Tagebuch Dienstag, 4. Dezember 2018 – Rahmenladen
Vormittags am Schreibtisch gesessen, gearbeitet, was man halt so macht. Auf verschiedenen Jobs rumgepuzzelt, Orgakram erledigt, alles kaum erwähnenswert. Über die Abschiedsmail meiner Steuerberaterin gerührt gewesen.
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Um kurz nach 14 Uhr machte ich mich dann auf einen Weg, den ich mir schon ewig vorgenommen hatte: Ich wollte meine Alugrafie von Leo von Welden rahmen lassen. Leser*innen, die schon länger dabei sind, erinnern sich: Ich habe über den Maler ein, zwei Hausarbeiten während des Masterstudiums geschrieben, die dann zusammengefasst zu einem Katalogbeitrag wurden. Nach der einjährigen Recherche, bei der ich des Öfteren bei der Künstlertochter vorbeischaute, die von Weldens Erbe verwaltet, schenkte mir die Dame drei Werke, die ich mir selbst aussuchen durfte. Von dem Angebot war ich ziemlich überfordert, weil ich nach meinem Rumwühlen in den Grafikschränken und dem Durchstöbern der Regale, in denen die farbigen Bilder standen, viel zu viel gesehen hatte, was mir gefallen hätte. Also griff ich recht schnell zu den Werken, die mir typisch für ihn erschienen.
Die Alugrafie zeigt ein christliches Motiv, mit dem er in den 1920er Jahren seine Arbeit begonnen hatte. Ich datiere das Werk aber eher in die späten 50er, noch eher in die frühen 60er, als er wieder zum religiösen Themenkreis zurückgefunden hatte, nachdem er den in der NS-Zeit vernachlässigt hatte. Das zweite Bild, das ich mitnahm, hat ebenfalls christliche Anmutungen: vier langgestreckte Gestalten in bunten, langen Gewändern, zwei Männer, zwei Frauen, ein Mann macht eine Segensgeste, alle stehen in einem nicht definierten farbigen Raum. Diese langgestreckten Figuren sind typisch für sein Spätwerk, daher wollte ich auch davon gerne etwas mitnehmen. Das dritte Bild ist ein Stillleben mit zwei Fischen, das schon gerahmt war und seit dem Umzug in meiner Küche hängt. Das wollte mir die Künstlertochter ausreden, das sei doch nix, hier, diese Katze wäre doch viel toller. Ich widersprach liebevoll und nahm die Fische mit.
Die farbigen Christen lehnen hinter mir im Arbeitszimmer an der Wand, und ich weiß noch nicht, ob ich die kleine Tafel rahmen lassen möchte. Eigentlich mag ich sie in ihrer Rauheit so ganz gerne, aber sie geht im doch recht dunklen Zimmer schon etwas unter. Die Alugrafie wollte ich aber auf jeden Fall rahmen lassen, denn das feine Blatt sollte nicht länger in einer Mappe rumliegen.
Ich googelte nach Menschen, die Bilder einrahmen, in meiner Nähe, fand eine kleine Werkstatt fünf Minuten von mir entfernt und ging genau dort hin, nachdem ich es wochenlang vor mir hergeschoben hatte. Die Beratung war sehr ausführlich und sympathisch: „Hören Sie auf Ihr Bauchgefühl! Sie haben eine Vorstellung von Passepartout und Rahmen, das zeige ich Ihnen auch gerne, aber wenn Ihnen etwas anderes gefällt, dann hören Sie da einfach drauf.“ Genau das tat ich, und so habe ich hoffentlich nächste Woche eine Alugrafie auf mittelgrauem Karton statt Passepartout, weil man so den ungeraden unteren Rand des Blattes sehen kann, was ich sehr mag. Das ganze bekommt einen recht breiten, silbernen Rahmen, womit ich auch nicht gerechnet hatte.
Die … äh … wie nennt man denn Rahmerinnen? Okay, anders: Die Werkstattbesitzerin legte mir weißen, grauen und schwarzen Karton unter das Blatt, damit ich die Unterschiede sehen konnte. Dann verschiedene Grautöne. Dann die Rahmen: zuerst einen weißen, den ich mir vorgestellt hatte, der aber nun mit dem ausgewählten Grau total doof aussah. Schwarz krachte auch zu sehr rein, und so landete ich auch hier bei Grau. Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, nicht noch mehr Grau in meine Wohnung zu bringen, da ist schon so viel, aber das sah wirklich am besten aus: Das Bild kam zu seinem Recht, der Rahmen ging nicht unter, sondern lenkte den Blick, die farbige Pappe unterstützte anstatt zu verdrängen. Aber dann meinte sie, Silber könne sie sich auch gut vorstellen. Ich schaute zweifelnd, sie legte ein, zwei Rahmen hin, ich korrigierte meine Flunschfresse zu „Ach, stimmt, sieht wirklich gut aus“, mochte aber die jeweiligen Rahmen in ihrer Gestalt noch nicht, dann kam ein weiterer, der leicht antikisiert aussah und ich wusste: Das isses. Wir probierten noch ein bisschen weiter, aber mein Bauch hatte sich schon entschieden.
Dann kam die beste Verkoofe, die ich je gesehen hatte. „Jetzt noch das Glas.“ Die Werkstattbesitzerin zog einen kleinen Kasten hervor, in dem zweimal dasselbe Blumenbild hinter Glas gefasst war. „Einmal normales und einmal entspiegeltes.“ Und ich machte mich erwartungsgemäß zum Klops: „Ist da echt Glas?“ „Sie dürfen gerne mal draufklopfen.“ Was ich tat, denn das entspiegelte Glas sah man wirklich überhaupt nicht. Ich glaubte es erst, als mein Finger daran stieß. Wie gesagt, beste Verkoofe, simples Verkaufsargument, clever aufbereitet, entspiegeltes Glas gekauft. Hätte ich eh genommen, aber die Präsentation musste ich doch sehr grinsend würdigen.
Spaßeshalber meinte meine Beraterin, wir könnten das Bild auch mal auf Rot legen, das würde sie einfach gerne mal sehen. Dann wollte ich es natürlich auch noch auf Blau sehen. War beides fürchterlich, aber es machte Spaß, die Veränderungen zu beobachten.
Als alles geregelt war, kamen wir ins Plaudern. Sie wollte mehr über Leo von Welden wissen, dessen Signatur sie nicht ganz hatte entziffern können, ich erzählte, sie fragte, wir waren schnell bei der Dissertation, bei NS-Kunst, bei den Pinakotheken, bei der derzeit laufenden Florenz-Ausstellung und der italienischen Renaissance und ich musste mir irgendwann selbst sagen, dass ich wieder an den Schreibtisch musste, sonst hätte ich noch eine Stunde weitergeplaudert. Mit solchen Begegnungen rechne ich olle Einsiedlerin ja nie, deswegen freuen sie mich umso mehr.
Wenn die Rahmung jetzt so gut wird wie das Verkaufsgespräch, bin ich sehr zufrieden. (Preis passte auch.)
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Weitere Arbeit erledigt, zwischendurch das Probedessert für Samstag vorbereitet, wo ich meine ersten offiziellen Gäste in dieser Wohnung erwarte, denn jetzt habe ich ja auf einmal Platz für Gäste. Also mehr als einen Küchentisch für vier Leute. Es ist eins meiner Lieblingsdesserts, das ich in den letzten Jahren aber nie zubereiten konnte, weil ich kein Gefrierfach hatte, in dem Sahne-Ei-Zucker-Masse zu Eis oder Parfait wird. Jetzt habe ich sowas wieder, wollte es aber trotzdem vorher mal ausprobieren.
Das führte dazu, dass ich F., der abends vorbeischaute, gleich ein schönes Dessert vorsetzen konnte, wenn auch in schlampiger Ausführung, weil ich nicht wirklich auf Optik geachtet hatte, sondern nur wissen wollte, ob das Zeug denn verdammt nochmal fest wird. Wird es, yay! Kühlschrankliebe!
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Gemeinsam eingeschlafen.
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(Total beknackter Titel, bitte trotzdem lesen.)
Working Girl (Die Waffen der Frauen) ist einer meiner Lieblingsfilme. Fieses 80er-Jahre-Kino, aber ich finde ihn immer wieder herrlich. Umso mehr freute ich mich über diese Erzählungen vom Set, die teilweise sogar auf genau die Szenen anspielen, die mir beim ersten Anschauen aufgefallen waren. Zum Beispiel die Szene, in der Tess (Melanie Griffith) auf ihrem Weg zur Arbeit in Businessklamotten und Turnschuhen durch Manhattan geht, bevor sie im Büro in Pumps schlüpft.
„[Producer Doug] WICK: Then, one day in 1985 or early ’86, while walking in lower Manhattan, I saw a woman who from the ankles up was very chic, but she was wearing tennis shoes. In those days, that wasn’t fashionable. I talked to Kevin about doing a story about those girls — the outsider with a face pressed against the glass longing for all of those shiny things inside the jewel of Manhattan.
[Screenwriter Kevin] WADE: Back then, I spent a lot of time on a bicycle riding around New York. There was an abandoned roadway I would get on in the Village and take down to Battery Park. I would see the Staten Island Ferry coming over and those women in sneakers getting off and then stopping to change into [dress] shoes. That’s how I discovered this story — a modern-day immigrant story of a person who comes here not really speaking the language, not with the right clothes, not knowing the customs, but with smarts. It’s the Horatio Alger story. I knew right away it was about a young woman.“
Die Schauspielerinnen erinnern sich an die erste Einstellung im Film und die Kostüme:
„[Melanie] GRIFFITH: Our first day of filming was actually for the first shot in the film on the ferry, and we shot it illegally. There we were — with Joan Cusack — with the big hair and the tennis shoes with all just regular people on the Staten Island Ferry. We shot it without anybody knowing. It was like, “Here we go, now I’m Tess.”
[Joan] CUSACK: Mike gave such brilliant direction, like when we got off the ferry, he said, “Be thinking something in your head. That’s what people do as they walk off a boat, they think about their day or their life.” It was such a cool piece of direction. We worked with Roy Helland, the hair and makeup artist who has been Meryl Streep’s artist forever and ever. He bleached the ends of my hair so it looked like it was burnt. It was so creative. He also said the teasing should take only as long as the ferry ride, so it took 20 minutes and that was my real hair. I always felt like it was like a Kabuki mask — it came on and instantly you were transformed. […]
ANN ROTH, costume designer: Tess lives in Staten Island, and if you sat at the foot of the ferry when it dumped everybody off, that’s what it looked like. We did not tone it up or tone it down. We did the real thing, not a Hollywood version. Some of Melanie’s wardrobe I bought in the ground floor of the World Trade Center. There were shops down there. I knew what kind of salary she had, so the clothes were secretarial in that way. It represented the New York working class in the ’80s, plus a little bit of Wall Street with Sigourney’s character.“
Und auch über den herrlichen Titelsong habe ich Neues gelernt:
„CARLY SIMON, singer-songwriter: […] But I read the script and right away I got the feeling of the ferry boat coming from Staten Island. I thought that there was something hymnal about crossing the river. Jim Hart, my husband at the time, helped me by directing me toward books I’d be inspired by, such as [James Joyce’s] Finnegans Wake. The first word in that book is “Riverrun,” just one word. I wrote the song [“Let the River Run”] over a weekend trip on Martha’s Vineyard and brought it back to New York and played it for Mike and Diane when they came over for dinner. I can’t remember if they cried, but they might have. Then I went to Europe to promote an album and Mike called and said, “You know, we played the beginning over the Eagles’ ‘Witchy Woman’ and everybody really likes it.” I broke out in tears. I said, “Mike, you gotta do what you want but if ‘River Run’ works so well, why would you?” Those words, I think, echoed in his ears and he went back to his editor. I was a hair away from losing that opening to “Witchy Woman.”“
(via @MargueriteJoly)