zerteilen.
Nächste Station war das so genannte Dekorieren. Im Klartext: Matsch auf Brötchen verteilen. Vor einem liegt ein Tablett mit zwölf toasterfrischen Brötchen (buns), auf die man aus futuristisch klackernden Trichtern Ketchup und Senf klickt. Dann greift man ins Zwiebeltöpfchen, um kleingeschnittene Zwiebelstückchen wie eine Prise Salz auf die Brötchen zu streuen. Jedes Brötchen bekommt noch eine eingelegte Gurkenscheibe (eine!), und dann folgt das Kommando, das ich so geliebt habe zu brüllen: „Auf zwölf?“ worauf die Kontrolle (der Mensch, der hinter der Ausgabe steht und die Burger einwickelt) nach einem kurzen Blick auf die Vorräte zurückbrüllt: „Auf sechs!“ Oder auf vier oder auf neun oder auf irgendwas zwischen 0 und 12. Was bedeutet: Auf diese Anzahl von Brötchen kommt ein Scheibchen leckerer Käse, das aus einem langweiligen Hamburger die Geschmacksexplosion Cheeseburger macht.
Beim BigMäc ist natürlich alles anders. Hier gibt es eine Art Pistole (kenne ich auch aus dem Baumarkt, wo man Fugenkitt reinspannt), in der BigMäc-Sauce ist, die man auf die Brötchen spritzt. Der Gourmet bekommt hier zwei (zwei!) Scheibchen Gurke und eine Handvoll Eisbergsalat.
Wenn man mit dem Dekorieren fertig ist, gibt man das Tablett an den Griller weiter, damit der die Buletten (patties) draufpackt. Am Grill standen fast immer Kerle, denen es nichts ausgemacht hat, sich ständig mit heißem Fett vollzuspritzen bzw die es körperlich geschafft haben, acht Stunden lang nach jedem Grillvorgang mit einem Riesenspachtel den Grill abzuschaben, damit er wieder sauber war. Ich Dekoriertante musste ja nur alle zehn Minuten mal ein bisschen Salat und Zwiebeln zusammenfegen, die vielleicht danebengegangen waren. Soviel zum Thema Sauberkeit. In dem store (wie wir cool people sagen), in dem ich gearbeitet habe, konnte man vom Fußboden essen. Ernsthaft.
Die Station, die ich am langweiligsten fand, war die Fritteuse. Apfeltaschen, Fischmacs, Chicken McNuggets. Jede Fritteuse hatte neben dem „Fertig!“-Lämpchen noch ein eigenes Piepsen, so dass man auch akustisch unterscheiden konnte, was raus musste. Die Nuggets lagen nach dem Frittieren in kleinen Wärmeschubladen aus Draht, in die man dann flugs mit der Kelle reingehen und lustig Sechser, Neuner oder Zwanziger füllen konnte. Dabei war man angewiesen, auch ja darauf zu achten, nicht mehr als die vorgeschriebene Anzahl in die Kartons zu packen (Gipfel des zivilen Ungehorsams! Zehn Nuggets im Neunerkarton!). Bis heute zähle ich nach, ob ich nicht endlich endlich endlich mal einen zuviel gekriegt habe. Habe ich aber noch nie.
Den Warnhinweis „Vorsicht, heiß!“ auf den Apfeltaschen sollte man übrigens ernst nehmen. Jedenfalls wenn sie frisch sind. Wenn sie aus dem Fett kommen, liegen sie erstmal eine halbe Stunde lang in der Küche zum Auskühlen, und selbst dann ist die Füllung noch das Zentrum der Sonne. Bevor sie ins Fett kommen, sehen die Taschen übrigens farblich aus wie Nacktmulle. Kleine, rechteckige Nacktmulle. Ich liebe das Zeug.
Aber am schönsten waren die Schulungsvideos. Während der ersten Tage musste ich mir in der Mittagspause Lehrfilmchen angucken, in denen mir erklärt wurde, wie das Arbeiten bei McDonald’s so funktioniert. Was alles in der Küche passiert, wie lange die Brötchen im Toaster bleiben (30 Sekunden? Vergessen) und vor allem, wie man sich der Kundschaft gegenüber zu verhalten hat. Natürlich immer freundlich, immer höflich und – immer bestrebt, ein komplettes Menü zu verkaufen. Die schönen Sparmenüs von heute gab’s damals noch nicht, und daher war man angehalten, bei der Bestellung „Einen Cheeseburger und ne Cola“ freundlichst nachzufragen: „Möchten Sie Pommes frites dazu?“, bei „BigMäc, Fanta und ne große Pommes“ „Möchten Sie ein Dessert dazu?“ und bei Kindern – gar nichts. Schade, wäre leichte Beute gewesen und meine persönliche Rache für die Kindergeburtstage („Der kleine Philipp darf sich heute seinen eigenen Hamburger machen, gell, Philipp? Die Tante zeigt dir mal, was da alles drauf kommt.“ Ob die Tante will oder nicht). War aber oberste Regel: Kindern nix andrehen. Lieber ein lustiges Fähnchen oder einen crazy Luftballon dazulegen. Ja, damals waren Kinder noch mit einem Fähnchen glücklich zu machen.
Die Schulungsvideos sind natürlich für den amerikanischen Markt produziert worden, wahrscheinlich Ende der 70er Jahre, wenn ich mich korrekt an die Frisuren und Brillen erinnere. Für die Kolonien wurden die Filmchen dann von irgendwelchen Praktikanten übereifrig nachsynchronisiert, so dass ich in der Pause vor Lachen kaum zum Essen kam. Essen durfte man damals für zehn Mark am Tag. Und so gerne ich das Zeug mag, es stimmt schon: Nach drei Tagen kann man echt keine BigMäcs mehr sehen. Meistens lief mein Essen auf Salat, ein, zwei Buns nur mit Käse drauf, O-Saft und Wasser raus. Mal ein Eis zum Nachtisch. Und vielleicht ein paar Chicken McNuggets.
Abends ging’s dann ans Großreinemachen. Die komplette Küche wurde quasi unter Wasser gesetzt, die Milkshake-Maschine in Einzelteile zerlegt, alles, was noch in der Auslage war, wurde weggeschmissen, und dann wurde jede, aber auch wirklich jede Ecke in der Küche geputzt bis zum Abwinken. Die Kerle mussten die Müllsäcke zum Shredder bringen, wo eine weitere Regel in Kraft trat: nie zu nah am Shredder stehen. Irgendwelche Spaßvögel haben damals gerne die Plastiktabletts mit ihren Packungsüberresten in den Müll geschmissen. Und wenn die in den Shredder kommen, schmeißen die ganz unschöne, große, ziemlich scharfe Plastikspäne.
Was ich eigentlich sagen wollte: Die 1-Minute-Regel ist in einem gut laufenden Store überhaupt kein Problem. Warum ich trotzdem jedesmal ewig warte oder im McDrive rechts ranfahren muss – keine Ahnung. Aber ich ärgere mich immer drüber, weil ich weiß, dass es anders geht. Und ich kann bis heute das Pommes-Piepsen vom Chicken McNuggets-Piepsen unterscheiden. Ich liebe es.