Was schön war, Donnerstag, 12. April 2018 – Endlich wieder Uni!

Morgens hatte ich beim Espressokochen einen Gast in der Küche: die erste Wespe der Saison hatte sich an meine Fensterfront verirrt und fand trotz vieler guter Worte nicht wieder hinaus. Ich weiß nicht, was an meinem Kommando „Flieg nach rechts, du Honk!“ so unverständlich ist, aber es brauchte zusätzlich die Hilfe von zitternd wedelndem FAZ-Altpapier, um das Tier lebend wieder nach draußen zu kriegen. Ich stellte befriedigt fest, dass meine sinnlose Panik vor Wespen mit dem Alter abnimmt. Wo ich mit 20 die Küche verlassen und sie erst nach Wochen wieder betreten hätte und mit 40 die Viecher panisch mit Telefonbüchern zerquetschte (erinneren Sie sich noch? Telefonbücher! Die konnte man werfen), kann ich heute total entspannt … äh … okay, im Biergarten bin ich immer noch schissig. Aber auch da bin ich inzwischen zu einer Art widerwilliger Toleranzhaltung übergegangen und habe immer ein billiges Taschenbuch dabei, mit dem ich meine Maß abdecke anstatt den Tisch schreiend zu verlassen.

Der Tag ging dann nicht ganz so gut weiter, denn ich hatte mich auf einen Vormittag in der Stabi gefreut, aber ein Kunde brauchte dringend noch ergänzende Websitetexte (die Site soll heute online gehen), daher musste ich das verschieben. Trotzdem war ich trauriger als ich dachte, was mich noch trauriger machte. Aber ich hatte ja etwas, auf das ich mich vorfreuen konnte: eine Vorlesung an der Uni, schön im Hauptgebäude, noch schöner in einem Hörsaal im Erdgeschoss, so dass ich keine acht Millionen Stufen aus dem 19. Jahrhundert hochsteigen muss.

Da ich den Dozenten und seine Anhänger*innenschar im Seniorenalter schon kannte, war ich für die Vorlesung um 12.15 Uhr um 11.45 im Saal – der schon zu einem Drittel von Menschen mit weißen und grauen Haaren gefüllt war. Alles wie immer also. So laut (innerlich!) lästern wie sonst konnte ich jetzt aber nicht mehr, denn ich war nun quasi eine von ihnen. Ich bin nicht angemeldet, ich brauche keine ECTS-Punkte mehr, ich sitze hier nur, weil ich immatrikuliert bin und verdammt noch mal was lernen will. Aber eventuell muss jemand auf den Stufen sitzen, weil ich schön bequem um 11.45 von zuhause anradeln kann und nicht durch die halbe Stadt hetzen musste, um überhaupt pünktlich von einer Veranstaltung zu nächsten zu kommen. Die Vorlesung war aber dann doch nicht so grenzwertig ausgebucht wie ich es von diesem Dozenten gewöhnt bin, weswegen ich kein schlechtes Gewissen mehr haben musste und mich ohne Klausurenstress entspannt zurücklehnen konnte.

Das Thema: Landschaftsmalerei vom 14. bis zum 19. Jahrhundert. Dass die Landschaftsdarstellung aber schon früher losging, war das Thema der ersten Sitzung. Wir sahen ägyptische Papyrii mit Abbildungen von Flussufern, hörten einen der Briefe des Plinius, in dem er sein eigenes Anwesen und dessen ländliche Schönheit beschreibt, und bewunderten das Palestrina-Mosaik sowie das Mosaik des Apollinaris in Sant’Apollinare in Classe bei Ravenna. Die beiden letzten waren die einzigen Werke, die ich mir notierte, ansonsten hörte ich einfach zu und freute mich darüber, einfach zuhören zu können. Das war so herrlich, den Kopf wieder mit schönen Dingen vollzupacken und jemanden vor sich zu haben, der einen mal eben so 90 Minuten lang an seinem Wissen teilhaben lässt. Wie sehr ich das vermisst hatte, merkte ich erst, als die Vorlesung anfing und ich vermutlich ähnlich gespannt da saß wie in meiner allerersten Studiumsstunde.

Wobei ich ergänzen möchte: Ich kann auch in der Werbung meinen Kopf mit schönen Dingen vollpacken. Klar arbeite ich teilweise auf Kunden oder für Branchen, die ich kenne und die mich daher nicht so irre herausfordern. Aber es kommen immer neue Kunden dazu, für die ich über Dinge nachdenke, die ich vorher nicht kannte. Davon habe ich netterweise auch gerade ein paar, und bei dieser Art Text oder Konzeption bin ich ähnlich freudig wie bei Kunstgeschichte. Weil es eben neu ist und spannend und ich was lerne.

Den geplanten Stabi-Besuch erledigte ich statt wie geplant vor der Vorlesung danach. Ich musste ein Buch zurückbringen und hatte mir weitere Bücher im Lesesaal zurücklegen lassen. Nicht für die Diss, sondern: für mein Patenkind. Das wird demnächst konfirmiert und ich möchte ihr etwas schenken, das einen Bezug zu Gott oder den biblischen Geschichten hat, aber auch etwas mit mir zu tun hat. Da liegen künstlerische Darstellungen von Bibelinhalten ja doch recht nahe. F. schlug die Bibel von Chagall vor, aber den Herrn mag ich nur so halb, also googelte ich wild in der Gegend herum und stieß auf Bild und Botschaft – eine Reihe von Vorträgen, die zu Werken gehalten werden, die hier in München in den Pinakotheken hängen und die es teilweise als Buch gibt. Bisher sind drei Bände erschienen, die ich mir alle in die Stabi bestellte, um zu gucken, ob die was taugen. Tun sie, wie ich seit gestern weiß. Im ersten Band geht es um das Leben Jesu, wenn ich mich richtig erinnere, und es ist unter anderem der Columba-Altar von Rogier von der Weyden zu sehen, den ich dringend mal wieder angucken muss (werd endlich fertig mit dem Umbau, Alte Pinakothek!). Im zweiten Band geht es um biblische Geschichten und Gleichnisse (hier freute ich mich über Raphaels Heilige Familie) und im dritten um Heilige oder biblische Persönlichkeiten. Dort findet sich auch Dürers Selbstporträt, das bewusst (und für damalige Verhältnisse recht großkotzig) an Jesus-Darstellungen erinnert. Mein geliebter Lotto kommt leider nirgends vor, aber mit den drei genannten, die zu meinen Favoriten gehören, war ich auch zufrieden.

Die Texte sind recht kurz und erläutern einmal die betreffende Bibelstelle oder die historisch-kirchliche Erzählung – ich gebe zu, das habe ich alles nur überflogen, denn ich wollte wissen, ob die Dinger einen kunsthistorisch weiterbringen. Ich glaube, sie regen mindestens zum genauen Hinschauen an, und das ist schon sehr viel, wie ich finde.

Ich las noch in zwei Büchern zur Diss, war im Kopf aber schon im Buchladen, wo ich die drei Bücher bestellen wollte. Die Dame an der Kasse suchte sie beim Großhändler und fand sie nicht. Auf meinen zarten Hinweis, dass ich sie bei Amazon gesehen habe und sie daher noch lieferbar sein müssten, googelte sie und landete beim Verlag. Dort rief sie kurzerhand an und fragte, ob sie die Bücher bestellen könne. Konnte sie, und ich kann sie vermutlich übermorgen abholen.

Aus der Packstation holte ich mir noch ein Kleidungsstück, das ich auch für die Konfirmation brauchte und freute mich zuhause sehr, dass es passte. Derart gut gelaunt begann ich mir eine kleine *hust* Mahlzeit zuzubereiten. Die wunderbaren Frühlingszwiebel-Pfannkuchen aus Immer schon vegan waren bei mir mit Bärlauch, ich verblogge das Rezept noch.

Ich arbeitete noch ein bisschen vor mich hin, und den Abend verbrachte ich mit Zeitung und Buch auf der Couch. Mir ging es viel besser als morgens, was mich sehr freute. Fehlt nur noch ein F., aber der war unterwegs und konnte meinem Quengeln nach Kuscheln nicht nachkommen. Dann halt heute.