Tagebuch Dienstag, 18. Dezember 2018 – Bake the pain away
Füchterlich geschlafen. Mehrfach aus einem unangenehmen Alptraum aufgewacht, der gefühlt sofort wieder einsetzte, als ich wieder eingeschlafen war.
—
Eigentlich wartete ich seit Montag auf eine Ansage, wie es mit einer Broschüre weitergehen soll, die noch in diesem Jahr gedruckt werden möchte, aber es kam nichts. So saß ich Dienstag morgen zwar brav pünktlich am Schreibtisch, hatte aber nichts zu tun, weswegen ich meinen alljährlichen Jahresrückblickseintrag überarbeitete. Der liegt spätestens ab Mai in meinen Entwürfen und wird das Jahr über ergänzt, ehe ich wieder alles vergesse.
Die Frage nach dem meiner Meinung nach besten Buch des Jahres habe ich vor einigen Jahren unterteilt in Fiktion, Sachbuch und Comic. Für die ersten beiden Kategorien stehen die Sieger schon fest, außer ich finde jetzt noch was völlig Irres, aber mir fiel zum wiederholten Mal unangenehm auf, dass ich in diesem Jahr keinen einzigen Comic gelesen hatte. Spirou in Berlin von Flix liegt zwar auf der Wunschliste, aber irgendwie wollte ich ihn noch nicht kaufen. Gestern fiel mir dann allerdings total schlau ein: Hey, du hast fünf Bibliotheksausweise in deinem Portemonnaie – vielleicht leihst du dir mal wieder was, du Hirn?
Spirou ist in den Zweigstellen der Münchner Stadtbibliothek so gut wie überall ausgeliehen (well done, Munich!), aber ich kannte das große Graphic-Novel-Regal in der Filiale am Gasteig ja, wo immer was steht, was ich noch nicht kenne. U-Bahn zum Bahnhof, Umstieg in die S-Bahn, zwei Rolltreppen rauf, Jacke an der Garderobe abgegeben – ich vergesse immer, ob man für die Schließfächer innen Geld braucht oder nicht, vermutlich, egal, man darf sogar Jacke und Rucksack mit reinnehmen, jedenfalls war das die letzten Male so. Das könnte sich aber geändert haben, denn anscheinend war ich recht lange nicht in der Stadtbibliothek, wie ich beim Ausleihvorgang feststellte, als ich angezeigt bekam, dass mein Benutzerausweis abgelaufen war. Schockschwerenot! Zum Serviceschalter gegangen, zehn Euro bezahlt (ich bekomme auch als Doktorandin noch Studierendenermäßigung, wie man mir freundlich mitteilte) und dann wieder mit dem Ausweis an die Selbstausleihterminals. Von denen bin ich immer wieder beeindruckt, weil sie totale Zauberei sind. Oder mit RFID-Chips arbeiten, was wahrscheinlicher ist. Man hält den Ausweis an den Bildschirm, und sobald man erkannt ist, verbucht das System selbständig alles, was auf dem Tisch vor dem Bildschirm rumliegt. Man muss es nicht mal an irgendwelche Lesegeräte halten, nur ablegen und wie durch Zauberhand (ich bleibe bei dieser Interpretation) erscheinen die Titel auf dem Screen, die man jetzt froh und glücklich nach Hause tragen und für vier Wochen behalten darf.
Ich las gestern schon Ein Sommer am See von Mariko und Jillian Tamaki (Tina Hohl, Übers.), der mir sehr gut gefiel. Ich mochte die Coming-of-age-Geschichte der zwei weiblichen Hauptdarstellerinnen, die im Alter ein paar Jahre auseinanderliegen und so schön den Sprung von der Kindlichkeit zur Teenagerin verdeutlichen, sowohl vom Tonfall als auch von den Zeichnungen her sehr. Auch die Übersetzung ist mir sehr positiv aufgefallen.
Der zweite Comic konnte mich überraschen, wobei ich mich fragte, warum er das konnte: Es geht um eine ältere Dame aus Israel, die nach über 60 Jahren wieder in ihr altes Heimatland Polen zurückreist, um ein Erbe anzutreten, das ihr wegen der NS-Zeit verwehrt geblieben war. Oder auch nicht, das erfährt man im Laufe der Story. Ich habe bisher nur über Reparationsforderungen an Deutschland nachgedacht, aber noch nie an die an andere Länder. Wieder was gelernt. Das Erbe wurde von Rutu Modon geschrieben und gezeichnet (Gundula Schiffer, Übers.), wobei mir die Story besser gefiel als ihre Bebilderung.
Und zack, gleich zwei Anwärter auf die Lücke im Fragebogen erlesen.
—
Auch nachmittags kam keine Arbeit auf den Tisch, weswegen ich eine Runde aka fünf Bleche Kekse buk. Das übliche Mürbeteigrezept, was immer funktioniert. Gestern anscheinend besonders gut, denn mir schmeckten die Plätzchen (Feingeist F. besteht auf dem Wort „Plätzchen“ für Kekse) auch ohne jede Deko aus Zuckerguss oder Schokolade, wie ich nach fünf dekorierten feststellte.
Mit der zweiten Kanne Tee des Tages aufs Sofa gegangen und weitergelesen, dazu noch ofenwarme Kekse geknabbert.
—
Abends kam dann F. mit der rituellen Lieferung an heißgeräuchertem Lachs vorbei. Das essen wir seit drei Jahren in der Weihnachtszeit, weil F. einen super Lieferanten hat, der nicht massenhaft produziert, weswegen ich mich immer sehr freue, mitessen zu können. Der Lachs ist recht fest und gut, aber nicht übermäßig gewürzt, zerfällt beim Anschneiden und schmeckt mit Kartoffelgratin fast noch besser als ohne. Da ich gestern trotz einem Kilo verzehrten Keksen noch hungrig war, fiel mir das obligatorische Foto erst beim Essen ein. Dass ich einen dunkleren Teller hätte verwenden sollen, damit das Gelb und das Pink der Speisen besser rauskommt, erst beim Abwaschen.
Das Augsburg-Spiel lief nebenbei auf dem Laptop, aber wir konnten uns trotzdem standesgemäß über alles aufregen. Immerhin einen Punkt aus Berlin mitgenommen, der im Abstiegskampf nicht unwillkommen ist.
Und endlich mal ergoogelt, was überhaupt „heiß geräuchert“ bedeutet.
—
Gemeinsam eingeschlafen, durch äußerst unangenehme Regelschmerzen wieder wach geworden (also eine von uns beiden). Der Scheiß könnte auch allmählich mal vorbeisein. Je älter ich werde, desto schmerzhafter wird dieses dusselige Rumgeblute. Mit Wärmflasche auf dem Bauch wieder eingeschlafen.