Agnes und seine Brüder
Unstimmiges Familienpsychogramm, das mir aber trotzdem oder gerade wegen seiner Unstimmigkeiten gefallen hat. Agnes und seine Brüder handelt von einem Mann, der aus Liebe zu einem anderen Mann zu der Frau Agnes wurde und nun recht ziellos durchs Leben treibt. Martin Weiß schafft es, den Zuschauer davon zu überzeugen, dass er eine Frau ist, obwohl er deutlich männlich aussieht: Anscheinend hat er lange dafür geübt, eine Zigarette „weiblich“ zu halten und auf hohen Absätzen zu gehen. Trotzdem bleibt die Figur blass, die Stimme klingt zu zaghaft, und eigentlich wusste ich bis zum Schluss nicht wirklich, was ich mit ihr anfangen soll. Herbert Knaup und Moritz Bleibtreu als Agnes’ Brüder haben etwas schlüssigere Storylines (aber auch nur etwas): Knaup spielt einen Politiker, dessen einziger Lebensinhalt die Einführung des europäischen Dosenpfands ist. Darüber vergisst er, dass er eine Frau (Katja Riemann) hat, und auch sein Sohn (Tom Schilling) ist eher eine Bedrohung als eine Bereicherung. Bleibtreu ist ein sexsüchtiger Bibliothekar, der Studentinnen beim Toilettengang beobachtet und zum Schluss mit einer Pornodarstellerin nach Bagdad flieht, nachdem er seinen Vater erschossen hat, der ihn angeblich als Kind missbraucht hat.
Genauso seltsam wie sich die Beschreibung liest, fühlt sich auch der Film an. Ich habe vergeblich versucht, irgendwo eine Botschaft zu entdecken außer der, dass es anscheinend eine Menge seltsamer Menschen gibt. Die Geschichten, die der Film anreißt, werden oft nicht aufgelöst, die Figuren ergeben mitunter überhaupt keinen Sinn, aber gerade das hat mir gefallen. Eben weil ich nicht von Anfang an wusste, wie der Film ausgeht, eben weil die Charaktere Brüche aufwiesen, eben weil die Geschichte vielleicht gar keine sein will, kam mir der Film trotz all seiner grellen und sinnfreien Überzeichnungen seltsam realistisch vor. Die ewigen Fäkalanspielungen gingen mir allerdings etwas auf die Nerven, weil sie sich zu sehr nach billiger Krachmacherei anfühlten. Und die Wurstmetapher war dann – im wahrsten Sinne des Wortes – auch ein bisschen zu dick.