Tagebuchbloggen 06.04.2010

Erster Tag vom zweiwöchigen Urlaub. Endlich Zeit für den ganzen Krempel, den ich seit Wochen vor mir herschiebe. Daher war mein Vormittag dann auch geprägt von Telefonaten mit Versicherungen, Zahnärzten, Krankenkassen und re-publica-Vermietern – also fast alles Zeug, das ich ungern im Großraumbüro erledige. Oder, weil der Handyempfang beim derzeitigen Arbeitgeber leider so richtig schön mies ist, per iPhone im Innenhof rumlaufend.

Ich habe mir selbst zum Geburtstag eine Weinprobe bei meiner Lieblingssommelière geschenkt. Diesen Samstag kommt Frau Lu mit nem Haufen Rotwein unter dem Arm zu mir, und ich und einige ausgewählte Schnapsdrosseln werden schlucken und spucken, was das Zeug hält. Dafür musste ich noch einen Schwung Rotweingläser kaufen. Und wenn ich schon mal in der Innenstadt war, auch gleich noch einen Schwung Obstbrandgläser dazu. Bisher habe ich meinen Lieblingsgrappa immer aus den schweren Averna-Gläsern serviert, aber ich mag die lustige Form der neuen Gläser so gerne. Her damit.

Den Nachmittag mit ein paar Folgen Scrubs verbracht, der Umsatzsteuervoranmeldung für März, bisschen in der Wohnung rumpuscheln, die neue Hose endlich kürzen – allerdings ohne Nadel und Faden, das kann ich bis heute nicht, und seit ich weiß, dass es diese herrliche Aufbügelklebezeug gibt, mit dem man den Saum einfach umschlagen und festkleben kann, will ich das auch nicht mehr lernen.

Abends eine gute Freundin wiedergetroffen, mit der ich vor 20 Jahren zur Schule gegangen bin. Sie lebt seit Jahren als Hauptschullehrerin in Köln; wir telefonieren so drei-, viermal im Jahr, aber es ist immer so, als hätten wir gestern das letzte Mal geschnackt. Die alte Vertrautheit ist sofort wieder da, was ich sonst mit niemandem so habe. Ich habe K. das letzte Mal vor fünf Jahren auf ihrer Hochzeit gesehen und mich daher sehr gefreut, dass ihr Mann und sie einen kleinen Spontanurlaub in Hamburg eingelegt haben.

Wir haben uns im Abaton-Bistro getroffen (da schleppe ich immer Gäste hin, weil die lederne Bank so rückenfreundlich ist). K. und ich haben natürlich erstmal alle Leute durchgehechelt, mit denen wir zur Schule gegangen sind, dann unser eigenes Leben reflektiert – ich hab übers Essen geredet, sie über ihre Schüler und deren Eltern und wie anstrengend und herausfordernd es ist, sehr desillusionierten Kindern trotzdem Mut zu machen, dass aus ihnen etwas werden kann. Und dann hab ich erwähnt, dass ich neuerdings Chemiebücher lese, woraufhin K.s Mann mir Onkel Wolfram empfohlen hat, das ich ja lustigerweise gerade gelesen habe. Ich habe mich den ganzen Abend darüber gefreut, jemanden zu kennen, der das gleiche Buch gelesen hat wie ich, weil das ja nun wirklich nicht unbedingt eins ist, das jeder im Schrank stehen hat. Wir haben dann eine Runde über Metalle geredet und das Periodensystem und sind zu Astronomie gekommen und dass die beiden ein Teleskop haben, mit dem man prima Mondkrater angucken kann. Und ich hatte das wohlige Puschelgefühl im Bauch, dass mein Leben mal wieder einen Kreis schließt. Von ganz alten Freunden zu neuen, die gerade in einem Hotel wohnen, das mir meine Twitter-Timeline empfohlen hat, von Büchern, die ich durchs Bloggen kennengelernt habe und die mir jetzt auch im „echten Leben“ begegnen, von ganz unterschiedlichen Lebensentwürfen, die doch irgendwo Schnittmengen haben.

Pizza Agnello, einen Rosé, einen Riesling und ein halbes Tiramisu. Die andere Hälfte esse ich gerade zum Frühstück. Guter Tag.

Stephen Fry schreibt – wie immer sehr persönlich – für Time über das iPad: The iPad Launch: Can Steve Jobs Do It Again?

“In 1984, Douglas Adams, author of The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy, was the first person in Britain to own a Macintosh computer, and I was the second. Goodbye, glowing green command line; hello, mouse, icons and graphical desktop with white screen, closable windows and menus that dropped down like roller blinds. Throughout the next decade I would regularly go round to Douglas’ London house, floppy discs under my arm, and ring the doorbell.

“Is he in?” I would pant excitedly. Douglas’ wife Jane would point with resigned amusement to the stairs, and I would hurl myself up them to swap files and play. We were like children with toy train sets. And that was part of the problem. It was such fun. Computing was not supposed to be fun.

(…) back in those days the Mac was derided as a toy, a media poseur’s plaything and a shallow triumph of style over substance by those with a belief that computers, as utilitarian tools performing serious functions for business, should be under the control not of the user but of IT technicians and systems engineers. Despite the PC’s eventual adoption of a Mac-style graphical user interface with the release of Windows 95, the damage had been done to Apple. By 1997, the company was in deep crisis. Douglas and I got used to the gloating sympathy of exultant PC users. “You’ll soon be getting your spare parts and upgrades from hobbyist outlets and mail order,” they chuckled. The specialist and business magazines agreed.

But not so fast; hold your horses: one of the most extraordinary pages in America’s corporate history was about to be written. Apple’s “mercurial” co-founder Steve Jobs (people like Jobs always find themselves tagged with words like that) was fired from his own company just a year after the Mac’s release. In exile he created Pixar Animation Studios and the NeXT computer. His return to Apple in 1997, after it purchased NeXT, is now the stuff of legend. In the design department, Jobs saw the work of a young Briton called Jonathan Ive and asked for a meeting. Ive, underused and ignored for a year, turned up with a resignation letter tucked into the back pocket of his jeans. He left with instructions to unleash his talent. The result was the iMac, an all-in-one computer in a white-and-Bondi-blue transparent housing as far removed from the standard beige box of the day as could be imagined. Ive’s next major designs would be the iPod and then the iPhone. Apple’s transformation from underdog to the biggest beast in the jungle was under way. And look what’s iPadding through the undergrowth toward us now.”

“Why do we read fiction? Why do we care so passionately about nonexistent characters? What underlying mental processes are activated when we read? (…)

Jonathan Gottschall, who has written extensively about using evolutionary theory to explain fiction, said ‘it’s a new moment of hope’ in an era when everyone is talking about ‘the death of the humanities.’ To Mr. Gottschall a scientific approach can rescue literature departments from the malaise that has embraced them over the last decade and a half. Zealous enthusiasm for the politically charged and frequently arcane theories that energized departments in the 1970s, ’80s and early ’90s – Marxism, structuralism, psychoanalysis – has faded. Since then a new generation of scholars have been casting about for The Next Big Thing.

The brain may be it. Getting to the root of people’s fascination with fiction and fantasy, Mr. Gottschall said, is like ‘mapping wonderland.’ (…)

The road between the two cultures – science and literature – can go both ways. ‘Fiction provides a new perspective on what happens in evolution,’ said William Flesch, a professor of English at Brandeis University.

To Mr. Flesch fictional accounts help explain how altruism evolved despite our selfish genes. Fictional heroes are what he calls ‘altruistic punishers,’ people who right wrongs even if they personally have nothing to gain. ‘To give us an incentive to monitor and ensure cooperation, nature endows us with a pleasing sense of outrage’ at cheaters, and delight when they are punished, Mr. Flesch argues. We enjoy fiction because it is teeming with altruistic punishers: Odysseus, Don Quixote, Hamlet, Hercule Poirot.“

Next Big Thing in English: Knowing They Know That You Know, NYT.

„Ich bin …“

Literatur-Übersetzerin.

Werbetexterin.

Script Consultant.

Laborantin.

Arbeiterin.

Kommunikationsberater.

alles Mögliche.

Journalist, Dozent und Berater.

Buchhändlerin.

Siebdruckerin, Autorin und Mutter.

Ebayerin.

Informatiker.

Webdesigner und Internetconsultant.

IT Expert im EUWS.

Chefin eines Familienunternehmens.

Grafikdesignstudentin.

IT-Prüferin.

Ernährungstrainerin, Textarbeiterin, Sommeliere, Bildredakteurin.

Videografikerin bei einem TV-Sender.

Illustratorin, Art Director, Atelierleiterin.

eine Hälfte einer Designpartnerschaft.

Zahnarzt.

Marktforscherin.

PR-Redakteurin.

Künstleragentin.

Hat das noch wer ausgefüllt? Ich les das so gerne. (Edit: wird laufend ergänzt. Hinweise auf Links, die ich selber nicht in den Referrern finde, werden gerne entgegengenommen.)

Oh, und Esther Grau informiert (mich) darüber, wie ich meinen Traum von der Schwerelosigkeit eventuell wahrmachen könnte.

Vielleicht brauch ich ja doch eins

“Maybe the most exciting thing about iPad is the apps that aren’t here yet. The book-film-game hybrid someone will bust out in a year, redefining the experience of each, and suggesting some new nouns and verbs in the process. Or an augmented reality lens from NASA that lets you hold the thing up to the sky and pinpoint where the ISS is, next to what constellation, read the names and see the faces of the crew members, check how those fuel cells are holding up.”

(Boing Boing)

„Ich bin Werbetexterin.“

1. Was machst du beruflich?

Ich bin Werbetexterin.

2. Was ist gut – was ist nicht so gut daran?

Gut: Ich darf den ganzen Tag schreiben und krieg auch noch Geld dafür. Und da ich mich so ziemlich fest auf Autoverkaufsliteratur spezialisiert habe, darf ich den ganzen Tag über schöne, neue, teure Autos schreiben. Die ich nie fahren werde, weil sie zu neu und zu teuer sind, denen ich aber immer auf der Straße hinterhergucke, weil sie so schön sind. (Immer wieder: Mercedes CLS. Der schönste stählerne Arsch ever. Nur nicht in Silber. Ich weiß überhaupt nicht, warum den irgendwer in Silber fahren will. Da knacken seine Linien gar nicht. Runner-up zum Hinterhergucken: Audi A5.)

Auch gut: Seit zwei Jahren bin ich selbständig. Heißt: Ich mache im Idealfall dauernd was Neues. Was natürlich so gut wie immer mit schönen, neuen, teuren Autos zu tun hat, denn die Hersteller dieser Autos verteilen ihre Etats ganz gerne auf mehrere Agenturen. Kataloge hier, Anzeigen da, Messemittel dort, Zubehör da, Nutzfahrzeuge hier …

Ebenfalls gut: Die Kohle stimmt. Geht immer besser, ist klar, man hat ja nie genug Schlösser aus Gold, aber generell passt das.

Immer gut: Da ich meistens weiß, was ich tue (außer an Tagen wie diesen), habe ich fast immer um 18 Uhr Feierabend. Was alles andere als selbstverständlich ist in der Werbung. Leider.

Nicht so gut: Man könnte jetzt über die Branche lästern, aber ich persönlich komme ganz gut mit ihr klar. Idioten gibt’s überall, nette Menschen glücklicherweise mehr.

Aber: Als Werber muss man wissen, dass der Kunde immer König ist. Immer. Und wenn der Satz im Katalog dreimal widerlich klingt, wenn der Kunde den so haben will, dann kriegt er ihn. Und dann nützt es auch nix, dass man als Texterlein bittere Zähren vergießt wegen des miesen Sprachgefühls. Werbung ist keine Kunst. Wer Kunst machen will, sollte nicht in die Werbung gehen. Wir schreiben keine Romane, wir photoshoppen keine Meisterwerke. Wir verkaufen Zeug. Mehr nicht. Das vergisst man gerade als Junior gerne, aber irgendwann hat man’s geschluckt, und dann regt sich jemand Branchenfremdes darüber auf, wie abgestumpft die Werber doch sind, und man selbst guckt in den Spiegel und denkt sich, hm, ich mag mein Zeug und ich kann auch mit gutem Gewissen sagen, damit niemanden zu belästigen, denn lustigerweise holen sich die Leute Autokataloge freiwillig. Aber damit hab ich sicher eine Luxusnische in dieser Heizdeckenveranstaltung.

3. Was wäre dein absoluter Traumberuf?

Ich habe jahrelang den Plan B im Hinterkopf gehabt: Drehbuchautorin. Je länger ich aber Werbung mache, desto weniger will ich was anderes machen. Und in den letzten Jahren musste ich mir auch langsam eingestehen: Ich hab nix zu erzählen. Ich habe keine große Idee, die in mir gärt und aufgeschrieben werden will. Ich plaudere lieber über Zeug, das andere machen, Bücher, Filme, Comics oder Blogeinträge. Und ich rede gerne über mich selber, aber das will ich nicht zwischen zwei Buchdeckeln lesen.

Außerdem ist dieses nagende Stimmchen nicht mehr da, das mir jahrelang bei einem guten Film oder einem guten Buch sagte, ach Mist, ich wünschte, ich hätte das geschrieben. Das Stimmchen ist inzwischen ein glückliches Ding an der Seitenlinie geworden, das sich puschelschwingend über anderer Leute Zeug freuen kann, ohne traurig darüber zu sein, dass ihm das nicht eingefallen ist. Ich weiß nicht, ob das Altersmilde oder Resignation ist. Ich nenne es Zufriedenheit.

Aber mein Traumberuf ist natürlich immer noch Astronautin. Ich kann nur nix, was mich für einen Aufenthalt im All qualifizieren würde. Außer mit großen Augen aus der Raumfähre zu gucken und staunende Blogeinträge darüber zu schreiben. Andererseits: NASA? ESA? Das würde ich sogar für lau machen!

4. Warum gerade dieser?

Weil ich es mir unglaublich majestätisch vorstelle, die Welt von oben zu sehen. Und weil ich, außer den wenigen Minuten im Toten Meer, keine Ahnung habe, wie sich Schwerelosigkeit anfühlt.

(Fragebogen bei Isa mitgenommen)