De rouille et d’os
In De rouille et d’os (Der Geschmack von Rost und Knochen) zieht Ali (Matthias Schoenaerts) mit seinem kleinen Sohn zu seiner Schwester und ihrem Mann in Antibes. Als ehemaliger Boxer und Thai-Boxer heuert er bei einem Sicherheitsdienst an, der unter anderem auch den Einlass zu einer Diskothek leistet. Dort trifft er eines Nachts Stéphanie (Marion Cotillard), die sich mit einem Mann streitet und dabei von ihm blutig geschlagen wird. Ali bringt sie nach Hause und hinterlässt seine Telefonnummer. Stéphanie nutzt diese Monate später – als sie in ihrer neuen, kleinen Wohnung lebt und im Rollstuhl sitzt. Durch einen Unfall bei ihrem Job in einem Freizeitpark, wo sie mit Walen arbeitete, verlor sie beide Beine knapp über dem Knie.
Beide Hauptfiguren scheinen zunächst nur aus ihren Körpern zu bestehen: Seiner strotzt vor Kraft und Adrenalin, will dauernd laufen, boxen, ficken. Ihrer tanzt und schwimmt und genießt die Blicke, die er aktiv herausfordert. Der Film bleibt zunächst bei der Körperlichkeit und ist dabei netterweise keiner der üblichen „Wir kommen dann mal eben mit einem ungeplanten Leben klar“-Filme. Natürlich muss sich Stéphanie umstellen, natürlich hat sie Momente der Verzweiflung, aber sobald sie zum Telefon gegriffen hat, um Ali anzurufen, scheint sie wieder zu bemerken, was ihr Körper noch kann. Die erste Begegnung der beiden nach der Nacht in der Disko führt sie ans Meer, wo Stéphanie sich ins Wasser tragen lässt – und dort tiefe Seufzer des Wohlbefindens ausstößt, als sie wieder in ihrem Element ist. Auch das hatte sie vergessen, und auf einmal weiß sie wieder, was ihr guttut.
Alis Körper wird im gleichen Maße zum Schlachtfeld, in dem Stéphanies Körper heilt: Er tritt zu illegalen Boxkämpfen an, um Geld zu verdienen. Der Film hat noch weitere Ebenen – die Arbeiterklasse, die sich gegen „die da oben“ zur Wehr setzt, die Beziehung zwischen Vater und Sohn und natürlich die Liebesgeschichte, die vom ersten Treffen der beiden unausweichlich ist – und einige von ihnen hätte ich gerne etwas kürzer gehabt, weil sie das eigentliche Thema eher verwässern, aber trotzdem fand ich De rouille et d’os fast hypnotisch in seiner Ausstrahlung. Und dass ich ausgerechnet bei Katy Perrys Firework heulen würde, hätte ich vorher auch nicht gedacht.
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Der Bechdel-Test:
1. Es müssen mindestens zwei Frauen mitspielen, die
2. miteinander reden
3. und zwar über etwas anderes als Männer.
Stéphanie spricht ab und zu mit ihrer Freundin, ihren Kolleginnen oder Alis Schwester, die ebenfalls ein, zwei Sätze mit ihren Kolleginnen wechselt, aber das sind wenige Momente, die kaum den Namen Dialog verdient haben. Daher:
Test bestanden? Eher nein.