Was schön war, Freitag, 13. April 2018 –
I want to thank the Academy

Auf den gestrigen Vormittag hatte ich mich schon länger gefreut, denn die Dallmayr Academy hatte mich auf eine kurze Schulung eingeladen. Anders ausgedrückt: Ich habe zwei Stunden lang Espresso getrunken, weil’s so lecker war und ich werde nie wieder schlafen.

Wir tranken den Espresso Barista, der fieserweise nur für die Gastronomie angeboten wird, wie der Schulungsleiter erzählte. Der Mann kam ansonsten zunächst kaum zu Wort, weil ich dauernd total wichtige Fragen hatte, die sich mir stellten, seit ich selber wieder an einer Siebträgermaschine stehe, wenn auch nur für den Hausgebrauch: Warum ändert der Mahlgrad den Geschmack? Wie sieht die perfekte Crema aus? Wie hoch sollte der Druck beim Tampern sein? Und wie, verdammt, kriege ich diesen fiesen Milchschaum hin, um endlich ein Herz auf meinen Flat White zu malen? Wobei ich gestern auch lernte, dass ich die ganze Zeit Cappuccino mache und keinen Flat White. Ein Flat White besteht aus zwei Espressos, der Cappucchino nur aus einem. Plus Milch und Schaum und Zeug halt. Ich lernte außerdem, dass der Cappuccino, den ich vor 25 Jahre in der Gastro zubereitet habe, heute eher nicht mehr serviert wird – also mit der heißen Milch, dem riesigen fluffigen Schaumball oben drauf und womöglich noch mit Kakaopulver. Ein Cappuccino sieht fast so aus wie ein Flat White, hat aber nicht so viel Wums.

Aber erstmal wurde mir ein Espresso gereicht, der hervorragend schmeckte. Dann änderte der Schulungsleiter den Mahlgrad und wir guckten, was passierte. Zunächst wurden die Kaffeebohnen gröber gemahlen, was zur Folge hatte, dass der Espresso viel schneller durchlief als vorher und wässrig nach kaffeeartigem Nichts schmeckte. Feiner gemahlen schien er total widerwillig und fast schwarz in der Tasse zu landen und war bitter und fies. Als Regel für guten Espresso nahm ich mit: 8 Gramm Kaffeemehl für einen Espresso, 16 bis 18 Gramm für zwei, 90 bis 92 Grad heißes Wasser, das mit 9 bar Druck in 20 bis 25 Sekunden ein Getränk zaubert. Druck und Brühzeit kann ich an meiner Maschine nicht einstellen, bei der Wassertemperatur bin ich mir nicht sicher, womit ich eigentlich schon verloren habe, aber ich werde mal die Stoppuhr mitlaufen lassen, wie lange mein Maschinchen eigentlich so arbeitet.

Ich lernte, wie eine gute Crema aussieht (geschlossen, haselnussbraun) und dass zu frischer Kaffee nicht schmeckt, denn direkt nach der Röstung enthalten die Bohnen noch zu viel Kohlendioxid, das erst entweichen muss. Ich lernte, was die Unterschiede zwischen Arabica (fruchtiger) und Robusta (erdiger) sind und dass Robusta gerne als Würze dazugegeben wird, weil diese Sorte dem Kaffee mehr Körper verleiht. Ich lernte, was Kaffee-Varietäten sind. Neben diesen ganzen Perlen der Weisheit wurden 20 Tässchen Espresso und Cappuccino zubereitet und ich nippte und kostete und trank schließlich ganze Tassen, denn wozu bin ich sonst hier. *hibbel*


Gerade beim Milchschäumen schaute ich natürlich ganz genau hin und ahne jetzt, wo mein Problem liegt. Ich produziere seit 500 Espressos immer Milch mit Schaum obendrauf, aber ich brauche quasi dickflüssige Milch. Also eine Konsistenz, nicht zwei. Vollmilch statt H-Milch ist klar; der Schulungsleiter meinte, H-Milch schmecke wie entzündeter Kuheuter, was ich nicht ganz so abnicken würde, aber jetzt will ich nie wieder H-Milch trinken. Was ich in meinen letzten Probewochen schon festgestellt habe, meinte der Herr ebenfalls: Die Milchsüße reicht völlig aus, man braucht wirklich keinen Zucker mehr. Für diese Süße darf die Milch aber nicht zu heiß sein, was übrigens auch für die Konsistenz wichtig ist. Da habe ich instinktiv (aka nach dem Anschauen von 50 YouTube-Videos) schon viel richtig gemacht: Beim Aufschäumen dauert die Ziehphase nur ganz kurz – also die Phase, wo man mit der Dampflanze im Edelstahlkännchen lustige Geräusche macht –, während die Rollphase nur so lange dauern sollte, bis die Milch höchstens 70 Grad heiß wird; das Kännchen kann man noch so gerade mit der Hand anfassen, es ist aber schon spürbar heiß. All das kriege ich zuhause auch hin, aber trotzdem: Diese Fluffigkeit, die ich gestern anschauen und genießen durfte, scheint für mich noch in weiter Ferne zu sein. Ich glaube, ich muss dringend die Barista-Schulung buchen. Oder ernsthaft in eine andere Maschine für zuhause investieren, aber dagegen sträube ich mich noch etwas. Die ist doch erst zwei Monate alt! Ich gebe mir noch weitere 500 Espressos und dann denke ich nochmal drüber nach.

Ich hatte viel Spaß und habe viel gelernt, auch wenn mir das Herz dabei geblutet hat, wieviel Kaffee wir gemahlen und verwendet haben, der teilweise als schlechtes Beispiel dienen musste wie bei dem falschen Mahlgrad. Außerdem habe ich natürlich beim Latte-Art-Machen dem Schulungsleiter nie auf die Finger geguckt, sondern total fasziniert dem Bild auf der Crema, ich Hirn. So lerne ich das natürlich nicht. Das war für gestern aber auch gar nicht der Plan, ich durfte einfach gucken und Fragen stellen. Hab ich gemacht. Ich habe seit den vielen guten Espressos vor Ort aber noch keinen weiteren zuhause angesetzt. Ich trau mich jetzt gerade nicht mehr. (Gebt mir noch einen Tag.)

Was mir auch viel bedeutet hat: dass wir über Nahrungsmittel als Genuss gesprochen haben. Klar ist eine Siebträgermaschine aufwendig, aber man wird für seine Arbeit, die ja eher ein Ritual ist, belohnt, man schmeckt, was man in der Tasse hat. Das ist ein anderer Schnack als das Gebräu aus der 20-Euro-Büro-Kaffeemaschine. Aber wenn einem das reicht, ist das völlig in Ordnung. Wem das nicht reicht, der rüstet halt ein bisschen auf. Selbst eine Billo-French-Press macht schon guten Kaffee, wenn man sich ein bisschen Mühe bei der Zubereitung gibt. Es muss nicht die 10.000-Euro-Maschine sein, ein bisschen Sorgfalt und Beschäftigung mit dem Produkt bringen einen schon sehr viel weiter. Das habe ich in den letzten Monaten selbst erfahren, aber ich fand es schön, mit einem Kaffeeprofi darüber zu sprechen, was für ein Genuss es immer wieder ist, genau das zu tun: Beschäftigung mit dem Produkt. Selbst mit so etwas Alltäglichem wie dem Morgenkaffee. Es geht immer besser und es lohnt sich immer wieder.

Ich füge hier wie immer bei sentimentalen Futter-Blogposts meinen Hinweis auf das Foodcoaching von vor jetzt schon fast zehn Jahren ein, das mein Leben verändert hat und es immer noch weiter verändert. Ich habe noch so viel zu entdecken, und genau wie ich Donnerstag so begeistert davon war, dass mich jemand an seinen kunsthistorischen Erkenntnissen teilhaben lässt, so war ich es gestern, als es um den Mahlgrad von Kaffeebohnen ging. Es braucht echt nicht viel für einen guten Tag, habe ich mal wieder gemerkt. Schlaue Menschen, gute Produkte. Und irgendwas, das nach Schokolade schmeckt, okay.

PS: @DonnerBella fragte neulich nach persönlichen Macken und ich antwortete, dass ich damals in der Gastro gelernt hatte, dass das Etikett (auf Flaschen, Gläsern, dings) immer zum Gast zeigen sollte, damit der sieht, dass er auch das richtige Bier vor sich stehen hat. Diese Art, Biergläser oder Weinflaschen auf Tische zu stellen, habe ich mir auch im Privatleben angewöhnt; wenn ich ausgehe, drehe ich mein Glas immer so, dass ich aufs Label schaue. Gucken Sie beim letzten Foto mal, wo der Firmenname steht und von wo man das Bild auf der Crema am besten sieht. Spontane Zuneigung!

PPS: Am späten Nachmittag ein Nickerchen gemacht. Ten espressos got nothing on me.

PPPS: Diesen Blogeintrag schrieb ich bereits gestern nachmittag. Eben habe ich mir meinen üblichen Morgenkaffee zubereitet. … Ich kaufe jetzt eine neue Siebträgermaschine. Und eine elektrische Kaffeemühle (sorry, Opa). Verdammt.