Gustave Flaubert – Madame Bovary
Ich muss gestehen, ich habe von französischer Literatur nicht die Wahnsinnsahnung, daher kann ich Frau Bovary nirgends einordnen und muss mich auf die Wikipedia verlassen:
“(…) the novel is now seen as a prime example of Realism, a fact which contributed to the trial for obscenity (which was a politically-motivated attack by the government on the liberal newspaper in which it was being serialized, La Revue de Paris). Flaubert, as the author of the story, does not comment directly on the moral character of Emma Bovary and abstains from explicitly condemning her adultery. This decision caused some to accuse Flaubert of glorifying adultery and creating a scandal.
The Realist movement used verisimilitude through a focus on character development. Realism was a reaction against Romanticism. Emma may be said to be the embodiment of a romantic; in her mental and emotional process, she has no relation to the realities of her world. She inevitably becomes dissatisfied since her larger-than-life fantasies are impossible to realize. Flaubert declared that much of what is in the novel is in his own life by saying, “Madame Bovary, c’est moi” (“Madame Bovary is me”).
Madame Bovary, on the whole, is a commentary on Flaubert’s view of a self-satisfied, deluded, bourgeois culture of his time. Flaubert’s contempt for the bourgeoisie is expressed through his characters: Emma and Charles Bovary lost in romantic delusions; absurd and harmful scientific characters, a self-serving money lender, lovers seeking excitement finding only the banality of marriage in their adulterous affairs. All seek escape in empty church rituals, unrealistic romantic novels, or delusions of one sort or another.”
Ich fand die Übersetzung teilweise etwas altbacken, sofern ich das überhaupt beurteilen kann (mein Reclamheft wurde 1972 herausgegeben), aber im Großen und Ganzen habe ich das Buch sehr gerne gelesen. Ich fand es sehr spannend zu sehen, dass dieses irreale Wunschdenken nach Luxus und Status, ohne etwas dafür tun zu müssen bzw. aus dem Irrglauben heraus, dass einem das zustehe, nicht erst im Zeitalter der Fernsehsuperstars und Models, die auf der Straße entdeckt werden, entstand, sondern anscheinend schon etwas älter ist. War mir nicht so klar. (Menschen! Alle bekloppt hier.)
Annett Gröschner – Hier beginnt die Zukunft, hier steigen wir aus
Ein wunderbar melancholisches Buch, das 20 Reportagen aus den Berliner Verkehrsbetrieben vereint. Gröschner beobachtet die Menschen im Bus, in der Bahn und die Umgebung, durch die sie die BVG trägt, und erzählt zu allem und jedem eine feine Anekdote. Zum Beispiel zur Marzahner Promenade:
„Die Geschichte dieses Wohngebietszentrums ist typisch für die Planungen der achtziger Jahre. 1979 wurde dem Projektierungskollektiv des Wohnungsbaukombinats Berlin die Gestaltung der Geschäfts- und Wohnbauten entlang der späteren Marzahner Promenade im Wohngebiet 3 übertragen. Erst 1986 wurde das erste Gebäude, das Hauptpostamt Marzahn, übergeben. Das Atriumhaus galt als besondere Leistung der DDR-Architektur. Peter Kahane hat 1989 einen Film über die Schwierigkeiten bei Aufbau des Stadtteilzentrums gedreht – „Die Architekten“. Er erzählt von den Desillusionierungen eines jungen Architektenkollektivs, das ein Stückchen Postmoderne in Marzahn errichten wollte und immer wieder an Parteidoktrinen, Plankorrekturen und Lieferschwierigkeiten der Betonwerke scheitert, bis einer nach dem anderen die Gruppe verläßt. Es ist ein bedrückender Film. Als er in die Kinos kam, gab es die DDR nicht mehr. Läuft man heute über die Marzahner Promenade, hat man den Eindruck, als seien alle Auseindersetzungen sinnlos gewesen.“
Wenn ich das nächste Mal in Berlin bin, fahre ich eine der Strecken ab und gucke, wie sie sich seit 2002, dem Erscheinungsdatum des Buchs, verändert hat. Und vielleicht können die Berliner das Buch ja auch mal lesen und mir sagen, ob es wirklich so melancholisch ist oder ob ich nur Heimweh hab.
Frank Miller/Lynn Varley – Elektra Lives Again
Dieser Elektra-Band hat laut Kerl und Wikipedia eine Art Sonderstellung, weil er nur als Hardcover erschienen ist. Die Zeichnungen ähneln teilweise Gemälden, so dicht und fast plastisch sind die Farben und ihr Auftrag. Die Story selbst ist inhaltlich und optisch eine Mischung aus Träumen und Trauer; Daredevil verarbeitet den Tod Elektras, und das wird nicht nur durch die Geschichte transportiert, sondern eben auch durch die Bilder. Kann ich schwer erklären (ich scheitere immer noch an Comicrezensionen, weil so vieles neu ist, auf das ich achte), hat mich aber durchaus fasziniert. Für den Preis waren es ein paar Seiten zu wenig, und selten ist mir aufgefallen, wie sehr Comiczeichnen eine Entschuldigung für erwachsene Männer ist, überdimensonierte Frauen in engen Kostümchen zu zeichnen. Jeder Nippel wie Arno Brekers Schamhaare, aber Bullseyes Penis nur angedeutet. Isklar.
Neil Gaiman/Chris Bachalo, Mark Buckingham, Mark Pennington – Death: The Time of Your Life
Hm. Konnte man gut in einer Stunde runterlesen, fand ich aber als Comic ein bisschen dürftig. Viel mehr Text als stimmungsvolle Bilder. So ein bisschen Festival des erzählten Films mit Powerpoint-Folien. Die Geschichte selbst hat mir gut gefallen (Das Leben als Popstar versus Familie und Beschaulichkeit), aber bei Comics möchte ich doch lieber was zum Gucken als zum Lesen haben. (Im Idealfall beides. You know.)
Frank Miller/Bill Sienkiewicz – Elektra: Assassin
Mindblowing. Mir fällt kein gutes deutsches Wort für dieses Buch ein, daher: mindblowing. Die Geschichte erschließt sich erst nach ungefähr drei von den acht Kapiteln; davor hat man zwar eine Ahnung, was passiert, aber so richtig sicher sein kann man sich nicht. Und auch danach wechseln Freund und Feind ganz gerne mal die Seiten, und der ganze Wust aus Menschen, Übermenschen, Klonen und Mischungen aus allen löst sich auch nie ganz auf, sondern verwirrt bis zum Schluss – mit Schauplätzen, Zeitsprüngen und Psychospielchen. Elektra: Assassin hat mich nicht nur durch die Story fasziniert, die ich mir eher erkämpfen musste als dass sie mir erzählt wurde, sondern vor allem durch die Bilder: ihre Vielfalt, ihre Präzision, ihre Farbigkeit (ein kleiner Einblick in die Kunst von Bill Sienkiewicz ist hier zu finden). Wenn ich nicht schon von Comics begeistert gewesen wäre – spätestens hier hätten sie mich gehabt.
Joss Whedon/Brett Matthews/Will Conrad – Serenity: Those Left Behind/Serenity: Better Days
Och jo. Nach dem kurzen Leben der TV-Serie Firefly kam noch ein Kinofilm, der mich nicht umgehauen hat, aber recht unterhaltsam war – wenn auch einer meiner Lieblinge dran glauben musste. Der ist netterweise in den Comics wieder dabei, warum auch immer. Die Storys scheinen mal Serienfolgen gewesen zu sein oder zumindest Ansätze, denn so ganz reichen sie nicht an die TV-Drehbücher ran. Da fehlt dann doch ab und zu die Raffinesse oder die große Überraschung zum Schluss. Ein paar gute Sätze sind drin, aber auch nicht die Menge und Qualität, die man von Firefly gewohnt ist. Kann man lesen, kann man aber auch lassen.
Scott McCloud – Understanding Comics
Scott McCloud hat einen Comic darüber gemacht, wie Comics entstanden sind, was sie als Kunstform bedeuten und wie sie „funktionieren“. Wobei „funktionieren“ nicht bedeutet, dass McCloud dem Leser etwas über Perspektive oder Männchenzeichnen erzählt, sondern mehr in die Tiefe geht. So erklärt er zum Beispiel, was the gutter ist – nämlich die Leere zwischen zwei Panels, die der Leser selbständig ausfüllen muss (closure) und die den Konsum von Comics eben etwas schwerer macht als einen Film zu gucken, wo man alles sieht oder ein „normales“ Buch zu lesen, in dem jeder Satz eine Botschaft ist und wir im Prinzip keine mehr suchen müssen. Sehr verkürzt wiedergegeben, ich weiß. Natürlich hat Literatur auch Inhalte, die zwischen den Zeilen stehen oder dechiffriert werden müssen, aber diesen wirklich Sprung, den man optisch von einem Panel zum anderen macht und der mehr ist als nur der Blick von A nach B, den gibt es eben nur im Comic. Was eine Art des Lesens ist, an die man sich erst gewöhnen muss.
Viel spannender als dieses Handwerkszeug waren für mich aber die historischen und soziologischen Geschichten, die McCloud auftischt. So beschreibt er, wie sich Kunst vom Ikonografischen (Höhlenmalereien) über sehr realistische Darstellungen (à la Dürer) wieder hin zum Ikonografischen (Impressionismus, Kubismus, Expressionismus uswusf) gewandelt hat, was bedeutet, dass heute alles möglich ist. Eine sehr gute und ausführliche Zusammenfassung des Buchs steht hier, reingucken kann man hier. Ein kleiner Kaufhinweis: Ich glaube, wenn ich nicht wenigstens zehn Comics gelesen hätte, wäre mir dieses Buch egal gewesen, weil es voraussetzt, dass man diesem Medium eine gewisse Faszination entgegenbringt.
Scott McCloud – Reinventing Comics
Der Nachfolger zu Understanding Comics beschäftigt sich mit den Problemen, die Comics lösen müssten, um akzeptierter zu werden bzw. größere Leserkreise zu erreichen. Das geht los bei mehr Frauenfiguren und mehr unterschiedlichen Rassen als Hauptfiguren oder auch als Produzenten und endet bei den neuen Möglichkeiten, die das Internet für digitale Produktion und damit der Abkopplung von Verlegern, Druckereien, Auslieferern und Comicläden bietet. Das Buch ist im Jahr 2000 erschienen, und daher sind einige Ansagen McClouds schon überholt bzw. wir warten noch darauf, dass sie funktionieren (Micropayment). Trotzdem bietet auch dieser Comic einige tiefe und überlegenswerte Einblicke in das Medium – und liest sich genauso gut weg wie der erste Band.
Will Eisner – Comics and Sequential Art
Will Eisner ist der creator des Spirit und lehrte an der School of Visual Arts in New York. Comics and Sequential Art ist quasi der verkürzte Kurs zum Nachlesen. Eisner erklärt anhand seiner eigenen Werke Eigenschaften von Comics wie Perspektive, wie ein Panel Stimmungen übertragen kann, wo am besten die Sprechblase zu stehen hat usw. Ich habe das Buch wie Sekundärliteratur gelesen, also nicht besonders emotional. Aber beim nächsten Comic, den ich in der Hand hatte, sind mir auf einmal viele Dinge aufgefallen, die ich vorher nicht gesehen habe. Sehr spannend.
Warren Ellis/Darick Robertson – Transmetropolitan: Back on the Street
Danke für die Empfehlung, hat sich gelohnt. In Transmetropolitan geht es um den nöligen Journalisten Spider Jerusalem, für den Hunter S. Thompson Modell gestanden hat. Spider verlässt seine Bergeinöde, um in der verruchten Großstadt Stoff für Bücher zu finden, die er seinem Verleger noch schuldet. Die einzelnen Geschichten verbinden sich nur halbwegs schlüssig zu einem Band, und ich ahne, dass sie als Einzelhefte mehr Spaß gemacht hätten. (Ein Band = zehn Hefte.) Oder anders: Ich muss dringend noch die weiteren neun Bände kaufen. Das erste Heft gibt’s hier als PDF (12 MB).
Frank Miller – Sin City: The Hard Goodbye/Sin City: A Dame to Kill For
Sin City bzw. einen Band davon hatte ich vor Jahren, als der Film rauskam, schon mal quergelesen und fand ihn anstrengend, aber grandios bebildert. Anstrengend finde ich ihn immer noch – Frauenfiguren, die rotzige Ausdrucksweise, die direkt aus schlechten pulps kommt –, aber gleichzeitig unglaublich konsequent. Und jetzt, wo ich ein paar bunte Vergleiche habe, kommen mir die holzschnittartigen Schwarzweißbilder noch revolutionärer vor. Außerdem mochte ich die Zusammenhänge in den beiden Bänden, die in den weiteren wahrscheinlich nochmal aufgegriffen werden: Panels, die man aus dem einen Band kennt, wiederholen sich im anderen – aber diesmal sieht man sie aus einer anderen Perspektive, weil jemand anders der Erzähler ist.
Ich glaube, jetzt hab ich alle Millers durch, die das Kerl’sche Comicregal bevölkern. Reicht dann auch erstmal mit dieser Machosprache.