The Damned United
© Sony Pictures
The Damned United (The Damned United – Der ewige Gegner, UK/USA 2009, 98 min)
Darsteller: Michael Sheen, Colm Meany, Timothy Spall, Jim Broadbent, Maurice Roëves, Stephen Graham, Peter McDonald
Musik: Robert Lane
Kamera: Ben Smithard
Drehbuch: Peter Morgan, nach einem Roman von David Peace
Regie: Tom Hooper
In The Damned United geht es um Brian Clough, “the best manager England never had”. Cloughs Biografie kann man auf der Wikipedia nachlesen; er galt als einer der besten Trainer, der in der englischen Liga gearbeitet hat, und sein zweifacher Gewinn des Europapokals der Landesmeister hintereinander (heute Champions League) mit Nottingham Forest 1979 und 1980 ist bis heute nicht erst einmal wiederholt worden. Gleichzeitig galt Clough aber auch als absoluter Egomane, der nie ein Blatt vor den Mund nahm und für den Erfolg wahrscheinlich seine tote Mutter verkauft hätte. Für seine Spieler war er allerdings ein Held: ein erfolgreicher Jugendspieler, der nur durch eine Verletzung an der ganz großen Karriere gehindert wurde, und ein Motivator sondergleichen.
Im Film spielt der wie immer wundervolle Michael Sheen die Hauptrolle, und wenn man sich Originalaufnahmen anschaut, ist es gespenstisch, wie nah er Clough kommt, in seiner Mimik, Gestik, den Akzent, selbst die Sprachmelodie kann er imitieren, ohne dabei wie eine schlechte Kopie auszusehen. The Damned United beruht auf dem gleichnamigen Buch von David Peace, das sich relativ viele Freiheiten bei der Geschichte nahm (sagen jedenfalls Angehörige und Menschen, die im Buch vorkommen). Der Film bleibt etwas näher an der Realität, überspitzt aber natürlich auch.
Er konzentriert sich auf die Zeit zwischen 1969 und 1974; 1969 war Clough Trainer bei Derby County, das am Ende der zweiten Liga herumkrebste. Zusammen mit seinem Freund und Assistenten Peter Taylor brachte er den Verein in wenigen Jahren an die Spitze der ersten Liga – aber soweit sind wir noch nicht. Es ist 1969, und im Rahmen eines Pokalspiels erwartet Derby einen der Spitzenvereine: Leeds United, das damals von Don Revie trainiert wurde (die Jahre von Revie in Leeds werden heute als die „Glory Years“ bezeichnet). Clough bereitet nicht nur die Mannschaft auf diese Ehre und das große Spiel vor, nein, er putzt eigenhändig das „Visitors“-Schild an der Gästekabine, legt dort selbst die Handtücher raus und stellt sogar jedem Spieler liebevoll eine Orange samt Kristallschälchen für die Schalen an den Platz. Dann geht er in sein Büro, holt die guten Gläser aus dem Schrank und dreht die Flasche französischen Weins mit dem Etikett zu dem Stuhl, auf den er Revie einladen möchte. Bei jedem Handgriff wird klar, wie sehr sich Clough auf die Begegnung mit dem Meistertrainer und dem großen Verein freut, und der Film zelebriert diese Vorfreude in sehr liebevollen, ruhigen Einstellungen, die ganz ohne Musik auskommen.
Dann ist der Tag da, der Mannschaftsbus von Leeds rollt an, traditionell steigen die Spieler 100 Yards vor dem Stadion aus und gehen den Rest des Wegs zu Fuß – und gruß- und wortlos an Clough und Taylor vorbei. Revie (Colm Meany) nickt ihm nicht einmal zu, sondern schaut durch ihn, den kleinen Zweitligavereintrainer, hindurch. Leeds gewinnt und fährt wieder ab. Die Flasche Wein bleibt ungeöffnet.
Der Film nimmt diesen Moment als Ausgangspunkt für die Motivation Cloughs, es Don Revie zu zeigen. Dabei arbeitet er mit einem simplen Kniff, der The Damned United ganz einfach sehr spannend macht: Er beginnt 1974, als Clough es scheinbar geschafft hat. Er ist gerade Trainer bei Leeds geworden und gibt schon großspurige Fernsehinterviews, bevor er überhaupt mit der Mannschaft geredet hat. Dann springen wir zurück ins Jahr 1969, wo der Grundstein für diesen scheinbaren Erfolg gelegt wurde. Und wieder zurück ins Jahr 1974, wo Clough feststellen muss, dass er bei Leeds alles andere als willkommen ist.
Um die Pointe vorwegzunehmen: Clough konnte sich gerade 44 Tage bei Leeds halten. Seine Mannschaft spielte von Anfang an gegen ihn, was man ihr aber nicht einmal verübeln kann. Cloughs Antrittsrede lautete (laut Film) folgendermaßen: “The first thing you can do for me is to chuck all your medals and all your caps and all your pots and all your pans into the biggest fucking dustbin you can find, because you’ve never won any of them fairly. You’ve done it all by bloody cheating.” Ab sofort wehe ein neuer Wind, man werde jetzt schönen Fußball spielen, ehrlichen Fußball, the beautiful game eben. Das Resultat, wenn ich mich richtig erinnere: sechs Niederlagen, der schlechteste Saisonstart seit 20 Jahren und der vorletzte Platz in der Tabelle. Auch hier wieder eine schöne Idee, die Niederlagen zu zeigen, ohne dauernd Spielszenen einbauen zu müssen: Wir sehen die Spieler, wie sie von Clough angefeuert werden, mit frisch-dynamischer Musik den Gang zum Stadion antreten, Clough ballt die Faust, alles wird gut – und in diesem Moment erscheint am unteren Bildrand trocken das Endergebnis: Leeds 0, Gegnerteam 1.
Das Besondere an The Damned United: Er ist ein Sportfilm, der mit sehr wenig Sport auskommt. Die wenigen Momente auf dem Platz verdeutlichen die ruppige Spielweise von Leeds oder Cloughs Treffsicherheit, die auch nach zehn Jahren auf der Trainerbank noch funktioniert. Ansonsten bleibt der Film in den Kabinen, hinter den Kulissen und in Fernsehstudios, wo wir Clough dabei zusehen, vom ambitionierten Trainer zum Großmaul zum kleinlauten Arbeitslosen zu werden. Ebenfalls bemerkenswert: die gelungene Mischung aus Original- und Spielszenen. Man hat sich netterweise ziemlich zurückgehalten, was reinmontierte Gesichter in altes TV-Material angeht, aber die wenigen Bilder, die nachgestellt wurden, funktionieren.
Mir hat neben den wirklich großartigen schauspielerischen Leistungen die Ausstattung und Farbigkeit gefallen. Klar sind Filme, die in den 70ern spielen, immer ein bisschen schwerverdaulich, gerade wenn Tapeten oder „elegante“ Oberbekleidung im Bild sind, aber The Damned United hat für mich ein ganzes Jahrzehnt korrekt bebildert. Ich verbinde mit den 70ern immer eine ganz bestimmte Atmosphäre, alle Bilder aus der Zeit sehen für mich zu dunkel und zu grün aus, die Gesichter immer zu rot und großporig, und alles wirkt schwer und muffig. Genau diese Farbigkeit hat der Film – und schafft es trotzdem, wunderbare Einstellungen zu finden.
Viele Bilder sehen aus wie Studien für Gemälde; wenn Peter und Brian sich über den Verein unterhalten, könnte man einfach nur ihre Gesichter zeigen. Man könnte aber auch die sehr grafisch aussehenden, mehrstöckigen Häuser im Hintergrund mitnehmen, die die beiden Menschen ganz einfach in eine Arbeiterumgebung stellen, ohne dass es aufgesetzt wirkt. Oder der harte Kontrast zwischen dem düsteren Yorkshire und Cloughs nächstem Arbeitsplatz Brighton: Auf einmal hat der Film Sonne und Strand und Meer und blauen statt grauen Himmel – und alles, was Clough dazu sagt, ist: “We’re nearly in fucking France.” Wie sehr sich die Dynamik ändert, zeigen kleine Details: Wo wir in Derby jubelndes Publikum haben, durch die Straßen rennende Fans, Clough beim Rumwirbeln in den Gängen des Stadions, haben wir in Brighton ein älteres Ehepaar, das eine Gehhilfe vor sich herschubst.
Meine Lieblingsszene – die garantiert pure Fiktion ist – spielt im Büro von Clough, genau dem Büro, in dem er vergeblich die Flasche Wein platziert hat. Nur wenige Jahre später spielt Derby in der 1. Liga gegen den Erzfeind – und Clough erlebt das Spiel nicht draußen auf der Trainerbank, sondern in seinem Büro, das unterhalb der Fankurve liegt. Von draußen sickert Licht in seinen dunklen, holzgetäfelten Raum, und sobald das 1:0 fällt, springen die Zuschauer auf und zerteilen das Licht durch ihre Beine in ein flirrendes, vibrierendes Leuchten. Und Clough scheint darin zu baden.
Trotz der schönen Bilder ist der Film ein harter Brocken: Clough ist alles andere als „der nette Herr Trainer von nebenan“. Schon in den ersten Einstellungen wird er einem so richtig schön unsympathisch, und mit seinen noch nicht fersehtauglich rundgetrimmten Gesten kommt er im TV-Interview wie ein kleiner, blöder Sonnenkönig rüber. Nach 90 Minuten Männergezicke war ich mir ziemlich sicher, dass auch Kriege aus persönlichen Eitelkeiten begonnen werden, wenn man sich schon in sowas Nebensächliches wie Fußball so reinsteigern kann. Aber seltsamerweise hat mir genau das so gut an The Damned United gefallen: einen Helden zu haben, der absolut keiner ist und dem man zunächst wünscht, so richtig auf die Fresse zu fliegen. Und wenn er das dann tut, möchte man ihm sofort wieder hochhelfen.
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Bechdel-Test bestanden?
1. Es müssen mindestens zwei Frauen mitspielen, die
2. miteinander reden
3. und zwar über etwas anderes als Männer.
Es spielen, wenn ich richtig hingeschaut habe, genau zwei Frauen mit, die etwas sagen dürfen, nämlich die beiden Ehefrauen von Clough und Taylor. Die eine ist drei, die andere 30 Sekunden zu sehen. Das war’s. Sonst nur Kerle. Nicht mal im Fußballpublikum habe ich Frauen gesehen. Beängstigend.
Bechdel-Test bestanden? Aber sowas von überhaupt nicht.