Tagebuch, Mittwoch, 10. Januar 2018 – Hirntotes Rumstümpern
Jeder, der beruflich schreibt, weiß, dass es Tage gibt, an denen die schönsten Sätze wie von Zauberhand aus der Tastatur gleiten, man liest abends noch mal drüber, man liest einen Morgen später noch mal drüber, und alles ist immer noch so wundervoll wie es einem gestern beim Schreiben vorkam. Und dann gibt es die Tage, wo man gefühlt nur Wortfetzen und einzelne Buchstaben auf den Bildschirm bringt, und um sie muss man auch ringen, damit sie überhaupt da stehen, es klingt alles als ob ein Drittklässler das erste Mal eine Tastatur benutzt, und es klingt auch abends noch so und am nächsten Morgen.
So einen Tag hatte ich gestern. Netterweise bin ich gerade nicht in einer Agentur, wo man acht Stunden verzweifelt am Platz sitzen und so tun muss, als wäre man gerade irre produktiv. Ich konnte zwischendurch kochen, abwaschen, einkaufen und F. vom Arzt abholen, der eine Begleitperson brauchte (alles gut), und mich dazwischen immer wieder an den Rechner setzen, um zu gucken, ob ich weiterhin Bröckchen kotze oder endlich mal einen Satz raushaue, der nach einem Satz klingt. Tat ich leider nicht. Ich ging abends zu Bett im vollen Bewusstsein, dass ich heute alles wegschmeißen werde, was ich gestern getippt habe. Aber immerhin habe ich etwas getippt, ich konnte Dinge thematisch clustern, ich konnte mir Strukturen überlegen und Inhalte. Ich konnte sie halt nur nicht vernünftig formulieren. Mal sehen, wie das heute läuft.
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Abends das vierte Kapitel von Ulysses gelesen. Die Taktik, sich wirklich immer nur ein Kapitel vorzunehmen, klappt ganz gut, ich werde nicht erschlagen von den vielen Fragen, die ich während des Lesens habe, kann aber schon Dinge einordnen, die mir bekannt vorkommen. Außerdem habe ich neben der Oxford-Studienausgabe mit den Endnotes noch ein weiteres Buch bei mir im Regal gefunden, das ich sehr hilfreich finde: The New Bloomsday Book: Guide Through “Ulysses”. Darin wird der Inhalt nacherzählt, aber es werden keine literarischen Anspielungen erklärt oder die vielen fremdsprachigen Einwürfe und Begriffe übersetzt. Diesen Satz aus einer Rezension fand ich sehr schön: „He guides the first-time reader carefully through Joyce’s (famously difficult) novel, but does not challenge the mystery that make[s] Ulysses a joy to read.“ Mit diesen beiden Sekundärliteraturen kann man sich das Buch ziemlich gut erarbeiten. Yay, ich lese Ulysses! Wenigstens ein Erfolgserlebnis.