Herr Kapellmeister, D-Dur, bittschön
Wie ein Stern, leuchtest du in meinen Träumen, jede Nacht …
„Ja, schon ganz gut, aber bei Wie musst du drauf achten, dass es weder wie Fieh noch wie ein englisches W klingt. Versuch mal, fast ein B zu singen. Und bei leuchtet den Mund weiter aufmachen, wie bei Stern. Lass den Mund einfach auf. Und locker lassen. Leuchtet ist ganz tief, weißt du ja, je tiefer du singst, desto lockerer musst du werden. Ach ja, und Träumen … die Silben sind nicht gleich betont. Die wichtige Silbe ist Träu. Die kann eine Betonung kriegen. Aber bei men jetzt nicht einfach weggehen, sonst klingt das wie Träumnnn. Ich will das E schon noch hören, aber eben nicht so lang. Und bei Nacht das T ganz leise wegklingen lassen, nicht so fies und abrupt enden. Und nochmal.“
… würd mich so gern an deinen Strahlen wärmen, bis dein Feuer mich entfacht …
„Bei an deinen Strahlen haben wir das Problem der betonten Präposition. Das Wort an ist ja völlig unwichtig, aber da das der höchste Ton in der Tonfolge ist und der erste, betont man es ganz automatisch. Da musst du gegensteuern. Ein bisschen leiser reinkommen – ich weiß, ist schwierig, weil du hoch musst – und dann deinen etwas lauter. Und bei deinen und Strahlen auf die E’s achten. Nicht verschlucken, aber auch nicht zu lang dran rumsingen. Und wenn dein Feuer mich entfacht, dann würde ich das auch gerne hören wollen. Ein bisschen mehr Leidenschaft. Und nochmal.“
… will dich berühr’n, ich will dich halten, ich fass’ dich an, doch deine Haut, sie ist aus Glas …
„Der erste Satz besteht aus zwei Teilen. Auch wenn du kaum Zeit hast, versucht mal, zwischen berühr’n und ich eine Pause zu machen. Das sind zwei Dinge, die du da singst. Nicht so zusammenwerfen. Und der zweite Teil – was fühlst du da? Wenn du jemanden kaum anfassen kannst, weil er so zerbrechlich ist? Genau. Angst. Hör ich nicht. Stimme zurücknehmen, ein bisschen vorsichtiger singen, Silben betonen, ganz leise, auf Zehenspitzen. Und nochmal.“
… und du zerspringst in tausend Scherben, und ich werde wach …
„Hör dir mal selbst zu, wenn du zerspringst und tausend singst. Da sind ganz viele S und T drin. Die kann man richtig hart singen; zeichne mal ein Bild aus Konsonanten. Du musst hören können, wie weh das tut, wenn etwas zerspringt. Hörst du’s? Und wenn du wach wirst … ich weiß, dass wach ne Viertelnote ist und damit länger als die anderen, aber wenn du das wirklich so lang hälst, frage ich mich, wann wirst du denn endlich wach, verdammt nochmal? Bisschen früher rausgehen. Und nochmal.“
… Jeden Tag, bist du mir so greifbar nah, ich atme dich …
„Das Je von Jeden kannst du länger halten, du leidest schließlich jeden blöden Tag daran, dass du deinen Geliebten nicht kriegst, das hör ich noch nicht. Und das G von Tag hör ich auch nicht. Jeden Taaaaa … neenee. Aber kein K draus machen. Ich atme dich kannst du fast lautmalen. Atme kann man wirklich hauchen, versuch’s mal. Und bei dich dann mehr auf dem ch bleiben, richtig hauchen eben. Und nochmal.“
… doch so nah du mir auch bist, so unüberwindbar ist der Weg für mich …
„Bei ist der Weg ist das der die höchste Note, aber wie vorher das unwichtigste Wort. Das darf keinen Akzent kriegen. Und nochmal.“
… du gehst vorbei und siehst mich an, und mein Herz steht still, so atemberaubend schön bist du …
„Was fühlst du da? Da geht dein Geliebter an dir vorbei und du kannst nichts machen! Ich will hier Sehnen hören, Verlangen, Verzweiflung. Und bei schön kannst du dich so richtig in das sch reinkuscheln, Gott, ist der Mann schön, ich halt’s nicht aus, Begeisterung! Und nochmal.“
… und mit jedem sanften Blick lachst du meiner Seele zu …
„Blick ist eklig. Bl ist überhaupt die ekligste deutsche Buchstabenkombination zum Singen. Blllll. Das klingt immer blubberig, ganz egal, wie sehr du dich anstrengst. Bei Blick kommt noch dazu, dass du nicht zu lange auf dem I rumhühnern darfst, sonst wird das Wort quietschig. Und wenn du die Endung zu sehr betonst, knallt das wieder so böse, und wir sind doch grad so kuschelig drauf. Versuch einfach, so schnell und elegant wie möglich, an Blick vorbeizukommen. Früh rausgehen. Und dann lachst du meiner Seele zu. Das soll sich jetzt nicht nach wieherndem Gelächter anhören, aber ich muss schon merken, dass du dich grad richtig freust. Und nochmal.“
… Sag, wie soll ich es ertragen …
„Was denn? Lass es raus, lass es raus!“
… dass du so nah und doch so unerreichbar bist …
„Daaaaaass, nicht dasssss. Das tut weh, hör ich nicht, komm schon!“
… sag, was soll nur aus mir werden …
„Leise, fragend, nicht wääärdäään, auch wenn die Noten lang sind, vorsichtiger singen, jetzt wird’s wieder ruhiger nach dem Ausbruch eben.“
… wenn das Liebe, wenn das wirklich Liebe ist.
„Schön. Sehr, sehr schön. Nochmal von vorn.“
Und ich dachte immer, beim Singen ginge es nur darum, die richtigen Töne zu treffen.
(„Ach, über das Stadium sind wir doch schon weg. Und nochmal.“)
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Edit, 16.08.2011: YouTube
… Gott, wie ich das vermisse. Und wie ich’s eigentlich gehasst habe vor lauter denken kaum zum Singen zu kommen.
Zum ersten Mal im neuen Design “hast du meinen Tag gemacht”. Danke. Perfekter Ausgleich dazu, dass meine Vorlesung “Motivationspsychologie” ausfällt und ich heute morgen umsonst um 6 Uhr im Bus saß (und das hier sowieso niemanden sonderlich brennend interessiert). Bleiben wir einfach beim Danke.
Mareike am 18. November 2004
Ha, ging mir gestern ganz genauso.
Ich solle gefälligst ständig an Sex denken, wenn ich “Fever”
singe.
Wenn ich ´nen Kerl wäre, müßte ich mit den Eiern singen, sacht se.
Aber es macht ja so einen Spass das Singen, jo!
Übrigens: schön hier, werte Frau Gröner!
Frîa am 18. November 2004