Das Rheingold
Letzten Mittwoch hatte ich das Glück, Das Rheingold in der Oper in Hamburg zu sehen. Per glücklichem Klick im Online-Bestellformular hatte ich eine der letzten Karten abgekriegt und saß nun dumm grinsend und voller Vorfreude, wie immer bei Wagner, in der 19. Reihe an der Seite, von wo man aber immer noch einen guten Blick auf die Bühne hatte. Und sogar auf die Obertitel. Ich wusste gar nicht, dass die Oper mit Obertiteln gespielt wurde (ist das jetzt immer so in Hamburg?), hatte aber so gar nichts dagegen, denn auch wenn ich das Rheingold schon, weiß nicht, fünf- oder sechsmal gesehen habe und mir auch jedesmal vorher das Libretto durchlese, hab ich doch zwei Stunden später wieder vergessen, was genau die Damen und Herren Götter da vorne singen. Und mal ehrlich: verstehen kann man sie auch nicht.
Die Ouvertüre kostete wieder ein kleines Tränchen, dann öffnete sich der Vorhang und das Rheinbett war – ein Bett. Und die drei Rheintöchter mit den gerne veralberten Namen Woglinde, Wellgunde und Floßhilde (wer darüber keine Witze macht, sollte über gar nichts Witze machen) waren drei züchtig bekleidete Pyjamamädels, die eine neckische Kissenschlacht veranstalteten. Machen wir Mädels ja sowieso immer, sobald die Kerle weg sind: Kissenschlachten. Ich fand’s ziemlich charmant und war vor allem dankbar, dass ich endlich mal eine Rheingold-Inszenierung gesehen habe, in der die Damen nicht mit Silikon-, Stahl- oder sonstigen falschen Brüsten rumlaufen mussten, die auch gerne auf Kommando beim „Titelsong“ („Rheingold! Rheingold! Leuchtende Lust“) per Gruppenexhibitionismus entblößt wurden. Ernsthaft. Das erste Mal Rheingold ohne nutzlos nackte Oberweite. Schon gewonnen.
Die erste Szene war rum, der glitschige Alberich hatte das Gold geklaut, der Vorhang senkte sich, das Orchester spielte weiter … und hörte plötzlich auf. Was es nicht tun sollte. Und bevor man sich noch großartig überlegen konnte, was los war, kam auch schon eine Stimme über die Lautsprecher, dass man kleine technische Probleme mit der Bühne und dem nächsten Bild habe, dass es aber gleich weitergehe. Woraufhin einige ernsthaft den Saal verlassen haben, weil: Das kann dauern und ich war ja erst vor 35 Minuten das letzte Mal auf dem Klo. Ich hoffe, die Nasen sind nicht wieder reingekommen, denn bereits nach wenigen Augenblicken setzte das Orchester wieder ein und der Vorhang öffnete sich zum zweiten Bild.
Im zweiten Bild treten zum ersten Mal die Riesen Fafner und Fasolt auf, die den Göttern um Wotan die Burg Walhall gebaut haben und nun ihren Lohn abholen wollen. Auf die Riesen freue ich mich bei jeder Inszenierung, genau wie auf den Drachen im Siegfried, weil ich jedesmal gespannt bin, was sich die Regisseure einfallen lassen, um bloß keine Riesen oder Drachen auf die Bühne bringen zu müssen. Manchmal tun sie’s doch: In Hannover habe ich mal einen Drachen gesehen, der eine große silberne Kugel war, aus der oben der Sänger halb rausguckte. Hinter der Kugel waren lauter dicke Ringe, ähnlich wie massive Rhönräder. Alles lief auf Rädern bzw. in der Kugel und den einzelnen Ringen, die Schwanzglieder des Drachen waren, versteckten sich arme Praktikanten, die die Teile blind bewegt haben. Und als der Drache von Siegfried erschlagen wurde, rissen die Ringe von der Kugel ab und verstreuten sich über die ganze Bühne. Fand ich nicht so doof.
Als Riesen kenne ich die üblichen Stelzenläufer und das Spiel mit langen Schatten, die die normalgroßen Sänger immerhin per Licht zu Riesen machen. Clevere Hamburger Lösung: Die Burg und das Land um die Burg sahen wie eine Eisenbahnminiatur aus, über die die Sänger bei ihrem ersten Auftritt in schweren Schritten rübergestapft sind, immer schön im Takt zu ihrem Leitmotiv. Danach waren sie zwar genauso groß wie ihre Mitspieler, aber der erste Eindruck war perfekt, und man hat sie ganz einfach als Riesen akzeptiert. Gekleidet waren sie wie fies-klischeeige südländische Türsteher, komplett mit Goldkettchen und Vokuhila. Da passte dann auch, dass sie ihren Lohn in silbernen Koffern gekriegt haben.
Der Rest der Götterschar war mal wieder in Alltagsklamotten gewandet; passte zur Eisenbahnminiatur, hat mich jetzt aber auch nicht umgehauen. Ich muss bei solchen Kostümen immer an Loriot und seine Kritik an Wotan mit der Aktentasche denken. Der Hamburger Wotan war dann auch der am wenigsten göttliche, den ich je gesehen habe, denn er hatte sogar Ärmelschoner. Ihn fand ich sowieso sehr blass, während der Rest seiner Schar deutlich kraftvoller um ihn herumwitzelte. Überhaupt war der generelle Tonfall eher spöttisch, was okay ist, denn schließlich stellen sich alle im Rheingold nicht gerade schlau an: Wotan verspielt fast die Göttin der ewigen Jugend an die Türsteher, die blöden Rheintöchter lassen sich das Gold unterm Hintern wegklauen, der Dieb des Goldes ist zu dumm, es zu behalten, und überhaupt wundert man sich nach dem Rheingold, ob die Herrscher und Herrscherinnen über das Universum sich wenigstens die Schuhe selber zubinden können.
Was sie alles können und vermögen, sehen wir dann in der Walküre, dem Siegfried und natürlich der Götterdämmerung, die bis Ende 2010 in Hamburg auf die Bühne gebracht werden sollen. Und nächste Spielzeit bin ich klüger und sorge schon früher für eine Karte, denn wenn das Rheingold – das zickigste Stück im Ring – schon so gut war, bin ich sehr gespannt auf den Rest.