Vor kurzem haben sich einige Blogger gefragt, welche Superkräfte sie gerne hätten. Mir fiel dazu nichts Vernünftiges ein. Bis gestern. Seit gestern ist mir klar, was ich gerne als Superkraft hätte: quatschende Idioten mit einer Handbewegung zum Schweigen bringen zu können.
Denn gestern war ich mit einer Kollegin in der Deutschen Oper, wo wir uns den Fliegenden Holländer angeguckt haben. Und schon im Foyer beschlich uns ein ungutes Gefühl, denn um uns herum wuselte nicht nur das übliche Opernpublikum (ziemlich casual gewandet, nebenbei), sondern auch eine Schulklasse aus geschätzt 16- und 17-Jährigen. Die meisten von ihnen sahen aus, als müssten sie gleich zum Zahnarzt. Wir haben uns gefragt, welcher Lehrer seine Klasse ausgerechnet in eine Wagneroper schleppt, in die sie augenscheinlich nicht gehen wollten und ob sowas wie Carmen nicht lustiger gewesen wäre. Oder vielleicht ein Theaterstück mit Pause, wo man sich notfalls abseilen kann, wenn’s überhaupt nicht auszuhalten ist.
Ich hatte in der Schule auch ein Theaterabo, und da standen neben durchaus anspruchsvollen Theaterstücken auch Opern und Operetten auf dem Plan. Aber wer nicht wollte, musste eben nicht mit oder schlich in der Pause ins Café gegenüber und wartete auf das Ende der Vorstellung, um wieder mit den anderen im Bus zurückzufahren. Die Chance hatten die Kleinen gestern leider nicht.
Meine Kollegin und ich murmelten nur etwas von „Hoffentlich sitzen die nicht in unserer Nähe“. Ihr ahnt es: Sie saßen direkt hinter uns. Jedenfalls drei Kerle von ihnen; der Rest saß eine Reihe weiter oben. Von denen haben wir netterweise nichts gehört. Dafür aber umso mehr von den drei Idioten, die garantiert im Kino immer die Riesennachoportion verschlingen und dabei entweder ihrem Nachbarn den Film erzählen oder wahlweise mit der Freundin telefonieren. Sie haben es auch grandioserweise immer in den Pianostellen geschafft, am meisten Krach zu machen: den Takt mit dem Programm mitklopfen, mal die Füße am Sitz vor ihnen schubbern oder eben konstant den Nachbarn zuzuflüstern (immerhin), wie doof grad alles ist.
Nach fünfmal „Shhhhh!“ nach hinten zischen hatte ich keine Lust mehr und habe versucht, die drei auszublenden. Hat mal mehr, mal weniger gut geklappt. Deswegen konnte ich auch die Aufführung nicht so richtig genießen, die mir eigentlich ganz gut gefallen hat. Gut, wieder ne Menge Regietheaterideen, die sich mir nicht erschlossen haben, aber teilweise sehr gute Bilder. Aus den Seeleuten sind Broker geworden, aus den Spinnerinnen eine Rotte von nervigen Weibern, die sich stundenlang schminken, und als zum Schluss die Seeleute und die Mädels im Chor gegen die Geister aus dem Schiff des Holländers (das natürlich nicht da war) ansingen, wird eine Party zur betrunkenen Ausschreitung: Menschen werden verprügelt und mit Bier übergossen, einige schälen sich torkelnd aus ihren Pelzmänteln und Armani-Anzügen, aus Urnen wird Konfetti gestreut und zum Schluss ist die Bühne voll mit völlig fertigen Leuten, über die Senta und der Holländer ihr Schlussduett singen. Das war schon schick.
Bei den Chören haben die drei Deppen dann auch mal die Klappe gehalten. Vielleicht hab ich sie auch nicht gehört, weiß ich nicht. Ich war jedenfalls selten so froh wie gestern, als eine Oper zuende war. Ich war so genervt davon, mich anstrengen zu müssen, die Musik zu genießen, weil ich insgeheim immer darauf gewartet habe, dass die drei wieder anfangen zu nölen. Und als dann der Vorhang fiel, war’s immer noch nicht gut, weil sie dann in normaler Lautstärke ihrem Missfallen Ausdruck verleihen konnten. Woraufhin sich meine Kollegin umgedreht und gesagt hat: „Ist jetzt vorbei. Haltet endlich eure Fresse.“ Da war dann Ruhe.
Insofern: Ich muss nicht fliegen können. Ich muss mich nicht unsichtbar machen können. Ich würde nur gerne mal die Lautstärke der Welt selbstbestimmen können. Supergröner bringt die Unterwelt zum Schweigen. Hach.