Meine Wiesn 2013

Mein erstes Mal Oktoberfest war noch voll großäugigem Erstaunen, das zweite leider ein übler Absturz (Herr @GNetzer meinte neulich beim #tpmuc, bei dem ich 2012 deutlich angetrunken auflief: „Dass wir seit dem Abend noch mit dir reden, zeigt, wie gern wir dich haben.“), aber mein drittes einfach nur schön. Mein fachkundiger Begleiter war auch in diesem Jahr der charmante Herr @probek, auf dessen Angeber-Tageseinlassbändchen zur Oiden Wiesn ich kurz aufmerksam machen möchte. (Er behauptet, man könne mit ihnen duschen.)


(Mein Mitbringsel für den Kerl, der sich darüber bestimmt irrwitzig freuen wird.)

Freitag, 4. Oktober, Herzkasperlzelt/Festzelt Tradition

Wir mögen beide die Oide Wiesn sehr gern. Dort geht es etwas ruhiger zu, es gibt historische Fahrbetriebe, das Bier kommt in gekühlten Steinkrügen und die Kapellen spielen kein Abba, sondern Volksmusik (auch moderne). Außerdem gab es in diesem Jahr ein Museumszelt, was ich sehr spannend fand: Darin konnte man alte Schaustellerwagen mit Interieur und Gegenständen des täglichen Bedarfs besichtigen, während nebenan 100 Jahre alte Traktoren brummten. Wir begannen den Nachmittag im Herzkasperlzelt, dem kleineren der beiden Oide-Wiesn-Zelte, in dem Hacker-Pschorr ausgeschenkt wird. Als Grundlage für das Bier diente mir Leberkäs mit Kartoffelsalat, was beides eher so meh war; der Steckerlfisch von Herrn Probek war aber anscheinend ziemlich gut und außerdem bezahlbar. Der Preis für die Maß ist von Zelt zu Zelt verschieden, lungert in diesem Jahr aber so zwischen 9,60 und 9,85 rum, weswegen ich zu meinen 10-Euro-Scheinen stets 1-Euro-Münzen dabei hatte, um brav auf 11 aufzurunden.

Ich war erst drei Tage vor Schluss auf der Wiesn, während die Bedienungen bereits 13 Tage in den Knochen hatten, und das sah man ihnen auch an. Es gab kaum welche, die nicht bereits Tapes um die Handgelenke trugen oder Lederriemen, wie ich sie von Sehnenscheidenentzündungen kenne. Manche trugen auch Pflaster zwischen Daumen und Zeigefinger, waren aber alle gut gelaunt, freundlich und irrsinnig schnell mit dem Bier oder dem Essen am Tisch. Da gebe ich doch gerne ordentlich Trinkgeld. Durch die Zelte laufen auch stets Menschen, die große Körbe mit Brezn vor sich hertragen, und auch die hatten mit Zipperlein zu kämpfen: Ihre Schulterriemen waren alle dick umwickelt, damit sie nicht so ins Fleisch schnitten. Die auffälligste Ausrüstung fiel uns am letzten Tag in der Bräurosl auf, wo ein Breznmann seinen Gurt ungefähr zehn Zentimeter dick mit Blisterfolie umwickelt hatte.

Aber wir sind ja erst am ersten Tag: Im Herzkasperlzelt gerieten wir an einen eigentlich reservierten Tisch, an dem aber noch zwei Plätzchen für uns frei waren – dankeschön! Die Besetzung bestand aus einem älteren Ehepaar (er aus Frankreich, sie aus Spanien), die ihren Sohn in München besuchten. Nach 90 Minuten kam die nächste Reservierung, wir mussten gehen und wanderten ins Festzelt Tradition, wo es Augustiner gab – und den charmantesten Tisch der Wiesn. Eine türkische Mutter mit ihrer deutschen Tochter, die Verwandte aus Istanbul mit am Tisch hatten, die kein Wort deutsch sprachen, aber bei „Ein Prosit der Gemütlichkeit“ die ersten waren, die die Bierkrüge stemmten. Die Mutter redete in einer Tour, deutsch und türkisch gemischt, freute sich offensichtlich ihres Lebens, die Tochter genauso, wir saßen mittendrin und stießen alle fünf Sekunden mit irgendwem an. Ich habe selten so viel mit wildfremden Menschen gelacht und es sehr bedauert, dass der Abend irgendwann zu Ende ging – aber wir hatten ja noch was vor: Riesenradfahren.

Seitdem wir das erste Mal zusammen auf der Wiesn waren, erzählen wir uns das ganze Jahr lang: „Aber nächstes Mal fahren wir Riesenrad, im Dirndl und Lederhose!“ Ich muss zugeben, das mit dem Dirndl habe ich verschnarcht, aber immerhin haben wir es aufs Riesenrad geschafft. Zunächst auf das kleine auf der Oiden Wiesn, in dem man nur zu zweit sitzt in einer relativ ungesicherten Gondel, die ein fieses Tempo drauf hat, und dann deutlich entspannter im großen Riesenrad, wo man zu acht einen schönen Blick über die hell erleuchtete Neonstadt auf der Theresienwiese hat, den ich allerdings per iPhone profimäßig verwackelt habe. Deswegen hier das Foto vom kleinen Rad in der Abenddämmerung.

Zum Abschluss besuchten wir das Teufelsrad, eine der ältesten Attraktionen der Wiesn. Simples Spielprinzip (siehe Wikipedia-Link) und fürs Publikum ein Heidenspaß. Für vier Euro Eintritt kann man so lange zugucken, wie man möchte; wir haben es auf 45 Minuten gebracht, und wenn meine plattgestandenen Füße nicht rumgememmt hätten, wären wir noch länger geblieben. Man muss sich allerdings auf Zotenniveau einstellen, was die Ansagen angeht. So werden verschiedene Menschen zum Mitmachen aufgefordert, zum Beispiel „Jetzt alle Männer mit Lederhosen und rotem Hemd“, „Jetzt alle Kinder“ oder eben – „Jetzt alle Frauen ab Körbchengröße C.“ Ich habe natürlich auf die Ansage „Jetzt alle Männer mit Penislänge ab 20 Zentimeter“ gewartet, aber die kam nicht. Trotzdem: Ich hatte nicht erwartet, dass es so lange so unterhaltsam sein kann, gut gelaunten Damen und Herren dabei zuzugucken, wie sie sich zum Affen machen und dabei offensichtlich Spaß haben. Im Zeitraffer sieht das übrigens so aus.

Samstag, 5. Oktober, Festzelt Tradition

Herr Probek meinte Freitag abend: „Gut, dann morgen um 10?“ Ich so: „WTF? Um 10 Uhr Bier trinken?“, aber der Herr wusste als Wiesnprofi natürlich, wovon er redet: Am vorletzten Tag wurde es erwartungsgemäß schon morgens richtig voll, weswegen wir uns baldmöglichst einen Tisch suchen sollten. Wir schafften es, um 11.30 Uhr auf der Oiden Wiesn anzukommen, steuerten sofort auf das größere Zelt zu (dort hatte mir das Essen besser geschmeckt als beim Herzkasperl) und landeteten nach fünf Minuten Rumsuchen an einem Tisch in der Nähe der Kapelle, der generationsmäßig genauso gut gemischt war wie die gestrigen. Dieses Mal hatten wir einen Australier mit seiner Münchener Freundin und einem Kumpel dabei, der seine Eltern mit aufs Oktoberfest genommen hatte. Auch hier: freundliches Zuprosten im gefühlten Minutentakt, ein paar Scherze hin und her, ein Kompliment von mir an das schicke Dirndl der Dame und die übliche Frage: „Und wo kommts ihr her?“ Am Anfang habe ich noch versucht, „Hamburg“ zu sagen, was Herr Probek aber entschieden mit „München“ übertönte. Ich traue mich noch nicht richtig, „aus München“ zu sagen, aber ich glaube, ein angemeldeter Wohnsitz gilt. Auch immer wieder schön: das sofortige Duzen am Tisch, von der Bedienung, von allem. Ich mag das.

Da wir am Freitag jeweils zwei Maß geschafft hatten, war heute der Plan, noch eine dritte dazuzunehmen. Dafür mussten Grundlagen geschaffen werden: Ich begann mit einem äußerst wohlschmeckenden Wurstsalat, in dem sich sogar Silberzwiebeln befanden, die ich, glaube ich, seit 20 Jahren nicht mehr gegessen hatte. Dazu gab’s eine Brezn, mit der ich gefühlt eine Stunde lang beschäftigt war, irgendwann dann noch einen Apfelstrudel, dann die dritte Maß und nach fünf Stunden war der Tag dann auch schon rum. Wir hatten uns überhaupt nicht von der Stelle bewegt – außer zum Klo, das wie in allen Zelten pikobello sauber war –, und auch jetzt reichte es gerade noch zum Kauf von gebrannten Mandeln für mich, und dann war Feierabend. Ein satter, kaum angetrunkener, zufriedener Feierabend.

Sonntag, 6. Oktober, Augustiner Bierhalle/Ochsenbraterei/ Hippodrom/Bräurosl/Festzelt Tradition

Vom Samstag hatte ich gelernt: Wenn es am vorletzten Tag schon so voll ist, dann am letzten bestimmt erst recht. Also standen wir gnadenlos um Punkt 10 Uhr auf dem Oktoberfest mit dem Superplan „Vier Maß in vier verschiedenen Zelten“ vor uns. Die erste Station war die Augustiner Bierhalle, auf der ich vor zwei Jahren meine erste Wiesnmaß genoss und die seitdem einen kleinen sentimentalen Platz in meinem kleinen sentimentalen Herzen hat. Auch hier gab es Wurstsalat – das war gestern eine wirklich gute Grundlage –, der fast genauso gut war wie der aus dem Festzelt Tradition. Auch hier gönnte ich mir eine Brezn, die es aber nur in XXL gab, und an der knabberte ich nicht nur im Laufe von zehn Stunden dauernd rum, sondern trug sogar noch Reste davon nach Hause. Bayern, doo. Und dann stand die erste Maß vor uns, die Herr Probek mit einem leicht verzweifelten „Endlich wieder Bier“ ansetzte. Die haben wir beide auch nicht ganz geschafft. Erbärmlich, ich weiß. Wo wir so gut im Training waren.

Wo wir allerdings mit wogenden Massen gerechnet hatten, war es um 10 noch ziemlich leer. Eine Bedienung meinte, dass der Samstag der vollste Tag gewesen sei, weil heute schon viele Touris ausnüchtern, um dann im Laufe des Tages nach Hause zu fliegen und Montag wieder bei der Arbeit aufzulaufen. Als wir um 11 den Weg ins nächste Zelt antraten, wurde es aber schon deutlich voller. Inzwischen hatte auch Herr Probek Hunger und so landeten wir in der Ochsenbraterei, die sein erstes Zelt vor ungefähr 1000 Jahren gewesen war. Auch hier: ein sehr gemischter Tisch, mehr älteres als jüngeres Publikum, wie ich es recht gerne mag (ich bin ja auch schon alt), eine sehr entspannte Stimmung und eine gut gelaunte, aber schon merklich routinierte Kapelle, die wahrscheinlich bereits die Stunden zum Feierabend runterzählte. Am Tisch neben uns unterhielten sich zwei Gehörlose, das Pärchen bei uns am Tisch bat mich um ein Foto von den beiden, ich bewunderte die vielen Holzfiguren an den Wänden des Zeltes, aus deren Händen die schönen Bänder kamen, die sich unter der Decke spannten und sah Herrn Probek dabei zu, einen standesgemäßen Ochsenbraten zu verspeisen. (Meine Probebissen schmeckten hervorragend.) Die zweite Maß lief deutlich besser als die erste, und als wir gegen 13 Uhr zum nächsten Zelt aufbrachen, fühlte ich mich nicht mal angetrunken.

Wir guckten in einige der großen Zelte rein, in denen das Publikum recht unterschiedlich ist. Am späten Nachmittag wühlten wir uns durch die jugendlichen Massen im Schottenhamel (das war überhaupt nicht meins), Nathalie textete uns aus dem Löwenzelt an, in das man als Bayernfan ja aus Prinzip nicht rein will, aber es wäre auch eh nichts für uns freigewesen, und so gingen wir ins Hippodrom, vor dem mich Herr Probek warnte: „Das darfst du nicht gut finden, das ist Schickimickischeiß!“

Hier schafften wir es endlich mal auf eine Empore, von denen ich immer dachte, da oben wäre eh alles ausreserviert, aber nein, es gab diverse Tische, an die man sich so setzten konnte. Auch hier war noch genügend Platz und so konnte ich mal von oben aufs Gewimmel gucken – von einer gepolsterten Bank, an einem Tisch mit Decke drauf in einem liebevoll dekorierten Zelt, und dazu gab’s Bier aus Krügen, die jedes Jahr neu gestaltet werden. Und ganz ausgezeichnete Apfelküchlein! Und das beste Klo der ganzen Wiesn!

Ich fand das Hippodrom gut. Sorry, Hase. You woke the beast.

Allmählich wurde es so voll wie wir es erwartet hatten, aber wir durften ja nicht sitzenbleiben, es musste noch ein viertes Zelt gefunden werden, in dem die vierte Maß getrunken werden konnte. Wir enterten den oben erwähnten Schottenhamel, aus dem ich fluchtartig wieder rausging (bzw. mich rausschieben ließ), schauten in die Fischer-Vroni, die mir nicht so gut gefiel, wo es aber noch Plätze gegeben hätte … dann weiß ich, ehrlich gesagt, nicht mehr, was wir noch ansteuerten, aber schließlich landeten wir in der Bräurosl. Nicht unbedingt das hübscheste Zelt, aber das war jetzt egal. Dieses Mal erwischten wir einen recht jungen Tisch, der sich aber auch als sehr charmant erwies, während sich neben uns immer mehr Menschen durch die Gänge schoben. Wir hatten anscheinend zwei der wenigen noch freien Plätze erwischt. Zeit für die vierte Maß! Ein Prosit der Gemütlichkeit! Give it up for the Kufsteinlied!

Nachdem die Tischgesellschaft entschieden hatte, dass das Wappen von Herrn Probeks Heimat schöner sei als das der meinigen (PROPAGANDA!) und uns allmählich die Menschen auf den Zeiger gingen, die sich an uns vorbeidrängten, entschieden wir, das Zelt zu verlassen. Eigentlich wäre jetzt Feierabend gewesen, denn der Plan mit den vier Maß war erfolgreich abgeschlossen. Das Dumme war nur: Irgendwie fühlte sich das noch nicht nach Feierabend an. Also schlenderten wir ein wenig herum, guckten beim Käfer-Zelt vorbei, in dem gerade der FC Bayern feierte, und gingen schließlich ein drittes Mal ins Festzelt Tradition, wo deutlich mehr Platz war. Wir bestellten die jeweils fünfte Maß, ich aß endlich ein traditionelles Wiesn-Hendl, wir guckten um uns rum, wo es sich relativ schnell leerte und wurden ein bisschen sentimental – und jetzt nach fast zehn Stunden auch endlich ein bisschen betrunken. Herr Probek zückte den Promillerechner und schnappte nach Luft (ich ignorierte die Zahl und guckte zuhause nach, wo ich feststellen durfte, dass ein hohes Körpergewicht auch Vorteile haben kann), und so langsam fühlte es sich auch nach „Ist gut jetzt“ an. Ein letzter Gang durch die Oide Wiesn, ein Blick auf die Achterbahn, neben dem Gelände warteten schon die ersten Teams auf den Abbau, der in wenigen Stunden losgehen sollte, und das war’s dann mit der Wiesn 2013.

2014 – kannst kemma.