Avatar


© 20th Century Fox

Avatar (Avatar – Aufbruch nach Pandora, USA/UK 2009, 162 min)

Darsteller: Sam Worthington, Zoe Saldana , Sigourney Weaver, Stephen Lang, Joel David Moore, Giovanni Ribisi, Michelle Rodriguez , Laz Alonso, Wes Studi, CCH Pounder
Musik: James Horner
Kamera: Mauro Fiore
Drehbuch: James Cameron
Regie: James Cameron

Trailer

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Okay, okay, ich bin ein BISSCHEN spät mit meiner Meinung zu Avatar, schon gut. Aber zuerst hat mein Hund meine Hausaufgaben gefressen und dann … egal. Mein Blog. Los geht’s.

Meine übliche Seifenkiste: der deutsche Titel. Wieso „Aufbruch“ nach Pandora? 99% des Films spielen auf Pandora, und das restliche eine Prozent im Raumschiff auf dem Weg dahin. Unter „Aufbruch“ versteh ich was anderes. Mein konstruktiver Gegenvorschlag: Avatar – Auf die Fresse auf Pandora. Denn obwohl der Film behauptet, es ginge um die Natur und dass wir nett zu ihr sein sollen und auch zu irgendwelchen Bewohnern, die diese Natur vielleicht ganz gerne mögen anstatt irgendwelche Grütze unter der Scholle abzubauen, auch wenn die ganz toll viel wert ist blablabla Toleranz Diplomatie Gaya Wir sind alle Teil der Schöpfung (oder der atheistische Begriff Ihrer Wahl), so ist Avatar dann doch ein klassischer Cameron: dünne Story, viel Geballere. Schade drum, denn die Bilder, die sich nicht mit dem üblichen Gut-gegen-Böse-Showdown beschäftigen, sind wunderwunderschön. Und ich habe den Film auf einem spiegelnden MacBook bei Tageslicht gesehen anstatt in einem dunklen 3D-Kino, wo der Film eindeutig hingehört.

Die Natur, die Avatar entwirft, schillert und schimmert und glitzert und ist eine einzige Verheißung in allen Blautönen, die der Rechner hergibt (denn es ist natürlich alles CGI), viel Grün, viel Gold und zwischendurch ein tiefes, warmes Violett. Alles sieht wie in Schwarzlicht getaucht aus, nur nicht so billig, und ständig blinkt und flimmert irgendwo ein Farbklecks ganz außen an der Wahrnehmung herum. Man möchte sich einen Pulli aus der Optik stricken und nie wieder ausziehen, so warm wird einem um die Augen, und ich persönlich konnte mich überhaupt nicht sattsehen an dem ganzen Pixelplüsch. Und nicht nur die Farben waren begeisternd, auch die Welt, in der sich die Na’vi, die blauen Bewohner von Pandora bewegen, ist atemberaubend: schwebende Berge, silbrig-glänzende Bäume, die Gedanken und Worte von Verstorbenen speichern und sie weitergeben – und meine Lieblingsidee: die Zöpfe der Na’vi, deren Enden eine Verbindung herstellen können zu quietschbunten Reit- oder Flugtieren oder eben den silbrigen Bäumen, mit denen sie sich so geistig vereinen. Schön subtil und sehr clever – ich hätte Cameron auch zugetraut, dass die Jungs und Mädels T-Shirts tragen, auf denen steht „Du, wir sind total eins mit der Natur, du“. Insofern war ich von der Zopfidee angemessen beeindruckt.

Von diesem Zauber ist auch Jake Sully (Sam Worthington) fasziniert, ein Mensch, der die Reise nach Pandora für seinen verstorbenen Zwillingsbruder übernimmt. Denn der hat seine DNA mit der eines Na’vi mischen und so einen Avatar schaffen lassen, der mit den Na’vi Kontakt aufnehmen kann. Sully stolpert recht unerfahren in die Mission; er ist ein ehemaliger Soldat, der jetzt im Rollstuhl sitzt und die lange Reise nach Pandora nur übernimmt, um sich die Operation leisten zu können, die ihn wieder auf die Beine bringt. Eine der schönsten Szenen im Film – und eine, die zeigt, dass auch Schablonen-Cameron echte Gefühle zeigen kann: als Sully zum ersten Mal seinen Avatar „anprobiert“ und plötzlich wieder laufen kann. Völlig egal, dass er drei Meter groß ist, silbrigblau und spitze Ohren hat – als er aus der Krankenstation sprintet und draußen atemlos die Zehen in den erdigen Untergrund bohrt, sieht er so menschlich und glücklich aus wie danach nie wieder im Film.

Apropos Schablone: Die weiteren Figuren sind prima in Gut und Böse einzuteilen, wie praktisch: der geldgierige und skrupellose Selfridge (Giovanni Ribisi), der das Element Unobtainium (are you kidding me?) abbauen will und dazu die Na’vi irgendwie zum Umzug bewegen muss; der ebenso skrupellose Colonel Quaritch (Stephen Lang), ein Soldat, dessen Mannschaft zum Losballern bereit steht, falls die Diplomatie der Avatare versagt; die Hubschrauberpilotin Chacon (Michelle Rodriguez), die von der Schönheit Pandoras schwärmt, und die Biologin Augustine (Sigourney Weaver), von der ebenfalls ein Avatar existiert und die bereits versucht hat, die Blauen auf ihre Seite zu bekommen. Ohne Erfolg. Jetzt darf Sully ran, und schon bei seinem ersten Erkundungstrip geht so ziemlich alles schief, er gerät in Gefahr und wird von der Na’vi-Dame Neytiri (Zoe Saldana) gerettet. Zunächst will sie ihn allerdings mit Pfeil und Bogen erledigen, aber ein Zeichen der Gottheit auf Pandora – in diesem Fall eine Mischung aus fliegenden Quallen und Pusteblumen – überzeugt sie, ihn am Leben zu lassen. Und ihn zum Clan zu bringen. Und ihn zum Krieger auszubilden. Und und und. Alles egal, denn eigentlich weiß man schon nach 20 Minuten, wie der Film ausgeht.

Das macht er dann auch: äußerst überraschungsarm und mit ebenso überraschungsarmen Dialogen (Menschen: hartherzig und rausgerotzt, Na’vi: voller Gefühl und Pathos) steuern wir auf das gute Ende zu. Dazwischen gibt’s noch eine dämliche Liebeszene, denn natürlich wird aus Sully und Neytiri ein Paar – und wo der Film bei so vielen Dingen innovative Ideen hatte (ich komme nochmal auf die Zöpfe und die schwebenden Berge zurück), wird er hier wieder zur Telenovela. Ein Kuss auf die Lippen, ein Wiegen in den Hüften, und am nächsten Morgen wachen die beiden Arm in Arm auf, wie man’s schon tausendmal gesehen hat, er hinter ihr, schnarch, doof. Außerdem im Programm: der Versuch einer Wiederbelebung von Sigourney, was ein bisschen aussieht wie ein Schwangerschaftsvorbereitungskurs im Elbenland.

Ich mochte an Avatar, dass mir wirklich eine (fast) neue Welt gezeigt wurde. Klar sind da Versatzstücke drin, die einem bekannt vorkommen, aber alleine für die Flora und Fauna von Pandora war mir das ausnahmsweise egal. Nicht egal war mir die Musik von James Horner, der ganz zufällig auch die Lord-of-the-Rings-Filme musikalisch unterlegt hat, was man bei Avatar in ungefähr jedem dritten Takt hört.* Und noch weniger egal war mir die ewig lange kriegerische Auseinandersetzung zum Schluss des Films (gefühlt zwei Stunden). Das war dann wieder blödes Action-Kino, ja gut, mit schwebenden Bergen im Hintergrund, aber eben doch Action-Kino. Natürlich blutet einem nach der ganzen gefühligen Na’vi-Kulturkreis-Erfahrung noch mehr das Herz, wenn eben diese Kultur in Feuer und Späne zerlegt wird, aber es macht Avatar auf einmal wieder so irdisch und belanglos, wo der Film mich eben noch ganz weit weg gebracht hatte. Vor allem hier fällt einem dann doch wieder ein, dass ein Großteil des Films aus Bits besteht, denn hier sieht wieder alles nach Computerspiel aus, wo man vorher völlig vergessen hatte, dass man gerade auf eine künstliche Welt mit künstlichen Bewohner_innen guckt. Ich habe, glaube ich, eine Sekunde daran verschwendet, mich kurz über die tollen Oberflächen und die fast echten Bewegungen zu freuen – und dann war das einfach nicht mehr wichtig, weil es so schön war, daran teilzuhaben. Sobald das Geballere losgeht, wartet man allerdings nur noch auf den eingeblendeten Punkte- und Energiestand am unteren Bildrand.

Im Endeffekt bleibt bei mir ein Naja-Gefühl über: teilweise außergewöhnliche Bilder, die von einer absolut gewöhnlichen Story überlagert werden. Schade drum – aber trotzdem ein Kinofilm, der seinen Namen mal wieder verdient hat. Wenn der nicht ins Kino gehört, das dazu da ist, uns die Augen übergehen zu lassen, weiß ich nicht, welcher Film da sonst reinpasst.

* Danke Sonja: Die Musik in LOTR war natürlich von Howard Shore. Dann möchte ich umformulieren: Die Musik in Avatar hört sich an wie LOTR. (Auch nicht besser.)

Der Bechdel-Test:

1. Es müssen mindestens zwei Frauen mitspielen, die
2. miteinander reden
3. und zwar über etwas anderes als Männer.

1. Es spielen einige Frauen mit: Neytiri, die Biologin, die Hubschrauberpilotin, Neytiris Mutter als spirituelle Führerin der Na’vi. Aber
2./3. bis auf Neytiri, die zwei Sätze mit Mama wechselt und der Pilotin, die einen markigen Spruch in Richtung Sigourney bringt, reden die Damen nicht miteinander.

Test bestanden? Nein. Die Dialoge, die den Namen „Dialog“ wirklich verdient haben, finden zwischen Männern oder zwischen Mann und Frau bzw. Na’vi statt.