Willenbrock

Willenbrock (D 2005, 104 min)

Darsteller: Axel Prahl, Inka Friedrich, Anne Ratte-Polle, Dagmar Manzel, Christian Grashof, Andrzej Szopa, Tilo Prückner
Kamera: Michael Hammon
Drehbuch: Laila Stieler, nach dem Roman von Christoph Hein
Regie: Andreas Dresen

Trailer

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Man lebt sein Leben, richtet sich in ihm ein, Tag für Tag, Nacht für Nacht, nie passiert etwas oder nur das, von dem man weiß, dass es passiert, oder das, was man selbst aktiv gestaltet. Das Leben ist eigentlich eine Abfolge von Dingen, die wir selbst gestalten. Im günstigsten Fall. Im schlechteren Fall geschieht etwas, das wir nicht beeinflussen können. Dann merken wir auf einmal, was wir Tag für Tag und Nacht für Nacht eigentlich tun. Und vielleicht fragen wir uns dann, ob das alles so seine Ordnung hat.

Axel Prahl spielt Bernd Willenbrock, einen Autohändler, der eine halbwegs laufende Firma hat, ein Einfamilienhaus mit einer Doppelgarage, die sich ein Mercedes und ein BMW teilen, eine Frau, der er eine Boutique gekauft hat, damit sie was zu tun hat, ein Ferienhäuschen, in dessen Küche Bunzlauer Porzellan wartet, und eine Geliebte, die er mit Champagner in Hotelbars anschickert, bevor es aufs Zimmer geht. Willenbrock gräbt nebenher noch die Tochter seines neu eingestellten Nachtwächters an und schenkt seiner wissenden Frau nach jedem Seitensprung ein paar Blümchen. Alles passt ins Bild, nichts überrascht, wir als Publikum nehmen diese Figur genauso hin wie seine Frau ihn hinnimmt oder seine Angestellten.

Aber plötzlich bricht die angebliche Idylle: Willenbrock und seine Frau werden im Ferienhäuschen überfallen. Zwar werden die Täter gefasst, kommen aber wieder auf freien Fuß. Und von nun an ist alles anders. Die Sicherheit, die vorher aus dem dahinplätschernden Dasein ein Leben gemacht hat, ist nicht mehr da. Auf einmal wachen alte Instinkte wieder auf. Auf einmal fragt sich Willenbrock, warum er eigentlich eine Geliebte hat, obwohl er doch seine Frau liebt, während sich Willenbrocks Frau auf einmal fragt, warum sie sich das Verhalten ihres Ehemanns eigentlich bieten lässt.

Willenbrock ist ein ruhiger Film, unter dessen Oberfläche aber viele Handlungsstränge brodeln. Einige von ihnen werden nur angerissen und nicht beendet, aber komischerweise passt dieses Unaufgelöste ins Gesamtbild. Der Film fühlt sich an, als ob einem jemand auf einer Party eine Geschichte über einen Bekannten erzählt; man hört zu, nippt zwischendurch am Bier, fragt nach und wendet sich nach der Story wieder etwas anderem zu. So ungefähr kam ich jedenfalls aus der Vorstellung. Willenbrock ist in sich rund und stimmig, obwohl er so ausgefranst wirkt. Vielleicht weil er sich so wahr anfühlt. Die Dialoge sind zwar manchmal arg deutsch, d.h. sie gaukeln einen tieferen Sinn vor, den ich persönlich nicht gefunden habe, aber meist klingen sie einfach so, wie sie klingen sollten, wenn man eine schlichte Geschichte erzählen will.

Mir hat die unaufgeregte Normalität gefallen, die in Willenbrock „passiert“. Nichts, was wir sehen, fühlte sich falsch oder überzogen oder nach Hollywood an. Alles passte: das Timing, die Figuren, sogar die Bettwäsche sah aus, als würde wirklich jemand in ihr schlafen, und nicht wie ein erfüllter Traum eines Set Designers. Und trotzdem folgt man dem Geschehen gespannt. Nicht weil man erwartet, dass plötzlich doch noch wilde Wendungen auftauchen. Nein, weil man sehen möchte, wie die Personen weitermachen, deren Exposition eigentlich ganz banal klang. Wahrscheinlich, weil eben dieses Banale das Leben ausmacht. Und wenn auf einmal etwas diese Ruhe stört, merken wir, wie gerne wir diese Banalität haben und wie sehr sie uns fehlt, wenn sie zerbricht.