„Und, Anke, wie war so dein siebtes Semester?“
(Erstes, zweites, drittes, viertes, fünftes, sechstes Semester.)
Eigentlich ist das hier nicht mein siebtes, sondern mein erstes Semester. Auf meinen MA-Studiausweis steht die 1, nicht die 7. Aber gut.
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Ich habe gelernt, dass MA-Kurse ein anderes Diskussionsniveau haben als BA-Kurse. Das mag in meinen beiden Seminaren Zufall gewesen sein, aber ich hatte schon das Gefühl – gerade im Ost-West-Dialoge-Seminar –, dass man sich hier eher traute, was zu sagen. Man hat eben schon sechs Semester hinter sich, irgendwas bleibt da bei jeder hängen und dann sagt man das halt. Viele meiner Kommilitoninnen argumentierten auf hohem Niveau, weswegen es mich teilweise wahnsinnig gemacht hat, dass einige Referate wie von Klippschülerinnen klangen – oder so hochgestochen ausformuliert, um dann zuhörerinnenunfreundlich vorgelesen zu werden, dass ich genauso wenig davon habe wie von der ersten Variante. Das wunderte mich, dass man im MA immer noch miese Referate zu hören bekommt – wobei ich im BA in KuGi auch nur wenige Dozent*innen gehabt habe, die einem sagen, wie es besser gehen könnte. Wenn ich mal ein wenig an der heiligen LMU rumquengeln darf: Das wäre für die Pflichtpropädeutika in den ersten beiden Semestern eine schnafte Sache, wenn man da mal beigebracht bekäme, worauf es bei einem Referat ankommt und wie die Folien aussehen sollten (ich habe das in meinem Nebenfach Geschichte gelernt). Schwarze Schrift auf dunkelgrauem Untergrund und Bilder, die ein Viertel des Platzes einnehmen und damit Dreiviertel verschwenden, braucht in einem visuellen Fach wie Kunstgeschichte niemand.
Aber was weiß ich, vielleicht sind meine Referate genauso doof und es sagt mir nur niemand.
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Ich habe gelernt, dass ich zu den besten zehn Prozent meines Prüfungstermins im BA gehört habe. Selbst wenn meine Referate doof sind – meine Hausarbeiten und meine BA-Arbeit waren es anscheinend nicht.
Da es bei uns keine Notenspiegel von Hausarbeiten gibt und ich mich nicht mit Kommilitoninnen austausche, was sie denn so haben, wusste ich nie, wo ich stehe. Eine Geschichtsdozentin sagte mir mal: „Sie scheinen ein Talent für die wissenschaftliche Arbeit zu haben“, woraufhin ich verlegen rumstammelte, „Ach Gottchen, freut mich, wusste ich nicht, ich hab ja keinen Vergleich“, und sie meinte: „Aber ich.“ Das vergaß ich aber schnell wieder und die Misserfolge bei den Bewerbungen um Hiwi-Stellen taten ihr Übriges, weswegen mich das offizielle Schreiben mit den zehn Prozent sehr beflügelt hat und mich immer noch freut.
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Ich habe gelernt, dass ich es wirklich richtig und abgrundtief hasse, mit jemandem zusammen ein Referat vorbereiten zu müssen. Ich will meinen Kram alleine machen, weil es mein Kram ist.
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Ich habe gelernt, wie wundervoll es ist, wenn man mal Zeit für die Wissenschaft hat. Das klang immer albern, wenn man im Bachelor sagte, man hat 15 Wochenstunden und viel zu tun, aber man hatte echt viel zu tun, weil man die Stunden natürlich vor- und nachbereiten sowie Referate und Hausarbeiten schreiben und für Klausuren lernen musste. Im Master hatte ich in diesem Semester gerade mal acht Wochenstunden, woraus dann sogar nur sechs wurden, weil ich eine Vorlesung aus Mangel an Begeisterung knickte. Den Rest der Zeit konnte ich genüsslich in Bibliotheken verbringen und so richtig tief in ein Thema eintauchen, wofür ich im BA nicht ganz so viel Zeit hatte.
Dass auch diese Tiefe noch tiefer geht, merkte ich bei der Anselm-Kiefer-Hausarbeit, wo ich feststellte, dass ich aus meinem Thema locker eine MA-Arbeit hätte schnitzen können; da ging es eher darum, mein ganzes Wissen in eine bestimmte Zeichenzahl zu quetschen anstatt alles rauszuhauen, was ich erkannt hatte. Das war auch neu: das Wissen, eine wirkliche Forschungsleistung erbracht zu haben, mit der jemand außer mir und meiner Dozentin was anfangen könnte. Daher ahne ich, dass ihr meine wunderschöne Hausarbeit nicht zu lesen bekommt, weil ich mir das Thema für die Abschlussarbeit aufsparen möchte. Ich ahne allerdings auch, dass ich in zwei Semestern für etwas ganz anderes genauso glühe. Wie immer halt.
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Ich habe gelernt, dass ich allmählich Routine darin entwickele, mit meiner Zeit klarzukommen. Bei Referaten denke ich zwar seit sieben Semestern in der ersten Rumlesewoche: Ich finde keinen roten Faden, da wird nie was draus. In der zweiten: Jetzt haste zu viel Stoff, da wird nie was draus. Aber in der dritten Woche ordnen sich meine Gedanken und ich kann langsam die Präsentation basteln. Ich kann mich inzwischen darauf verlassen, dass nach meiner üblichen Anfangshysterie irgendwann eine Glühbirne über meinem Kopf leuchtet.
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Ich habe erneut gelernt, was ich schon im sechsten Semester gelernt habe: Die Bibliothek ist mein Happy Place. Egal in was für unruhigen Gewässern sich mein Hirn oder mein Herz sonst so befinden – sobald ich in der Bibliothek vor den Büchern sitze, ist alles gut. Ich habe allerdings auch gelernt, dass kein Mann gegen diesen Ort anstinken kann; meine Arbeit ist seit Ende des fünften Semesters wichtiger als die Jungs. Für zukünftige Bewerber vielleicht nicht ganz uninteressant zu wissen. (Für mich auch.)
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Ich habe gelernt, dass Architektur immer spannend ist, ganz gleich aus welcher Epoche, und ich alles, was einem Gebäude ähnlich sieht, sehr gerne anschaue. Ich habe blöderweise selten eine wissenschaftliche Frage an ein Gebäude, während ich bei bildender Kunst viel eher meine Stirn runzele und innerlich anfange, Überlegungen anzustellen. Bei Architektur freue ich mich stets unwissenschaftlich darüber, dass sie da ist und ich sie angucken kann. Das reicht vermutlich nicht für eine Karriere als Architekturhistorikerin, was ich sehr schade finde.
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Ich habe gelernt, wie anders sich Ausstellungen anfühlen, wenn man richtig gut vorbereitet in sie reingeht.
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Ich habe gelernt, Vertrauen in meine eigene Arbeit zu haben. Ich kann inzwischen kunsthistorische Urteile fällen, ich kann auf viel Wissen zurückgreifen, auch wenn es sich in allen Epochen noch halbgar anfühlt, ich kann eigene wissenschaftliche Schlüsse ziehen und sie sauber verargumentieren. Das fühlt sich ziemlich großartig an.
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Ich habe gelernt, dass meine Entscheidung weiterzustudieren, absolut richtig war. Das Gefühl, mit dem ich zur Uni gehe, ist ein anderes als im Bachelor, als ich hibbelig und neugierig in die Seminare und Vorlesungen rannte, weil alles neu und aufregend und anders war. Neu ist es nicht mehr, aufregend ist es immer noch, aber momentan gehe ich zen-artig in die Uni. Ich weiß, warum ich hier bin, ich weiß, was ich noch lernen will, ich weiß, wo die Reise hingeht. Das hat mich einen gut bezahlten Job und eine langjährige Beziehung gekostet, aber jetzt gerade fühlt sich das trotzdem genau richtig an. Ich bin da, wo ich sein soll. Der Master ist für mich nur noch ein Zwischenschritt zur Promotion, die ich gar nicht mehr hinterfrage und die ich schon irgendwie finanziert bekomme.
Vielleicht sollte ich mit dem Kauf der Belohnungs-Absolvente, die ich mir eigentlich für den BA-Abschluss versprochen hatte, noch ein paar Jahre warten.