Watchmen
Watchmen (Die Wächter, USA 2009, 162 min)
Darsteller: Malin Akerman, Billy Crudup, Matthew Goode, Jackie Earle Haley, Jeffrey Dean Morgan, Patrick Wilson, Carla Gugino, Matt Frewer, Robert Wisden
Musik: Tyler Bates
Kamera: Larry Fong
Drehbuch: David Hayter & Alex Tse (nach dem Comic von Alan Moore/Dave Gibbons)
Regie: Zack Snyder
Lustig: Ich kann zum ersten Mal eine Kritik über eine Comicverfilmung schreiben, von der ich die Vorlage kenne. Weniger lustig: Ich glaube, der Film hat mir deshalb nicht ganz so gut gefallen, weil ich die Vorlage kenne.
Watchmen hat vieles richtig gemacht. Ich fand die Figuren größtenteils sehr gut umgesetzt; ich hatte bei keinem das Gefühl, näh, das passt jetzt so gar nicht mit dem Bild zusammen, das ich nach dem Comic im Kopf hatte. Jeder der Schauspieler und Schauspielerinnen hat die Essenz, das Besondere dieser bestimmten Figur, auf den Leib geschrieben bekommen, und netterweise sind keine Models gecastet worden, sondern Leute, die was können. Billy Cudrup gibt den seltsam entrückten und weltfremden Sätzen von Dr. Manhattan diesen gewissen Hauch an verlorener Menschlichkeit mit, der ihn davor rettet, als gefühlloser Supermann hinter seiner blaugen CGI-Gestalt zu verschwinden. Allen voran ist aber Jackie Earle Haley als Rorschach; er ist wirklich die fleischgewordene Zeichnung. Ich behaupte, ich habe seine Stimme im Ohr gehabt, als ich den Comic gelesen habe, noch bevor ich die ersten Trailer gesehen habe. Dieses Verächtliche, der Abscheu vor der Welt und allem, was sich auf ihr bewegt – das kommt in jeder Sekunde, in der Rorschach zu sehen ist, zum Ausdruck. Und nebenbei ist seine animierte Maske großartig.
Das Problem mit der Essenz ist natürlich: Der Film hat einfach keine Zeit, alle Details, die der Comic bereithält, auf die Leinwand zu übertragen. Mit über zweieinhalb Stunden ist Watchmen schon ganz ordentlich lang geworden, und er braucht auch jeden Augenblick. Naja, fast jeden: Auf die Sexszene in billigster Pornooptik mit der komplett fehlplatzierten musikalischen Untermalung durch Leonard Cohen hätte ich gerne verzichtet. Ãœberhaupt hätte ich generell gerne etwas weniger wiedererkennbare Musik im Film gehabt: 99 Luftballons und All along the watchtower sind sicherlich tolle Songs, aber ich fand sie völlig sinnentleert eingesetzt. Und der Walkürenritt zum Vietnammassaker war dann auch extrem uninspiriert. (Apocalypse Now, anyone? Und nein, ich habe das nicht als Verbeugung vor dem Meisterwerk gesehen, sondern einfach als „Das gab’s schon mal, das fanden alle gut, das kopieren wir einfach.“)
Zurück zur Essenz: Was den Comic so besonders gemacht hat, war die extreme Detailverliebtheit in die Vergangenheit der Wächter. Da wurden eben nicht mal drei kleine Panels genutzt, um dem Charakter Tiefe zu verleihen, sondern dreizehn Seiten. Plus schriftliches Dossier am Ende jeden Bandes. Jeder einzelne der Wächter hatte eine ausgeklügelte Psychologie, aus der sich seine Handlungen ergaben. Die klangen zwar teilweise im Film an, waren aber natürlich längst nicht so ausführlich. Und das hat einige Figuren dann doch eher blass aussehen lassen, allen voran Nite Owl. Ihre Besetzung stimmte, die Kostüme sahen klasse aus, ihre Dialoge waren gut – und trotzdem habe ich mich die ganze Zeit gefragt, warum ich mit ihnen mitfühlen sollte. Obwohl ich ihre Vorlage kannte.
Der andere Punkt, an dem ich zu knabbern hatte, waren die Metzelszenen. Ich weiß nicht, warum Regisseur Zack Snyder so viel Wert darauf legt, in Zeitlupe und Großaufnahme zu zeigen, wie Messer in Hälse eindringen oder Knochen brechen, wenn man gegen sie tritt. Vor allem, weil es die Story so gar nicht weiterbringt oder den Figuren noch eine andere Seite mitgibt. Und vor allem: Sie minimieren das Ende in seiner Wirkung. (Achtung, Spoiler:) Wer gesehen hat, wie jemandem mit einer Flex die Unterarme durchtrennt werden, den erschüttern ein blauer Blitz und einstürzende Hochhäuser nicht mehr wirklich. Was sehr schade ist, denn das Ende sollte erschüttern. Die durchtrennten Unterarme natürlich auch, aber die waren ein winziges Detail und nicht das große Finale. Falsche Prioritäten, Snyder!
Was mir halb negativ, halb positiv aufgefallen ist: die im Endeffekt doch recht gradlinige Umsetzung. Natürlich muss ein Film eine Geschichte anders erzählen als eine literarische Vorlage, aber manche Filme suchen sich nur ihre Lieblingsversatzstücke raus und unterschlagen den Rest. Das musste Watchmen zu einem gewissen Teil auch: Die Story in der Story mit dem Jungen, der einen Comic liest (und eben der Inhalt des Comics), fehlt völlig – was den Film aber auch nicht besser gemacht hätte, wäre sie drin gewesen. Denn das Comiclesen hat ja nur Sinn gehabt, weil es in einem Comic stattgefunden hat. Bis auf dieses Detail, was im Comic sehr viel Platz bekommt, bewegt sich die Geschichte recht nah an der Vorlage – und versagt dabei, einen angemessenen filmischen Erzählstil zu finden. Das Tempo versackt ganz gerne mal, wenn die Rückblenden anstehen, um die Vergangenheit der Figuren zur beleuchten. Ganz besonders ungelenk passiert das bei der Beerdigung des Comedians, auf der verschiedene Figuren am Grab stehen, auf die die Kamera ranzoomt, um dann in der Vergangenheit zu verschwinden. Das hat sich doch sehr beliebig angefühlt, um auf Teufel komm raus die Beziehung der Charaktere untereinander klarzuzurren. Viel eleganter hat das bei Mr. Manhattan funktioniert, dem wir auf dem Mars zuschauen, wie ihm ein Foto aus der Hand fällt – soweit ich mich erinnere, eins zu eins aus der Comicvorlage übernommen und trotzdem mit ganz simplen filmischen Mitteln überzeugend umgesetzt.
Die Geschichte an sich hat aber trotz der Macken und Mängel des Films immer noch die gleiche Wucht wie im Comic. Der Entwurf einer Welt, in der Nixon seine fünfte Amtszeit ableistet und sich die USA und die UdSSR an der Schwelle eines Atomkriegs befinden, die Angst, die Mutlosigkeit, die Endzeitstimmung, die politische Kälte – all das kann der Film gelungen transportieren. Und: Er schafft es, in sehr kurzer Zeit – nämlich in den drei Minuten des absolut sehenswerten Vorspanns – die Ausnahmestellung der ehemaligen Superhelden zu verdeutlichen, die verschiedenen Karrieren, die sie hingelegt haben, warum es einigen von ihnen gut geht und anderen nicht. Das Gefühl, dass es eine Gruppe Menschen gibt, die mit dieser Welt nicht einverstanden sind, wird sehr deutlich, genau wie die Einsamkeit der Gruppenmitglieder, die nur sich selbst und ihre wenigen Vertrauten haben.
Watchmen ist leider nicht der Film geworden, den ich mir erhofft hatte, und er ist auch keine gelungene Alternativversion der Geschichte, die den Comic filmisch interpretiert. Er hat viele gute Momente, aber er schafft es nicht, einen vollständig in seinen Bann zu ziehen – trotz der grandiosen Geschichte, seiner vielen guten Ansätze und dem offensichtlichen Respekt vor der Vorlage. Er ist trotzdem ein Film geworden, den man sich gut anschauen kann – wahrscheinlich noch besser, wenn man das Original nicht kennt. Aber er hat mich weitaus weniger berührt und mit viel weniger Fragen zurückgelassen, als es der Comic getan hat.