Was schön war, Samstag, 17. Februar 2018 – Zwei Museen, drei Ausstellungen, eine Sammlung
F. und ich schoben einen Kurzurlaub in Frankfurt, ja, Frankfurt ein und setzten uns Freitag abend in München in den Zug. Nachdem wir unsere Taschen im Hotel losgeworden waren, erkundeten wir drei Restaurants, die uns von einer freundlichen Frankfurterin empfohlen worden waren; eins davon bot leider nur Buffet, darauf hatte ich keine Lust, und die anderen beiden waren, fast logisch, an einem Freitagabend um 21 Uhr pickepackevoll. Google und Yelp schickten uns zum Mian-Nudelhaus, das aussieht wie eine bessere Imbissbude; wir wurden aber sehr freundlich und schnell bedient und verließen es äußerst gut gesättigt und zufrieden.
Dann schliefen wir in unserem brummenden Hotel mehr schlecht als recht, weil es ohne Ohrenstöpsel nur schwer zu ertragen war, aber es war billig, hatte ein gutes Frühstück und lag in Bahnhofsnähe. Am nächsten Morgen checkten wir aus und marschierten mit Gepäck zum ersten Ziel, der Schirn. Was da schon auf dem Weg lag! Toll.
Das europäische Patentamt in München nimmt mich emotional nicht so mit wie die europäische Zentralbank in Frankfurt. Wahrscheinlich weil nichts Blaugelbes mit Sternen davor steht.
— Anke Gröner (@ankegroener) 17. Februar 2018
„Das ist also der Römer.“ „Bekannt von Fußballweltmeisterschaften.“
— Anke Gröner (@ankegroener) 17. Februar 2018
An der Schirn kamen wir um wenige Minuten vor zehn Uhr (eigentliche Öffnungszeit) an, aber die Türen waren schon auf, also gingen wir rein und gleich zur noch leeren Garderobe durch, um unsere zwei Rucksäcke, eine kleine Sporttasche und zwei dicke Jacken loszuwerden. Die freundlichen Damen überreichten uns vier bunte Zettelchen zur späteren Abholung und wir gingen mit unseren im Interweb gekauften Tickets in den ersten Stock, wo die Ausstellung Glanz und Elend in der Weimarer Republik auf uns wartete. Die läuft nur noch bis zum 25. Februar, also geht da doch bitte schnell noch rein, ich kann die sehr empfehlen.
Da ich mich in der Diss mit der ollen NS-Zeit beschäftige, ist Weimar nicht ganz unwichtig. Ich fand die Ausstellung recht clever gehängt; sie beginnt gleich mit Politik. Normalerweise hat man ja gerne einen Rundgang, also einen klaren Anfang und ein ebensolches Ende, aber hier hat man einen langen Gebäudeflügel, den man in eine Richtung abläuft – und dann wieder zurückmuss. Das heißt, Politik steht nicht nur am Anfang, sondern auch am Ende der Ausstellung und das fand ich sehr schlau.
Was mir auch gefallen hat: dass viele, ich nenne sie mal so, weibliche Themen angesprochen wurden und viele Künstlerinnen zu sehen waren. Die neue Frau mit Bubikopf, einem Job und Zigarette, ja, geschenkt. Aber dass auch die Themen Paragraf 218, Abtreibung und Prostitution explizit bildlich angesprochen bzw. per Wandtext deutlich gemacht wurden, fand ich sehr spannend. Hier mochte ich auch den Blick von Frauen auf Frauen. Meiner Meinung nach sah man Bildern, gerade von Prostituierten oder Tänzerinnen, sehr deutlich an, ob sie von einem Mann oder von einer Frau gemalt wurden. (Zumindest habe ich meist richtig geraten, bevor ich auf das Schild mit dem Künstler*innennamen geguckt habe.) Auch auffällig war der neue Blick auf Frauen, der mit der Neuen Sachlichkeit zusammenhing. Frauen wurden zwar durchaus immer noch verklärt und aufgehübscht oder neusachlich-realistisch wiedergegeben, aber eben auch bildlich verzerrt. Die angebliche Hässlichkeit, die der Moderne gerade vom NS-Regime vorgeworfen wurde, machte vor dem „schönen Geschlecht“ netterweise nicht halt.
Neu entdeckt habe ich Kate Diehn-Bitt, über die wir im ZI gerade lausige vier Kataloge haben, die aber 400 verdient gehabt hätte. Hilde Rakebrand. Hanna Nagel. Jeanne Mammen. Dodo. Über Lotte Laserstein hatten wir in unserem Rosenheim-Seminar gesprochen und ich habe mich gefreut, ein Bild, das ich dort sah, nun im Original vor der Nase gehabt zu haben. (Sowas freut mich immer, keine Ahnung warum.) Und Elfriede Lohse-Wächtler kannte ich natürlich aus der Hamburger Kunsthalle, aber hier hingen fast nur Werke von ihr, die ich ihr nie zugeschrieben hätte in ihrer bunten Wildheit. Toll.
Gleich im ersten Raum hing mein Lieblingsbild – Karl Völkers Bahnhof (1924-26) –, aber im für mich letzten Raum hatte der Bahnhof dann verloren, denn dort hingen gleich drei Werke von Carl Grossberg, auf den ich ja seit einigen Monaten besonders schaue. Das wusste ich vorher nicht, fiepste sofort fangirlmäßig auf Twitter rum und blieb sehr lange vor den starren, kühlen, bewegungslosen Industriedarstellungen Grossbergs stehen.
F. und ich unterhielten uns während der Ausstellung schon über viele Bilder, aber auch danach, als wir uns für die nächste Ausstellung im Café stärkten.
Ich so: „Immer wenn ich Kram aus Weimar gucke, bin ich auf mich selbst pissig, dass ich wissenschaftlich in der NS-Zeit hängengeblieben bin.“ F. so: *lächelt sibyllinisch*
— Anke Gröner (@ankegroener) 17. Februar 2018
Im Vorfeld hatte ich über die Jil-Sander-Ausstellung nachgedacht und mir war Jean-Michel Basquiat eigentlich eher egal, aber die erste Ausstellung in der Schirn hatte mir gut gefallen, wir waren gerade da und hatten noch üppig Zeit – also blieben wir erst einmal im gleichen Haus. Die Garderobe war ja auch schon abgegeben, wie praktisch, denn nun standen dort dreimal so viele Leute an wie vor der Kasse, wo wir zwei Karten für die gerade eröffnete Basquiat-Ausstellung erwarben und wieder in den ersten Stock gingen.
Mit Basquiat habe ich mich noch nie wissenschaftlich beschäftigt. Ich hatte ihn in den 80er-Jahren durchaus wahrgenommen, auch im Kontext mit Keith Haring, den ich sehr mag – ich verweise auf meinen weinerlichen Podcast-Einsatz ab Minute 54:20 –, aber eine echte Meinung hatte ich nicht zu ihm. Die habe ich jetzt aber nach dieser guten Ausstellung.
Sie begann mit einigen Schaukästen, die ich nur gestreift habe („im Vorbeigehen lernen“), und weil die Ausstellung so neu war, war sie dementsprechend voll, weswegen man dann nur noch im Schritttempo an einer Fotosammlung vorbeikam, in der Sätze von Basquiat zu lesen waren, die er Ende der 1970er-Jahre in New York auf Türen und Wänden hinterlassen hatte. Das war schon das erste Aha-Erlebnis für mich: was für clevere, kleine Vignetten da zu finden waren. Alleine für die hätte ich mir den Katalog kaufen müssen, wie ich inzwischen festgestellt habe, aber am Samstag dachte ich noch, och, das war nett, okay, weiter, aber diese Ausstellung rumort seitdem in mir und arbeitet und jetzt muss ich 15 Euro mehr für den Katalog zahlen, weil ich ihn dringend von meiner Buchhändlerin ordern will.
Im nächsten Raum wurde dann Basquiats erste reguläre Galerieausstellung nachgebaut, was mir sehr gut gefallen hat. Diesen ersten Eindruck von einem Künstler kriegt man ja nie wieder hin, erst recht nicht 30 Jahre später, aber diese Hängung versucht es wenigstens und das klappt meiner Meinung nach ganz gut. Überhaupt hat bei mir die Ausstellung ein neues Verständnis für Basquiat geschaffen, das ich vorher schlicht deswegen nicht hatte, weil ich nur mal hier und mal da ein Werk von ihm gesehen habe, aber nie so viel auf einmal. Alleine das war das Eintrittsgeld schon wert.
Ich will jetzt gar nicht die Ausstellung beschreiben, das können andere besser, aber für mich war das ein großer Gewinn, sie gesehen zu haben. Und gleichzeitig ist mir der Verlust dieses Künstlers wieder klargeworden. Bei dieser Ausstellung dachte ich, wie bei Haring auch schon: Was hätte aus ihm werden können. Was verdammt nochmal hätte aus ihm werden können. Wer mit Anfang und Mitte 20 schon so schlau und reflektiert und wissenshungrig und neugierig auf alles war – was wäre er mit 30, 40, 50 gewesen? Über was würde er heute nachdenken? Ich hätte gerne gesehen, wie das Internet seine Arbeit verändert hätte, die immer sehr mediengeprägt war. Und ich hätte gerne noch viele Selbstporträts von ihm gesehen; der Raum hat mir am besten gefallen. Vielleicht hätte der Mann auch mit 35 eine Burgerbude aufgemacht, auch okay. Trotzdem. Verdammt.
Gleichzeitig beschenkt und bedrückt gingen wir wieder nach unten, holten unseren Berg Gepäck ab, erstanden zwei Kataloge zur Weimar-Ausstellung, die F. den Rest des Tages heldenhaft schleppte, und dann wussten wir erstmal nicht weiter. Auf Jil Sander hatte ich jetzt doch keine Lust mehr, auf den Brutalismus im Architekturmuseum auch nicht, auch die anderen Tipps, die uns auf Twitter gegeben wurden, wollten wir nicht sehen. Also spazierten wir erst einmal über den Main – und landeten dann fast zwangsläufig im Städel. Dort hatte ich vor gefühlt ewigen Zeiten endlich die Flemaller Tafeln gesehen und schwärmte F. davon vor. Dass sie gerade ausgelagert wurden, sahen wir erst im Museum, woraufhin ich meine Laune bei niederländischen Stillleben aufbesserte und dann mit F. im Stechschritt durch die Sammlung ging. Wir guckten uns auch brav die Rubens-Ausstellung an, die mir total egal war, aber F. so: „Ischo bezahlt“, also gingen wir durch. War bestimmt toll, aber ich blieb wirklich nirgends stehen. Rubens halt. Der Barock und ich werden vermutlich keine Freunde mehr.
Stattdessen gingen wir ins Untergeschoss, wo zeitgenössische Kunst hängt und liegt und steht und rumblinkt und sich bewegt. Den Bereich des Städel hatte ich beim letzten Besuch nicht angeschaut und so war das auch alles neu für mich. Wir fanden alles toll, suchten nach den bekannten Namen, entdeckten unbekannte, und ich musste natürlich in einer Leuchtinstallation von James Turrell an den Reglern drehen und meinen Kopf in ein tiefes Rot stecken.
Irgendwann war mein Hirn dann aber wirklich voll und meine Füße nölten auch. Zur Stärkung gab es am Bahnhof ein bisschen Fine Dining bei Burger King, dann suchten wir die guten Toiletten in der Bahn-Lounge auf und ließen uns noch ein Heißgetränk servieren, bevor wir dreieinhalb Stunden lang nach München zurückschaukelten. Viel gesehen, viel gelernt. Gerne wieder.
„Und, was hat Ihnen an Frankfurt am besten gefallen?“ „Dass man nach 20 Uhr noch im Supermarkt einkaufen konnte WIE EIN NORMALER MENSCH.“
— Anke Gröner (@ankegroener) 17. Februar 2018