JPod
Was mich von vornherein mürrisch gestimmt hatte, als ich Douglas Couplands JPod aus dem Amazon-Päckchen geschält hatte, war der Titel: JPod. Mit großem J. Im Fließtext wird immer „jPod“ geschrieben, wie sich’s gehört, wenn man die Anspielung konsequent macht. Warum dann nicht auch als Titel? Schon ein Minuspunkt.
Dann der erste Satz, über den ich schon mal gemeckert hatte. Das mag ja ein total crazy Stilmittel sein, sich selbst als Autor in sein eigenes Werk zu schreiben, aber so gleich mit der Tür ins Haus zu fallen, fand ich etwas … arrogant.
So ging’s dann auch weiter. Coupland wird nicht nur erwähnt, sondern taucht allen Ernstes als Figur in der Handlung auf. Als das passierte, habe ich geistig komplett abgeschaltet. Und die Story bis dahin ist auch nicht unbedingt der Rede wert. Was Microserfs, die geistige Vorlage für JPod und quasi das Prequel, so charmant gemacht hatte, war die relativ unspektakuläre Handlung. In JPod wird dagegen jede Abstrusität, die Coupland vielleicht mal auf dem Klo eingefallen ist, als „Handlung“ verkauft. Da gibt es geschmuggelte Chinesen, einbetonierte Biker, Mütter, die Hanfpflanzen züchten, Kampflesben, die freiwillig zu dummen Blondinen werden, Spieleentwickler, die nach China verschleppt werden und dort glücklich darüber sind, heroinabhängig gemacht worden zu sein und eine Kuschelmaschine für die Nerds im titelgebenden jPod. Und noch vieles mehr, was ich schon wieder vergessen habe, weil es mich nicht interessiert hat. Beziehungsweise weil ich überhaupt keinen Sinn in dieser Handlung gesehen habe, außer auf Teufel komm raus 450 Seiten vollzukriegen.
In einem Interview mit den Farrelly-Brothers habe ich mal über ihre Art, Drehbücher zu schreiben, gelesen. Sie behaupten, sie denken sich den größten Schrott aus, der ihnen einfällt, und manövrieren sich so absichtlich in eine böse Ecke – und aus der können sie dann nur mit einer wirklich guten Pointe wieder rauskommen. JPod fühlt sich ähnlich an: Was immer es an Blödsinn gibt, passiert hier, nur leider fehlt die gute Pointe. Das Buch hört irgendwann auf – zugegebenermaßen mit einem netten kleinen Gag, der mich ein winziges bisschen mit dem Verfasser versöhnt hat –, und ich war wirklich froh darüber, dass ich die Nasen aus dem Buch nicht mehr mit mir rumschleppen musste.
Was ich an JPod allerdings mochte, waren wie immer die kleinen rausgehauenen Nebensätze oder fun facts, die das stilistische Gerüst von jedem Coupland-Roman bilden. Ich mag seine Art, sich über Zeitgeist-Kleinkram Gedanken zu machen (Google, Zima, Primzahlen). Und ich mag es, dass ich bis jetzt in jedem seiner Bücher etwas wiedergefunden habe, was sich anfühlt, als würde er in meinem Kopf rumkramen. So hatte ich mir zum Beispiel mal aus einem Artikel in der brandeins die beknackte Tatsache gemerkt, dass die Toilettenpapierindustrie ihre Klientel nach Knüllern und Faltern unterscheidet. Und genau darüber hat auch eine Figur in JPod was zu sagen. Und ich hatte mal im Weblog über meinen charmanten Lieblingstexter meiner alten Agentur geschrieben, der so gerne Handy-Klingeltöne nachsingt. Coupland hat anscheinend auch so einen Wirrkopf in seinem Bekanntenkreis, denn auch so jemand wuselt mal kurz über eine Buchseite.
Es waren diese Kleinigkeiten, die mich dann doch dazu gebracht haben, ein Buch zuende zu lesen, das mir, ehrlich gesagt, nicht gefallen hat. JPod liest sich wie eine Pflichtaufgabe – und das sagt die Romanfigur Coupland auch selbst zu einem anderen Charakter: Ich muss noch ein Buch abgeben, ich brauch noch Handlung, und deswegen stöbere ich jetzt durch deinen Laptop. JPod fehlt dieses visionäre Spinnertum, was ich an Generation X, Shampoo Planet oder vor allem Microserfs mochte. Je älter Coupland wird, desto mehr haben seine Figuren Jobs und sorgen sich um ihre Eltern, anstatt schön slackermäßig die 20er hinter sich zu kiffen oder zu daddeln oder zu träumen. Ich vermisse das Slackertum ein wenig. Ich vermisse das Rumspinnen. Aber vielleicht will ich auch einfach nicht mit Coupland zusammen alt werden.