Ratatouille
© Walt Disney Pictures
Ratatouille (USA 2007, 110 Minuten)
Originalstimmen: Patton Oswald, Ian Holm, Lou Romano, Janeane Garofalo, Peter O’Toole, Peter Sohn, Brad Garrett
Musik: Michael Giacchino
Drehbuch: Brad Bird, Jim Capobianco, Jan Pinkava
Regie: Brad Bird
Wenn man aus Ratatouille kommt, traut man sich danach kaum noch, eine Fertigpizza in den Ofen zu werfen. Stattdessen will man sofort auf den Markt oder zum nächsten Bauern, Obst und Gemüse und Bündel von Kräutern kaufen, und dann nach Hause, ab an den Herd, großzügig mit Öl und Sahne umgehen anstatt Kalorien zu zählen, weg mit dem Lightjogurt, her mit dem guten Käse, Fisch, Fleisch, dicke Eintöpfe, feine Suppen, riechen, schmecken, genießen – und das ganze gleich nochmal von vorn.
Ach ja, der Film war zauberhaft.
Aber zurück zum Essen. In Ratatouille lernen wir Remy kennen, der sich nichts sehnlicher wünscht, als Koch zu sein. Das Problem: Er ist eine Ratte. Und er kann nicht mal seinen freundlichen Bruder Emile oder seinen Vater davon überzeugen, nicht immer Müll in sich reinzustopfen. Immerhin bringt ihm sein feiner Geruchssinn den Job als Giftkontrolleur in der Rattenkolonie ein, aber das füllt den armen Remy natürlich nicht aus. Durch dumme Umstände (sprich: wahnwitzige Action nach Art des Hauses) landet er in Paris und dort ausgerechnet im Restaurant des von ihm bewunderten Sternekochs Gusteau. Dieser ist vor einziger Zeit verstorben, und sein Restaurant geht langsam, aber sicher den Bach runter – auch weil Nachfolger Skinner den guten Namen Gusteaus dazu benutzt, Fertigfraß zu verkaufen. Im Laufe des Films darf Remy dann sogar an den Herd, allerdings versteckt unter der Mütze des Küchenjungen Linguini, der von Estragon und Rosmarin keine Ahnung hat. Dass das nicht lange gut gehen kann, ist klar, und so entwickelt sich eine aufregende Geschichte um Sternekochs, Restaurantkritiker, heimliche Erben, offensichtliche Zuneigung – und viel, viel gutem Essen.
Wie immer bei Pixar gibt’s auch was fürs Herz, die Bösen dürfen ohne Aussicht auf Erfolg gegen die Guten antreten, Väter verstehen irgendwann ihren Nachwuchs und umgekehrt, alles kommt irgendwie anders als man denkt und dann doch genauso, und das Ganze geschieht in einem hohen Tempo und mit viel Humor und Detailkenntnis. Ein paarmal passierte mir sogar zuviel auf der Leinwand; manchmal überschnitten sich die einzelnen Versatzstücke, aus denen die Geschichte gestrickt war, und dann hatte ich ein bisschen das Gefühl, dass sich der Film erstmal wieder selbst sammeln muss, um sich auf seine Stärken zu konzentrieren. Und auch, wenn das von Anfang an klar war, dass wir Ratten in der Küche sehen werden: Die Bilder von dutzenden von ihnen fand ich eher eklig als putzig.
Ratatouille schafft es aber, dem ganzen Gewusel noch eine Prise (und jetzt reicht’s auch mit den Küchenanspielungen) Liebe mitzugeben: Liebe nicht nur zu gutem Storytelling, ausgefeilten Charakteren und – natürlich – hervorragender Animation. Sondern er vermittelt auch den Respekt vor seinem Sujet: dem Genuss, der Zubereitung guten Essens, der Zeit und Mühe, die dahintersteckt. Den Holzhammer mit den Fertigprodukten hätte es gar nicht gebraucht, um beim Zuschauer den Wunsch zu wecken, sich mal wieder was Gutes zu tun anstatt an der Ecke einen Burger zu ordern.
Für mich war es diese kleine und doch große Botschaft, die den Film zu etwas Besonderem gemacht hat. Wie gesagt, von Pixar/Disney erwarte ich hohe Qualität – und die habe ich auch gekriegt. Ich erwarte ein Happy End und nette Bilder und viele Gags in hoher Dichte – alles da. Diesmal gab’s zwar keine wahnsinnig innovative Animation wie zum Beispiel bei den Incredibles, aber die Bilder sind trotzdem noch beeindruckend, zum Beispiel durch ihre Farbigkei: die Gelbtöne in der Küche, die Flammen, die Kupfertöpfe. Oder die ganzen Feinheiten: die Haare der Ratten, das fast fühlbare Tuch der Kochuniformen, das in klarem Kontrast steht zur menschlichen Haut, die stets cartoonhaft bleibt. Die Latte liegt also wie immer hoch, aber ich glaube, dass es in Ratatouille gar nicht darum ging, nochmal und nochmal und nochmal zu beweisen, dass Pixar fantastisches Zeug aus seinen Rechnern kriegt. Sondern diesmal ging es wirklich darum, dem Zuschauer noch ein bisschen was von der Zuneigung mitzugeben, die die Animateure und Programmierer und wie sie alle heißen, anscheinend im Laufe ihrer Arbeit entwickelt haben. Eben die Zuneigung zu gutem Essen. Und den Wunsch, sich mal wieder ein bisschen mehr Zeit zu nehmen, um zu genießen, um sich daran zu erfreuen, was wir alles auf unserem Tisch haben können. Diese Zuneigung verdichtet sich wundervoll in der Szene, in der der gefürchtete Kritiker ein ganz einfaches Gericht vorgesetzt bekommt. Die Pointe will ich nicht verraten, aber wer danach noch Pop Tarts ohne schlechtes Gewissen isst, hat es nicht besser verdient.