Bücher Februar 2011
Naomi Wolf – The Beauty Myth: How Images of Beauty Are Used Against Women
20 Jahre alt und leider immer noch aktuell. The Beauty Myth beschreibt die seltsamen und sich ständig ändernden optischen Standards, denen Frauen genügen müssen, um als „wertvoll“ anerkannt zu werden, sei es am Arbeitsplatz, als Mutter oder als Partnerin. Die ganzen Mechanismen, die Wolf beschreibt, sind ermüdend und anstrengend, weil man sich selbst als medienaffine Frau nie so recht davon freimachen kann. Wenn ich tagtäglich dutzende von sehr dünnen Models und Schauspielerinnen präsentiert bekomme, gewöhne ich mich irgendwann an dieses Körperbild und nehme es als „normal“ hin – und eventuell fühle ich mich dann in einem „normalen“ Körper plötzlich fett und hässlich. („Normal“ ist ein schwieriges Wort, weil ich Menschen eben nicht in Normen packen möchte. Und dass „fett“ automatisch „hässlich“ ist, ist auch eine relativ neue, westliche Idee.) Was mir Wolf allerdings auch nicht sagen konnte: warum wir Frauen uns diesen doofen Schuh anziehen. Warum wir weiterhin in Konkurrenz zueinander stehen anstatt gemeinsam diesen Rotz hinter uns zu lassen. Sie vertritt die These, dass die Schönheitsdiktatur eine der letzten patriarchalischen Festungen ist: Jetzt, wo wir wählen dürfen und theoretisch jeden Beruf ergreifen dürfen, werden wir trotzdem noch kleingehalten, weil wir uns um Körperenthaarung und Kalorienzählen kümmern anstatt unsere Fähigkeiten für Sinnvolleres einzusetzen.
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Dieter Moor – Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht: Geschichten aus der arschlochfreien Zone
Moor kauft mit seiner Frau zusammen einen Bauernhof in Brandenburg, um daraus einen demeter-Hof zu machen. Klingt einfacher als es ist, denn erstmal muss man mit den knurrigen Einwohnern und Einwohnerinnen klarkommen, dann damit, dass es nicht mal Frischmilch oder eine vernünftige Zeitung in dem Kaff gibt und dann mit den Technopartys, die auf einem nahegelegenen Flugfeld stattfinden, das die Russen hinterlassen haben. Und nebenbei verlangen die Tiere Aufmerksamkeit und der gebraucht gekaufte Traktor. Moor erzählt das ganze in einem Tonfall, den man abends gerne draufhat, wenn man sich mit Freunden und Freundinnen beim dritten Glas Wein die nervigsten Storys aus Arztpraxen oder der Kundenhölle erzählt, und das macht den Zuhörern und Zuhörerinnen meist mehr Spaß als denjenigen, die die Nervereien hinter sich gebracht haben. Aber danach kann man prima Witze darüber machen, und alle haben eine gute Zeit. Hatte ich mit diesem kleinen Charmebolzen von Buch auch.
Michael Köhlmeier – Abendland
Was für lange Winterabende, ewige Busfahrten und den Aufenthalt auf dem Zauberberg. Abendland ist ein ganz großes Panorama; eigentlich geht es „nur“ um zwei Familien, aber an den Menschen hängt ein ganzes Jahrhundert. Der Ich-Erzähler Sebastian, ein Mann um die 60, wird von seinem „Ersatzvater“ Carl (ein Freund seines biologischen Vaters) gebeten, seine Biografie zu schreiben. Carl liegt quasi schon im Sterben und erzählt Sebastian nun die Bruchstücke seines Lebens, die dieser noch nicht kennt. Das geht nicht linear vor sich und vermischt sich mit Sebastians eigenen Erinnerungen. Im Zusammenspiel entsteht ein Kaleidoskop aus Charakteren, historischen Begebenheiten und einem schmerzlichen Abriss über das letzte Jahrhundert, es geht einmal durch ganz Europa und die Welt, thematisch verknüpft mit Mathematik, Philosophie und Musik. Hört sich an wie ein zerpflückter Bildungsroman, las sich aber wie ein modernisiertes und globalisiertes Krieg und Frieden ohne Kampfhandlungen. I like.
(Leseprobe bei amazon.de)
Thilo Bode – Abgespeist. Wie wir bei Essen betrogen werden und was wir dagegen tun können
Thilo Bode ist Geschäftsführer von Foodwatch, einer Organisation, die unter anderem gegen den leider üblichen Etikettenschwindel von Lebensmitteln kämpft. (Also Quatsch wie die Milchschnitte eine gesunde Zwischenmahlzeit zu nennen.) In Abgespeist macht er das ganz große Fass auf und kommt vom Hölzchen aufs Stöckchen. Es geht nicht nur um die seltsamen Inhaltsangaben und Werbeversprechen von Lebensmitteln, sondern auch um deren Herstellung (bio, konventionell), die Auswirkungen auf Europa und die Welt (Einfuhrzölle aus Dritte-Welt-Ländern, sinnlose EU-Subventionen) und den ganzen Lobbyirrsinn wie z.B. den „Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde“ (BLL), der rund 300 Unternehmen vertritt und praktischerweise bei neuen Gesetzesinitiativen gleich mitschreibt. Was logischerweise dazu führt, dass z.B. Separatorenfleisch, das im Verdacht steht, mit für BSE verantwortlich zu sein, nicht mehr gesondert ausgewiesen werden muss, weil das die armen Verbraucher_innen ja nur verwirrt. Also ungefähr die gleiche Logik, als wenn die Pharmaindustrie Nebenwirkungen auf Beipackzetteln nicht mehr ausweisen würde, weil die Patient_innen das Medikament sonst nicht nehmen würden.
Das Buch wiederholt sich für meinen (haha) Geschmack etwas zu häufig und bringt immer wieder die gleichen Argumente, aber die sind leider auch deprimierend genug. „Was wir dagegen tun können“ bleibt allerdings ziemlich unbeantwortet. Außer „Tut euch zusammen und kauft mehr Öko“ war da nicht viel.
Miles Gunther, Brian Augustyn, Mike Mignola, Geoff Johns, Joe Harris/Michael Avon Oeming, Adam Pollina, Guy Davis, Scott Kolins, Cameron Stewart – B.P.R.D. 2 – The Soul of Venice & Other Stories
Och … hm … las sich für mich ein bisschen sehr zusammengewürfelt, wie die Masse an Autoren und Zeichnern da oben auch vermuten lässt. Ich glaube, das Hellboy-Universum wird mir immer gefallen, aber manchmal sind die Storylines ein bisschen faul und die Zeichnungen dann eben nur Augenpulver. Halbgarer Band. Egal. Gibt ja noch genug, die hoffentlich besser sind.
(Leseprobe bei amazon.de)
Warren Ellis/Darick Robertson – Transmetropolitan 5: Lonely City
Ähnliches Problem wie bei B.P.R.D. – so langsam läuft sich Spider Jerusalems Genervtheit ein bisschen tot. Auch hier deckt er als Reporter wieder irgendeine Scheußlichkeit der Oberen auf, aber ich habe so langsam das Gefühl, da kommt nicht mehr viel Neues. Aber Ellis hat wieder wunderbare Sätze parat, die mich wahrscheinlich den Rest der Serie eben doch erstehen lassen. Hier jammert der kindliche Spider im Augenblick der großen Erkenntnis seine Mutter voll:
“And I remember saying, hold everything right fucking there. You went to all the trouble of conceiving me, and giving birth to me, and raising me and feeding me and clothing me and all … and, yeah, whipping me from time to time, and making me live in a house that’s freezing fucking cold all the goddamn time … and you make me cry and things hurt so much and disappointment crushes my heart every day and I can’t do half the things I want to do and sometimes I just want to scream … and what I’ve got to look forward to is my body breaking and something flipping off the switch in my head … I go through all this – and then there’s DEATH? What is the MOTHERFUCKING deal here?”