Tagebuch 18./19. Februar – Auf und ab und auf
Samstags mit dem Kerl und dem frühen Vogel aus dem Bett gefallen und quasi bei Ladenöffnung im Baumarkt gestanden. Farbmuster fürs Bad geholt, Garderobenhaken gekauft. Zuhause den schönsten aller Flure fast vollendet, indem ich den, wie ich ihn nenne, Garderobenpilz entsorgte und dafür vier Edelstahlhaken in die Wand dübelte. Wie immer im Altbau überraschte mich die sich konstant ändernde Wandstruktur, die mal volle Armkraft verlangte und fünf Zentimeter weiter rechts die Bohrmaschine wie Butter durchließ. Gefühlt bis zum Treppenhaus. (In diesem Bohrloch stecken zwei Dübel hintereinander, und ich wette, es hätte noch ein dritter reingepasst.)
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Nachmittags Besuch vom Tischler, der mir Badezimmerschränke maßanfertigt. Ich hoffe, es wird so toll, wie ich es mir vorstelle.
Wir wohnen zur Miete, und jahrelang war es mein Wunsch, irgendwann was Eigenes zu haben. Mein Standardsatz: „Ich will mal ein Bad haben, in dem ich die Kacheln ausgesucht habe.“ Klingt für mich immer noch toll, aber nach dem wuseligen letzten Jahr, das einiges umgeworfen hat, was für mich im Kopf schon in Stein gemeißelt war, verschiebe ich die eigenen Kacheln auf Weiteres, bleibe in einer Mietwohnung und mache die so hübsch, wie es eben geht. Im Flur fehlt noch eine anständige Deckenlampe, im Bad eine andere Farbe und eben Schränke, die nicht von Ikea sind. Mal sehen, wann ich mich an die Küche wage. Rest der Wohnung passt.
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Der Tabellenzweite gegen den letzten. Wir gegen Freiburg. Der Sieg war eingeplant, und geworden ist es ein verdammtes 0:0. Clevere Freiburger, planlose Bayern, eine unfassbar bescheuerte Schwalbe von Ribéry, gefühlt zwei Schüsse aufs Tor ohne Ergebnis. Dortmund rotzt sich zum Arbeitssieg in Berlin, Gladbach schlägt auswärts Kaiserslautern, und wir sind plötzlich nur noch Tabellendritter. Der Kerl „tröstet“: „Immerhin kann euch Schalke am Sonntag nicht überholen.“ Die Timeline tröstet auch.
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Sonntagmorgen. Katerstimmung. Dieses Fußballfandasein hatte ich mir irgendwie nicht so anstrengend vorgestellt. Aber sobald man als Bayernfan derartiges von sich twittert, kriegt man diverse Replys, die darauf hinweisen, dass man es ja sonst so gut hätte („Luxusprobleme“, „Was soll ich als Kölnfan da erst sagen“ usw.). Ja, mag sein. Schön, dass wir sonst eher gewinnen. Trotzdem machen Niederlagen oben in der Tabelle genau so wenig Freude wie unten. Und Unentschieden auch nicht.
Denke gerade über einen Zusammenhang zwischen Emotionen und äußerlichen Geschehnissen nach. Ich kenne einige Menschen, die im Kino keine Miene verziehen, während ich zwei Packungen Taschentücher leerheule, dafür aber jammernd vorm Fernseher sitzen, wenn der eigene Verein Mist baut. Ich ahne aber, dass viele, die sich von Filmen, Theaterstücken, Opern zu Gefühlsregungen hinreißen lassen, über Fußballfans lästern – und umgekehrt. Wieso eigentlich? Wir sind Zuschauer bei einem Ereignis, das ohne unsere Mitwirkung abläuft und lassen uns trotzdem davon berühren. Frei- und willig. Ist es ein großer Unterschied, ob ich in Abendgarderobe irgendwo sitze oder im Trikot?
David Duchovny sagte mal in einem Interview, der Reiz des Schauspielerberufs sei es, alle Emotionen zu durchleben, ohne unter ihnen leiden zu müssen. Daran muss ich sehr oft denken, wenn ich nach einem Film traurig bin. Oder neuerdings nach einem Fußballspiel. Irgendetwas macht irgendetwas mit mir, und ich lasse es zu. Meine Emotionen sind echt, auch wenn sie von etwas herrühren, das im Prinzip nichts mit mir zu tun hat. Die Emotionen haben eine andere Qualität wie die nach Streitereien mit dem Kerl oder freudigen Nachrichten im Freundeskreis. Aber sie sind trotzdem echt.
(wird fortgesetzt)
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Abends in die Laeiszhalle (a vor e, s vor z, ganz einfach zu merken) zum Konzert der Hamburger Symphoniker. Erst ein bisschen plüschigen Strawinsky, bei dem nur Streicher_innen auf der Bühne saßen. Nach der Pause wurden noch eine Menge Stühle dazugestellt, denn Herr Wagner mag ja gerne das große Ensemble. Es gab Auszüge aus der „Götterdämmerung“, die ich schon recht lange nicht mehr live gesehen habe. Nach dem gestrigen Abend frage ich mich warum. Wundervolle Musik. Alles war wieder gut, auch wenn die Welt unterging.
Wieder mal aufgefallen: Wenn irgendwas meinen Blutdruck senkt, ist das a) die Nase im Brustfell vom Kerl vergraben oder b) klassische Musik hören. Wenn ich beides gleichzeitig mache, schlafe ich wahrscheinlich nach fünf Sekunden ein.
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Drei White Russians als Absacker im Meyer Lansky’s in charmanter Begleitung. Gerne und immer wieder.